Irene Forbes-Mosse
Peregrina's Sommerabende
Irene Forbes-Mosse

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Dünenlieder

I.
        Als Deine Linke
Unter dem Haupt mir lag,
Und Deine Rechte
Mich wiegte und herzte
War es wohl sonnige Zeit . . . .
Als ich, die Augen voll Thränen
Immer ins Blaue starrte,
In die schüchtern grünenden Wipfel
Sang mir's im Herzen:
        Gesegnet, gesegnet
Seien die länger werdenden Tage!

Wandelst Du einsam
Am fremden Strand einher?
Segelst Du friedlos
Auf bäumenden Wogen,
Denkst Du vergangener Zeit?
.   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .
Lodert, Ihr brennenden Späne,
Fliege, mein Mäntelchen, fliege,
Meine weichen, schmeichelnden Haare,
Gesegnet, gesegnet
Auf allen Wegen
Seien die steuerführenden Hände!

 
II.
        Warum blickst Du so tief in die See,
Grünauge, Meerauge?
Korallen fingern wohl in die Höh . . . . .
– Wohl blick' ich tief in die klare Fluth,
Mein Liebster auf weissen Kieseln ruht –
        Grünauge, Meerauge!

Seekräuter wachsen auf Meeresgrund,
Grünauge, Meerauge!
Die Fischlein spielen um seinen Mund; . . .
– Er sieht mich starr und traurig an,
Weil er mir nichts mehr sagen kann, –
        Grünauge, Meerauge!

Was steht auf seinem blassen Arm?
Grünauge, Meerauge!
»Ein blaues Zeichen, dass Gott erbarm'!
»Forever« das blaue Zeichen ist
»Weil Du so treu mir gewesen bist,
        »Grünauge – Meerauge!«

 
III.
        O weiche Daunenbrust, Du meine Möwe,
Nachts schlief ich zwischen Deinen Silberflügeln,
Aber die Sonne küsste Dich wach!
Schaumarmig winken die Wellen,
»Her zu uns, her zu uns,
Den freien, wechselnden Schwestern,
Du junge Freigeborne!«
 
IV. Die Wellen
        Schöne, blasse Mädchen reichen sich die Hände: blass, weil die Sonne so heiss sie bestrahlt; und der Meersand glüht unter ihren Füssen, auf dem ihre weissen Säume schleppen.

Durstige Muscheln schnappen nach Feuchtigkeit, und das theerige Boot, zwischen Kies und Seetang festgerammt, möchte hinaus, die heissen Rippen zu baden wo die zänkischen Möwen den Meerschaum fegen.

Langsam kommen, ohne aufzublicken, hagre Frauen zum Strande gegangen; sie flicken die braunen Netze, breiten sie aus und beschweren sie mit Steinen.

Blasse, schöne Mädchen reichen sich die Hände, und lassen los, und fassen sich wieder – einen Schritt vorwärts und zwei zurück . . . . es ist das Lied der Ebbe, hört Ihr sie singen?

»Fern im Norden ist ein grosses Schiff gesunken, nun schwimmen Südwester herum, und Fässer und Trümmer . . . . .und in unsern Schaumarmen trugen wir sie, Hans und Peter und Lukas, Männer und Söhne . . . . .

Hendrik auch, der mit dem goldnen Ohrring, auf seinem Arm stand ein fremdes Wort »Forever« und der alte Jan, er hatte nur einen Daumen, den andern hat ihm Bruder Seehund abgebissen » . . . . .

 
V. Vor dem Hafen
        »O stiller Schiffsmann Du,
Sing uns in Abendruh
Ein Liedchen, dass die Zeit vergeht,
Da nun der Wind nur lässig weht,
Ueber Wogen, ruhelosen Wogen,
Nun der erste Stern schon wartend steht.«

Der Schiffsmann stand und sang,
Sein Blick hing tief und lang
Am Lande, wo der Lichter Band
Sich um das graue Ufer wand,
Wo die Wogen, die ruhelosen Wogen
Hinglitten übern weissen Sand.

»Ach Heimath thränenreich!
Was soll ich singen Euch
Von heissvergossnem, edlen Blut,
Nun der Empörung Herzschlag ruht
Unter Wogen, ruhelosen Wogen,
Die Welt rauscht weiter ihre Fluth!

Du warst ein Edelstein,
Der Söhne Stolz und Schein,
Wie's Lämpchen am Marienbild
Vom hohen Maste, schienst Du mild
In die Wogen, die grossen, freien Wogen . . . .
Mein Herz, da warst Du jung und wild!

Ich führ mein Steuer frei,
Am alten Land vorbei . . . . . .
Und sollen wir vor Anker gehn,
Lasst mich an Bord, Herr Capitän,
Und die Wogen, die freien ruhelosen Wogen,
Die werden mich gar gut verstehn!«

 


 


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