Heinrich Federer
Umbrische Reisegeschichtlein
Heinrich Federer

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Aber kaum hatte ich zwei, drei Atemzüge lang ausgesetzt, so suchte Ximenes auch schon meine Hand, drückte sie dankbar an sein Herz und bat mit ganz schwacher, aber feiner Stimme: »Was haben Sie? jetzt geht Tar . . c . . isius nach Rom. Nun wird es prächtig. O schnell weiter!... Hören Sie, wie flink mein Puls geht... vor... vor...«

»Laß mich doch nur eine Minute ausruhen«, sagte ich, »und mich auf den Rest ordentlich besinnen. Hast du übrigens das Bild des heiligen Knaben an der Altartafel beachtet?«

»Ja so!« sagte der Chilene erstaunt. »Jetzt erinnere ich mich... Sie sagten Tarcisius... nicht? Das muß ich aber morgen gut anschauen.«

»Man sieht nicht viel. Das Gemälde ist halb verblichen. Aber das Bild wird dich doch freuen.«

Ich wußte nicht einmal sicher, ob die verwüstete Schilderung auch wirklich den heiligen Ministranten Tarcisius darstellen wollte. Denn es waren, wie gesagt, nur ein paar junge, unbärtige Köpfe, einige erregte Hände und Füße, etliche wilde Fetzen Tuch und um den schönsten Bubenscheitel der schwache Schimmer einer Gloriole sichtbar, aber auch das alles mehr oder minder vom Moder verwischt. Jedoch hatte ich deutlich ein seidiges Tüchlein mit der Ähre bestickt unter einem Knabenfuß wahrgenommen, während dem kleinen Heiligen etwas Rundes gen Mund schwebte. Sicherlich die Hostie.

Es fiel mir ein, daß ich vielleicht diese Tarcisiuslegende zu weltlich male. Ich wußte nicht auswendig, in welche Zeit dieses glorreiche Kindesleben fällt. Keine Einzelheit war mir aus den Akten bekannt. Vorweg hatte ich alles Drum und Dran erfunden und fürchtete sehr, daß ich dabei unheilig verfahren sei und vielleicht dem historischen Knaben Tarcisius ein zu gewöhnliches, zu bübisches Gewändlein und Wesen angezogen habe. Aber ich konnte nun nicht mehr zurück. Jetzt ging es ja auch dem prachtvollen und wahrhaft heiligen Schluß der Novelle entgegen. Ich nahm mir vor, nun sicher keinen Abstecher mehr von der geraden Spur der Legende zu machen, einer kurzweiligen Fabel zulieb oder um meinen ungläubigen Zuhörer zu bestechen... damit ich mich morgen vor dem Bilde an der Wand nicht zu schämen hätte.

 

Draußen hatte der Regen nachgelassen. Aber vor der Schwelle hörte man noch immer das Vorbeifließen und Klatschen der Wasser, die sich über die ganze Wegbreite zu einem wahren Flusse gesammelt hatten und gewiß noch bis morgen von all den kahlen Berghöhen herab reichlich gespeist würden. Auch durch die brüchige Dachdiele tropfte es da und dort. Hinter uns schnaufte schwer der Diener Gonzal. Von Carlos hörte ich keinen Laut. Eine schwache Helligkeit sickerte durch die hohen Rundfensterchen herein. Sie blickten wie blasse Augen ins Dunkel des Kirchleins. War das schon nahender Tag oder hatte das Gewitter den Himmel mit seinen Sternen sauber und blank hervorgefegt? Dieser Schein von oben genügte, um nach und nach einige Formen des Altars, den unteren Chorbogen und die Umrisse meines kleinen Nachbars zu erkennen. Ximenes hatte die Kapuze abgeworfen, und sein ovaler, nach hinten hochgewölbter Kopf war wie ein feingezogener Schatten an der Wand anzusehen.

»Nun, nun!«klang es heftig aus diesem Schatten. Er ward größer. Ich spürte die heiße Luft eines nahen Gesichtes und den Glanz zweier großen Augen. »Nun, nun!« befahl es beinahe.

So begann ich denn:

Als Tarcisius mit seinem nun wieder purpurnen Mäntelchen am nächsten Tag schon recht früh gegen die Stadt zog, schien er ein ganz anderer Mensch geworden zu sein. Sonst hüpfte und pfiff er. Jetzt schritt er gleichmäßig vor sich hin, sah kaum rechts und links, lispelte hie und da ein halblautes Wort in sich hinein, aber konnte nur nicht das Blitzen seiner Augen verbergen, dieses gewaltige Blitzen vor Freude und Würde und königlicher Erwartung. Und so belebt, trotz des stillen Schrittes, war das sonnenbraune Gesicht des Jungen, als steckte er im eifrigsten Gespräch mit einem andern unsichtbaren Begleiter.

Das war denn auch so. Von einem Seidentüchlein umhüllt, trug er das Abendmahl in kleiner Brotsgestalt unter dem Brustlatz und ließ es nicht aus der linken Hand. Die rechte Hand steckte Tarcisius in den Gurt, an die Stelle, wo er, wie alle Patrizierknaben, schon einen Ziersäbel zu tragen pflegte. Aber heute durfte er ihn nicht tragen. Papst Caius hatte gesagt, daß Christus auch ohne Säbel nach Jerusalem zog, und daß er nicht einmal dem Stürmer Petrus oder Thomas ein Schwert gelassen habe. Auch hilft kein Säbel, wenn Jesus nicht hilft. Dennoch, wenn irgendwo aus den schwachen Erhebungen der Äcker eine Gestalt auftaucht oder hinter ihm auf dem Pflaster der Appischen Straße ein Roßhuf ertönt, legt Tarcisius unwillkürlich die Hand an den leeren Gurtschlitz. Er kann nicht anders. Dann redet er leise mit seinem Begleiter weiter.

»O Cäsar der Cäsaren«, betet sein Flaminiermund, »ich habe dem Bischof gesagt, daß ich dich wie das Palmeselein in die Stadt tragen wolle. Aber das war falsch gesprochen. Wußte denn das dumme Tier, wen es trug? Ich aber weiß es. Oh, du regierst den Himmel, wie du auch bald die Erde da unten regieren wirst. Du wirst den Kaiser und die Götzen in den Staub schlagen und unsere Kirche auf s Kapitol bauen und die Heidenpriester verjagen und die Arena zuriegeln oder... Ja, das wäre gut... die Tröpfe, die sich nicht taufen lassen und nicht auf Caius hören und uns widerstreben, einfach den Bestien ins Maul werfen... Aber warum wartest du so lang? Das allein kann ich nicht begreifen. Schon mein Vater und meine Mutter haben es erleben wollen und sind vorher gemordet worden. Und unsere Alten, mit den verbrannten Gesichtern, der einäugige Paternus und Pia Sorta mit den lahmen Füßen, und viele andere warten Tag und Nacht darauf. Ist es denn schön, wenn die Buben in der Gasse unsere Christen anspeien oder, wie dem seligen Curius, das Gesicht verschmieren und schreien: Danket uns! Jetzt gleicht ihr eurem Sudelgott!, und wenn sie spotten: Wann kommt er eigentlich, euer Blitz- und Donnergott? Schläft er? Oder hat er schon ausgeblitzt und ausgedonnert? Wir haben nichts gemerkt... O diese Laffen!... Doch nein, ich darf nicht wütend werden. Still, still!... Aber sag' mir, o Christ, werden wir in den Zirkus gelangen? So viel mußt du schon tun. Sieh, die Monica und ihr Diener werden vielleicht schon heut abend den Bären oder Luchsen gegeben. Und sicher, sie warten auf dich. Dann erst haben sie Mut genug. Das wäre furchtbar, wenn wir nicht zu ihnen gelangten. Da bitt' ich schön, hilf mit! Ich tue auch, was ich vermag. Ich will so herzhaft und schlau die Sache einrichten, wie ich nur kann. Aber was hilft das, wenn du es anders fügst? O heiligster Christ, hilf uns!«

»Für mich habe ich keine Angst. Mich laß nur! Mich soll niemand schonen. Ich schone auch keinen. Bald muß mich Sebastian in die junge Stadttruppe aufnehmen. Dann werde ich Centurion, befehlige hundert Mann, kämpfe am Rhein oben im Schnee oder unten in der Wüste und lasse Christ werden, wer will, und mache nur Christen zu Reitern und siege immer und werde Feldherr. Und wenn ich heimkehre, sage ich dem Kaiser: Ich habe die Mohren besiegt! Ich habe die Barbaren vernichtet. Jetzt, ja oder nein, will ich auch noch dich überwinden. Schnell werde Christ! Da ist Bischof Caius und da ist der Diakon Philippus und da ist Wasser zur Taufe. Eins, zwei, drei... oder mein Herr bricht über dich wie eine Wolke herein und nimmt dir den Thron und das Leben... eins, zwei, drei...«

»Ach nein, so kann man doch niemand zwingen! Papst Caius sagt mit Liebe! Was ist das, mit Liebe?...« Ganz betrübt, daß er immer wieder sich in so harte Phantasien verirrt, furcht er die niedrige braune Stirne. Und es dünkt ihn, er hätte gestern eben auch beichten und kommunizieren sollen, dann würde er frömmer denken und viel besser wissen, wie man mit Liebe, ach mit Liebe Heiden bekehrt.

Er hatte gestern ein bißchen Titus Livius gelesen. Das wollte Papst Caius, daß er fleißig studiere und nach den heiligen Büchern auch die berühmten weltlichen kennenlerne. Die Reden der Feldherren vor der Schlacht am Po hatte er gelesen. All das soldatische Blut seines Geschlechts stieg ihm zu Kopfe. Dieser große Hannibal! Dieser feine Bub des Publius Scipio! Oh, das waren Helden! Aber Caius hatte gesagt: »Nun probier' einmal und lies darauf Johannes Kap. 13 oder Kap. 19.« Es ist wahr, das klang anders. Die Feldherren verschwanden wie Nebel, als Jesus die Füße wusch, das Brot brach, so hoheitsvoll zum Verräter und so ewigschön zu Johannes und Petrus redete. Und erst mit Pilatus im neunzehnten! Und am Kreuz! O Himmel, da überliefen ihm die Augen! Da dachte er nicht mehr an Rom und Sieg und irdisches Geflunker. Da sah er eine andere Welt. Aber er hat einen heillos raschen Kopf. Das hastet nur so her und hin. Er will in Zukunft nicht immer in den Königen und Makkabäern lesen. Nein, im Johannes. Da lernt er das: mit Liebe! Mit Liebe!

Indessen gelangt er ans Appische Tor. Da muß er warten. Es drängt viel Volk herum, und Soldaten sperren die Straße. Tarcisius wundert sich. Aber es steht ihm nicht an zu fragen. Sein Christus weiß ja alles. Jetzt, jetzt!, schreien die vordersten. Richtig, ein geordneter Zug naht unter dem Bogen hervor, Bewaffnete, zwei Liktoren zu Roß, dann... ach, wie schnell kennt man sie!... ein Trüpplein Christen. Sie haben Ketten an den Füßen, aber ihre Arme sind frei. Denn sie tragen Körbe und Säcke auf den Rückhaltern und Stricke und lange Ruder und Schöpfkübel auf der Achsel. Kein Zweifel, die einen sind zu den Galeeren nach Neapel, die andern in die Schwefelgruben um den Ätna verbannt. Aber drei von ihnen tragen nichts und halten die Hände auf den Rücken gebunden. Zwei sind Griechen, ein Vater und ein Sohn, denn sie gleichen sich im Gesicht zu wunderbar. Der Vater ist Hauslehrer. Er trägt noch den weißen Rock und die eingestickten Eulen am Ärmel. Neben ihnen mit kurzen Geißeln, fast wie Viehtreiber, gehen vier Neger. Den Griechen hauen sie selten einmal auf die nackten Beine. Aber dann zucken die feinen zwei Menschen jedesmal wie von einer Flamme gebrannt zusammen, und der Jüngere schreit jedesmal auf. Herr von Kalvaria, und doch sieht es so aus, als ob die da irgendwo zu Tode gegeißelt werden sollten. Jetzt... Tarcisius entfliegt fast der Atem vor Erregung... Jetzt kommt ein Hüne mit schafblondem Haar und ganz hellen kleinen Augen. Ah, das ist so ein langes, breites Germanengesicht mit dicker, kurzer Nase, aber einer goldenen Herrlichkeit vom Kinn zur Brust hinunter. Welch ein Bart! Und wie er ruhig mit den grauen Äuglein über die Menge blickt! Wohin wohl? Ist er vom sagenhaften Rhein oder gar vom Eismeer? Und denkt er an seine Fischerhütte oder an seinen Bogen, ob ihn wohl der kleine Biwolf, sein einziger Bub, schon mit bloßer Hand spannen könne? Und ob man dort schon bis zur Kolonie, schon über den Rhein, schon über die Alpen, ach, ob man dort bald bis nach Rom schießen könne. Einmal sicher!... Aber nein, der Riese lächelt. Er hat die Heimat verloren, aber ist Christ geworden. Das dünkt ihn kein schlimmer Tausch.

Ihn peitschen sie viel und gern. Es spritzt und zischt wie Funken um seinen Kopf. Aber er zittert nur ein wenig, der Koloß, und lächelt wieder und zieht ruhig weiter am offenen Sänftewagen, an den man ihn wie einen Stier gespannt hat. In den roten Polstern des Wägelchens sitzt vergnügt ein Jüngelchen von siebzehn Jahren. Es ist der Älteste des Statthalters Marcus Maximinian, vor dem sich alle Hunde Roms verkriechen, und den die Buben und Mädchen wie den Cerberus fürchten. Man kennt das Wappen an der Sänfte sogleich am großen und kleinen M. Tarcisius hört erzählen, wie sich der Hauslehrer Eurosius und sein Sohn Pylon in die Familie schlichen, den Waffenträger und Fechtmeister des jungen Herrn, eben diesen germanischen Riesen, mit der heillosen Lehre vom gekreuzigten Juden ansteckten und schon ein giftiges Netz von Verräterei durch den großen Palast und Park gesponnen hatten. Der zarte Pylon gefiel dem vornehmen Herrlein. Er konnte hübsche Figuren meißeln und hatte das übermütige Junkergesicht mit den aufgesprungenen Lippen und den rotumränderten und immer so bösartig lachenden Samtaugen, sowie mit der gedrückten eigensinnigen Stirne und dem dicken Haar außerordentlich lebendig in farbigem Ton gekünstelt. Darauf befahl der junge Maximinian, daß ihm Pylon auch einen Mars und eine Venus, zum Opfern, so natürlich und farbig modelliere. Pylon suchte Ausreden, und zuletzt, vom Gebieter auf ja und nein gezwungen, bekannte er, daß solche Götzen zu schaffen ihm sündhaft scheine. Jetzt kam man dem ganzen Christennest auf die Spur. Neben dem Waffenträger, der vom Jüngling hochgeschätzt worden war, gab es noch etwa vierzig verhetzte und verzauberte Sklaven. Sie wurden auf die Galeeren und in die Bergwerke des Statthalters geschickt. Aber die drei Rädelsführer sollten auf dem Wege von der Stadt zu seines Vaters Landhaus Senepia Rosa zu Tode gepeitscht werden. Soweit wollte der junge Herr mitfahren. Wo es ihm gefiele, würde er winken und zuerst den Sohn, und wieder eine Strecke weiter, wo es ihn am lustigsten dünkte, den Vater geißeln lassen. Hei, werden die zarten Graeculi schreien! Der Germane aber muß ihn durch die heiße Campagna bis zur Villa ziehen. Jeden Augenblick pfeift der Junker leise durch die Zähne. Das heißt: haut ihn! Dann prasseln die Zwicke der Riemen auf den Riesen nieder. Und Maximinian beugt sich vor, denn er ist trotz allem Augengefunkel sehr kurzsichtig, und lacht sein rohes, trockenes, helles Lachen und foppt: Proficiat! Wohl bekomm's!... Es ärgert ihn, daß er nicht aufbrüllt, den Sänftewagen vor Qual schüttelt, dieser Stier! Daß er so zufrieden über die Äcker blinzelt und lächelt, als füttere man ihn mit dem besten Grase statt mit Hieben. Ihn will er im großen Garten der Villa dann mit aller Bedachtsamkeit zu Tode quälen, vielleicht im Hechtweiher zappeln lassen, vielleicht mit Pfeilen totschießen. Er hat ihn ja meisterlich Bogenschießen gelehrt... Hart, böse, ganz grausam muß man sein. So ist man Herr und hat ein blutig schönes Leben.

Das alles wird um Tarcisius herum erzählt. Er möchte sich die Ohren stopfen und muß doch zusehen, wie dieser Zug voll Lüsternheit und Entbehrung in langsamen, regelmäßigen Schritten vorbeitrabt und schwer und unerbittlich in der Sonne der Campagna weiterzieht, bis der Teufelssohn Maximin die Peitsche ergreift und kommandiert: »Hier fangen wir mit dem Pylon an! Ich zähle und ihr trefft.«

Tarcisius geht zum Tore ein. »Hast du das auch gesehen, heiliger Christ?« lispelt er wütend. »Und wenn du es gesehen hast, wie konntest du diesen Fratz in der Sänfte hocken lassen! Zum Satan soll er! O Christkind, Christkind, du bist zu geduldig; du wartest zu lange. Wenn das so fortgeht, gibt es keine Christen mehr... Aber da rase ich wieder. Jetzt gib mir auch Geduld von deiner Geduld. Weiß ich doch nicht, was mir in dieser Heidenstadt noch alles begegnet und mich grimmig macht! Oh, um alles nicht darf ich jetzt frech werden. Still! Still! Niemand soll merken, wer bei mir ist. Aber schöner wäre es, dich im Galopp und mit Musik und Adlern da herein und aufs Kapitol zu tragen, als wie ein Dieb mit dir durch die engsten Gäßlein zu schleichen.«

An der Kreuzung der Via Latina mit der Appischen Straße sieht er den Pontifex Maximus mit einigen Senatoren stehen. Ihre Tuniken leuchten in der so saubern vormittäglichen Sonne Roms. Bei jedem Worte des Pontifex verneigen sich die Herren vom Senat. Fast muß Tarcisius lachen. So eine Komödie! Was ist denn ein Pontifex? Eine Null vor Christus. Die Gottheit, die Tarcisius auf der Brust trägt, müßte nur winken, und spurlos weggeblasen wären alle Pontifices der Erde... Am Heiligtum des Pan sieht der Knabe Vogelschauer und Opferpriester sich am Mauerbrünnlein die Hände waschen und lebhaft mit dem Seher Fabius, den ganz Rom am zweizipfligen roten Bart kennt, Worte und Zeichen wechseln. Und wieder muß Tarcisius fast laut lachen. Was wissen die? Wenn der Herr hier in seiner Hand nur ein bißchen wollte, wie Fetzen fiele der Zeremonienschwindel von diesen gespreizten Leuten und sie ständen als nackte Betrüger da... Unweit davon ist das Häuslein, wo Diokletian im Schatten des Kapitols fast den ganzen heißen Tag zubringt. Jedes Kind kann dir das Gesimse dort an der zweiten Säule zeigen, hinter dem der erhabene Imperator zehn Schreibern seine Befehle nach allen Grenzen der Welt diktiert, auch die Kriegspläne mit den Feldherrn ausdenkt und die Skizze zu seinen großen Bauten entwirft. Wer da vorübergeht, atmet leiser und beugt beinahe ein Knie vor solchem Weltkommando. Was seid ihr für Narren! Dieser Kaiser ist doch ein Bettler vor meinem Herrn, den ich jetzt in himmlischer Unsichtbarkeit und doch so fühlbar und wahr bei mir habe. Dieser Diokletian wäre einst froh, wenn er meinem Kaiser nur den Staub von den Sandalen küssen dürfte. Er meint, er regiere die Welt. Keinen Finger könnte er rühren ohne meinen Christ. Mein Herr muß nur sagen: Halt!, und alles das fällt zusammen wie ein Kartenhaus. Man hört es kaum. So hat Papst Caius gesagt.

Vielleicht sollte man geradewegs zum Kaiser! Tarcisius wird glutrot beim Gedanken. Die Soldaten am Portal ließen ihn schon zu. Ich komme vom Kaiser von Asien, würde Tarcisius sagen. Und das wäre nicht gelogen. Dort liegen ja Bethlehem und Jerusalem. Und dann ginge er hinein. Der Kaiser ist ein edler Mann, das weiß man. Es muß ihm einer nur einmal die Wahrheit sagen. Ich, Tarcisius! Ich zeig' ihm das Abendmahl. Ich erzähl ihm das Wunder. Er muß niederknien und mit mir beten... oh, das ist das Rechte! Beim Kaiser muß man anfangen.


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