Heinrich Federer
Umbrische Reisegeschichtlein
Heinrich Federer

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Eine Nacht in den Abruzzen

Der Himmel drohte den ganzen Tag mit Gewittern, so daß ich, im hintersten Umbrien, wo die Abruzzen den mächtigsten Schatten werfen, immer wieder nach einem kleinen Marsche mich vor den rechts und links züngelnden Blitzen und dem unheimlichen Grollen ferner Donner in die erste, beste Hütte flüchtete. Nach kurzer Rast, da es noch immer nicht losbrach, zog ich dann unter einem sonnenlosen, stahlgrauen, schwülen Julihimmel wieder ein Stück weiter und redete mir trotz der dörferlosen und wahrhaft unwirtlichen Landkarte dieses Bezirkes dennoch immer wieder die eitle Hoffnung ein, bald einen Kirchturm und ein Gasthöflein zur nächtlichen Unterkunft zu finden.

Es wurde beinahe acht Uhr abends, als mich der Weg hart an einer einsamen Kapelle vorbeiführte. Sie stand etwas erhöht über der Straße. Ein niedriges, vertrocknetes Bachbett trennte Weg und Kirchlein. Solche wasserlose Steinrinnen gab es da allenthalben von den Hängen hinunter durch das kurze Weideland. Hirten und Vieh werden im September von den höheren Atzungen in diese Futterplätze hinunterziehen, nachdem es reichlich geregnet hat. Jetzt aber ist es von Menschen und gemütlichen Tieren hier weitum totenstill.

Es wird mir nichts anderes übrigbleiben, dachte ich, als in dieser Kapelle zu übernachten, und trat mit Stock und Rucksack unter das offene Portal. Ganz erstaunt blieb ich stehen. Vorne im Chor gab es Menschen. Eine Leiter war an die Chormauer gelehnt, und ein langer Mann mit bronzener Gesichtsfarbe malte da rasch in einer Heiligengruppe. Über ihm auf dem obersten Tritt strich mit breitem Pinsel ein schlanker Junge das Firmament blau und ließ etliche kräftiggraue Wolken gewitterhaft durch die Luft fahren. Sogleich erkannte ich die beiden mitsamt dem Diener Gonzal, der auf der Stufe des danebenstehenden Altärchens saß und zu schlafen schien. Es war mein Freund Carlos Luis de Herreras mit seinem zwölfjährigen Knaben Ximenes. Ich erinnerte mich jetzt, daß er mir vor Wochen in Perugia erzählt hatte, es gebe in den Abruzzen ein Kirchlein, wo er das interessanteste Fresko der Welt halbverblichen bewundert habe: das spanische Amerika vor der Krippe Jesu. Statt der drei Könige sei es ein Peruaner, ein Mexikaner und ein Chilene, die dem armen kleinen Gott die Schätze ihres Landes zu Füßen legen. Es gebe da Gelegenheit, alle Sorten von Metall zu malen, Erze, Gläser, Perlen, in hundertblitzigen Lichtern, und zugleich seinem Patriotismus als Chilene ein Vergnügen zu schaffen. Er habe sich also die Erlaubnis des Erzbischofs und der Regierung erwirkt und wollte mit einer schönen umbrischen Streiferei die Renovation eines gescheiten alten Freskos verbinden.

Carlos de Herreras hatte ich im Sommer vorigen Jahres auf der wunderbaren Wallfahrt durch die Sabinerberge nach Trinità dei Monti hoch im nächtlichen Gefelse kennengelernt. Wir lagen auf der gleichen Matratze und wärmten uns am gleichen Feuerchen. Dann trafen wir uns öfter in Rom und vor kurzem wieder in Perugia, wo ich nun auch seine kranke Frau, sein Töchterlein Anita und seinen Knaben Ximenes häufig traf. Ursprünglich war Carlos eine hohe Militärperson in Chile und besonders für die heimatliche Artillerie tätig, deren Triumphe über Peru und Bolivia er schon als Knabe erlebt hatte. Bei einem Manöver im Gebirge erfroren ihm die Füße. Zwei Jahre dokterte er herum, ließ sich bei einem Spezialisten in Paris behandeln, verlor einige Zehen und verbrachte die übrige Kurzeit in Italien. Er verkehrte viel mit den Malern, und da an militärische Tätigkeit nicht mehr zu denken war, gab er sich zuerst als talentvoller Dilettant, dann als ernster Fachmann völlig ihrer Kunst hin. Tiefe Gedanken suchte er nicht. Ein tapferes, kleines Thema war ihm genug. Wenn es nur viel Glanz und Farbenkühnheit brauchte. Im Malen metallischer Gegenstände, etwa Waffen in der Mittagssonne, Harnische, aus dem Dunkel leuchtend, Silberschalen mit einer Ampel zumitten durch eine Domdämmerung schwebend, Prunkgewänder der Kirche im Kerzenlicht der Altäre, Gold und Edelgestein aus kupfergebuckelten Truhen geschöpft, in solchem war er ein unübertroffener Meister. Das suchte er auch mit einer fast krankhaften Leidenschaft. Vielleicht stammte diese Sucht von seiner früheren Tätigkeit in den Arsenalen. Er selbst, schlank und geschmeidig, nur an den Füßen etwas steif, glänzte wie Bronze, hart, metallisch, funkensprühend, aber ohne tiefe, innere Wärme. Religiöse Gefühle hatte ich nie an ihm bemerkt, und im alten Palast Meligni zu Perugia, wo er sich herrschaftlich niederließ, herrschte eine zwar stille, noble, aber lauterste Weltlichkeit.

Rührend war jedoch seine Sorge für Frau Teresita, die nie einen gesunden Tag hatte, und in deren großem Schlafsaal er meistens malte, um Kunst und Leben mit ihr zu teilen. Ihretwegen hatte er sich in der gesunden, ruhigen Hauptstadt Umbriens häuslich niedergelassen. Ihm hätte Rom weit mehr zugesagt. Im übrigen war er unbändig reich, vorab von seinen großen Ländereien in Chile her, die ihm jeden Monat ihren Segen in Form eines schweren Schecks oder eines prachtvoll musizierenden Goldsäckleins nach Europa sandten. Neben der Malerei befliß er sich der Kriegsgeschichte, und ich könnte es wohl verstehen, daß dem kleinen Ximenes zwischen den Kanonen und den Erzbildern des Vaters das kleine Seelchen eingefroren war.

Er glich dem Vater gänzlich mit seinem länglichen, bronzenen Gesicht, den schmalen Augen, in denen die Pupillen wie schwarze Steine funkelten, der langen geraden Nase, dem dünnen Munde mit langen weißen Zähnen und mit seinem seltsamen indianischen Zuge durch das feine, aber harte, knochige Gesichtlein. Ich wußte nicht, daß er auch schon malte. Ich hatte ihn spielen, reiten, lesen, streiten und sogar jagen sehen, aber malen nie. Freilich kannte ich ihn nur obenhin.

Jetzt, in dieser Wildnis und im Brummen des nahen Abruzzengewitters, wurde mir beim Anblick der Bekannten warm ums Herz. Alle Bangigkeit verschwand. Wir begrüßten uns fröhlich. Auch die Herreras freuten sich über die neue Unterhaltung. Von dem nahen Unwetter besaßen sie keine Ahnung, so tüchtig hatten sie sich in ihre Arbeit vertieft. Sie kamen zu mir ans Portal und sahen verblüfft, wie es mit Wind und Wasser nun von den Bergen niederrauschte. Wir wollten eilig zur Sennhütte laufen, wo Carlos, zwanzig Minuten vom Kirchlein entfernt, Pferde, Wägelchen und Säcke nebst einem zweiten Knecht zurückgelassen hatte. Aber nun brachen die Blitze und Donnerschläge so hageldicht herein, und ein solcher Wolkenbruch ging nieder, daß wir sogleich in die Kapelle zurückflohen. In wenigen Minuten war es Nacht. Es goß so furchtbar über unser Dach, als hämmerten tausend Werkleute. Die Fenster knarrten, die Altartücher wehten, und binnen kurzem brauste ein wilder, brauner Bach unter dem Portal vorbei und überschwemmte die Straße und füllte alle Gräben. Wir waren wie auf einem Inselchen.

Zwei Stunden warteten wir so. Schließlich blieb nichts übrig, als uns hier zum Schlafen einzurichten. Wir aßen vom Proviant, drückten uns in den Bänken an die Wände und suchten einzunicken. Am Altärchen steckten zwei Kerzen. Die zündete ich an. Sie erhellten nur sein kleines Tafelbild, eine verblichene Darstellung wild durcheinander stoßender Jünglinge mit einem Knaben am Boden. Sein schönes Gesicht war noch leidlich erhalten, aber das Haar und der Heiligenschein waren völlig verblichen. Daneben konnte man nur einzelne hübsche, aber böse römische Gesichter, heftige Ellbogen, losgerissene Fäuste und eine dem liegenden Jungen zuschwebende weiße Hostie sehen.

»Ach ja, Tarcisius«, murmelte ich nach einiger Überlegung und kehrte an meinen Platz zurück. Mit heißen, strengen Augen hatte mich Ximenes begleitet. Aber er wagte keine Frage.

Die Kerzenstumpen waren bald niedergebrannt. Es wurde tiefe, schwere Nacht, nur daß immer wieder blaue und gelbe Blitze durch das Kirchlein schossen, an den vielen metallischen Zieraten siebenfach funkelten und jählings vor den geblendeten Augen in doppelt schwarzer Finsternis verstummten, wie wilde, grelle, plötzlich abgerissene Schreie. Carlos setzte sich ganz zu hinterst, um das seltene Spiel besser zu beobachten. Er und der Hausdiener Gonzal waren wohl darüber eingeschlafen, als ich in meinem leisen Hindämmern durch ein Streicheln und Anschmiegen an meiner Seite, ähnlich dem einer Katze, aufgeschreckt wurde.

»Frierst du, Ximenes?«fragte ich.

»Ein wenig, ja. Und dazu kann ich gar nicht einschlafen wie die andern... Aber Sie sind auch wach... Sie haben vorhin etwas gemurmelt und mit den Händen so... so gemacht, sehen Sie!... warten Sie, bis es wieder blitzt, ich zeige es Ihnen.«

»Ach du!... Nimm den Zipfel um dich... so!...« Ich umhüllte das magere und leise schaudernde Bürschchen mit der Hälfte meiner gewaltigen Pelerine, so daß wir unter einem Mantel uns gegenseitig warm gaben.

»Das ist fein!« lobte das Herrlein. »Nun aber, wie vertreiben wir die Zeit? Erzählen Sie mir etwas. Sie schreiben ja Geschichtenbücher. Gewiß haben Sie vorhin an etwas herumgedichtet. Oder haben Sie gebetet? Doch nicht! Ich müßte ja lachen... so... mit ausgestreckten Armen!«

Vielleicht hatte ich nur geträumt, vielleicht auch gebetet, ich wußte es selber nicht. Meine Schweizer Heimat, meine Dorfkirche am Abend und alle Heimlichkeiten unseres viel gemütvolleren germanischen Gottesdienstes, besonders der herrlichen Vesper mit den ewiggrünen, in die Gewölbe emporjauchzenden Hirtenpsalmen, war mir durch den Sinn gefahren. Dann aber, beim Lodern der Blitze, sah ich für einen Augenblick die südländischen Figuren vor dem Christkind, das römische Knabenantlitz mit der Hostie, die Barockengelchen am Chorbogen, genau wie umbrische Gassenkinder in pompösem Aufputz, und mir schien, sie vespern und psalmieren in einem Tone mit den vielen Kirchen unserer Schweizer Dörfer mit. Und es klingt von heute und gestern und aus den Zeiten Judas' und aus den göttlichen Tagen der ersten Christen. Und um das besser zu überlegen, stützte ich meine Arme weit auseinander über die Bank, wie dies so meine Unart ist, und vielleicht entschlüpfte mir dabei unbewußt irgendein Psalmvers. Warum sollte ich das nicht dürfen?... Wegen eines Heidenbübchens?...

»Beten ist für mich so etwas Tapferes und Männliches, wie Statuen hauen, Musik erfinden oder Schlachten gewinnen, lieber Ximenes... Ja, beten...«

»Puh, das wird langweilig, lassen wir das! Beten Sie, beten Sie, so viel Sie wollen; aber wenn Sie nicht bei mir sind. Bei mir müssen Sie Geschichten erzählen...« Die leise, deutliche, etwas fremdartig im G und K und Ch klingende Stimme des Jungen befahl immer strenger.

»Was hast du für ein enges Gehirnlein«, spöttelte ich. »Also erzähle ich dir vom großen Bischof Athanasius...«

»St!... St!...« machte der Chilene verächtlich.

»Nicht st... st!... Du wirst unzählige Soldaten hören, fünf Kaiser, den Nil, Flucht in die Wüste, Buchenwälder im Norden, gewaltige Predigten und Psalmen, den alten Erzvater Antonius, Rom...«

»Ist dieser Bischof ein Heiliger?« flüsterte es aus dem Mantel hart heraus.

»Natürlich!«

»Dann will ich es nicht hören«, klirrte der Chilene leise mit den langen, dichtgepreßten Zähnen hervor. »Das riecht nicht gut... so nach Weihwasser... Ich will«, forderte er immer leiser, aber auch immer eigensinniger, »etwas von Banditen oder Bärenjagden hören, oder von Hannibal, von dem Sie uns in Perugia so ein schlaues und freches Stück erzählt haben... Vorwärts! Oder von einem andern General... Sie dürfen auch von einem Schiffskapitän berichten, von Meer, Wind, Piraten... das liebe ich. Tun Sie's doch, bitte.« Wie eine Katze schmiegt er sich an mich, und seine Augen leuchteten gelblich auf im Dunkel.

»Gut«, versetzte ich. »Aber laß mich einen Augenblick nachdenken!«

Ich überlegte die Situation. Das war also eines der unzähligen vornehmen Früchtlein, die am Baume der religiösen Gleichgültigkeit unter der schönen südlichen Sonne reiften. Seltsames Volk! Entweder sind die Kinder der reichen und gebildeten Familien wahre Kirchenengelchen, die man gleich neben einen Tabernakel stellen könnte, oder aber die reinsten lustigsten Heiden. Das macht die italienische Mutter. Betet sie, so tut sie es auch so herrlich, daß das Haus und das letzte jüngste Mäulchen mitbeten muß, ja sogar der ungläubige Gemahl von Zeit zu Zeit in einer Abendstunde die Antworten der lauretanischen Litanei mit einem heimlichen Heimwehschauder nach einem verlorenen Paradies ihr abnimmt. Aber wenn sie nicht betet, da ist es, als sei das ganze Haus und sein Glauben und überweltlich Sinnen vergletschert. Selbst was in den Kindern noch ein bißchen grün und blumig treiben möchte, erstarrt im Nu. Das sind dann jene Knaben, die verwundert oder gar spöttisch den Kopf schütteln, wenn Wörtchen an ihr Ohr pochen, wie Herrgott, Himmel, Engel, Sonntag, Gebet. Und das sind jene kleinen Mädchen, hübsch und knisternd in Seide und Schleifen, mit einem so zierlichen Schnäbelchen, mit einem flink klopfenden Herzen unter dem Brusttuch, woher das Lachen und Weinen noch so natürlich wie ein Bronn hervorsprudelt – ach, so wunderbare Menschenblümchen sind das, auf zarten Stengeln sitzend und mit blitzsaubern Kelchen glühend. Aber riechst du daran, so duften sie nicht. Sie haben keinen himmlischen Odem. Bei so schönen Blumen ist das furchtbar schade.

So ein himmelferner Weltknabe war dieser Ximenes. Ich wußte, daß der Vater an nichts als an den Glanz der Metalle glaubte. Aber war denn die Mutter auch so kalt?...

»Müssen Sie sich so lange besinnen?« stupfte mich hier der zugleich so liebe und so garstige Knabe. »Fangen Sie doch an, es geht schon. Probieren Sie's nur!«

»Sogleich, sogleich«, beschwichtigte ich. Mir, der schon viele Tage keine Kinder gesehen hatte und sie doch vom kleinsten Schnäuferchen bis zum ausgewachsenen stolzen Flegel so innig liebt, mir war der erst noch so feindliche Sinn schon völlig nach diesem Kerlchen so mittäglich umgekehrt. Und wie ich es so warm eingepackt hatte, daß es nicht mehr fror, so schien es mir, müßte ich nun auch seine junge starre Seele ein bißchen zum Tauen bringen. Warum wäre es mir etwa sonst so eigentümlich nahe gekommen, fast buchstäblich in die Arme gefallen? Junggesellen haben oft mütterliche Empfindungen und brauchen sich ihrer wahrlich nicht zu schämen. So ein Gefühl, daß der braune Schlingel da keine Mutter habe, wenigstens diese Nacht keine, die ihn im Bett recht warm und sicher versorge, aber vielleicht seit allen Nächten keine Mutter genoß, die auch seinem inneren, tiefen Menschlein warm machte, so ein Gefühl ergriff mich jetzt immer stärker, und ich war entschlossen, wenigstens diese Stunde, so gut ich konnte, eine solche Mutter zu spielen. Ich schmeichelte mir gar nicht mit einer Bekehrung oder wie man das nennen mag. Aber ein Fünklein konnte ich doch in den Buben werfen, das dann weiter glomm und vielleicht wieder einmal von einer gnädigen Gelegenheit frisch angeblasen wurde. Der Junge hatte Sinn für Großartigkeit und Heldentum. Da war er verletzlich. Da mußte ich ihn treffen. Ich will ihm etwas Starkes erzählen. Ich erzähle gern, tausendmal lieber als ich schreibe, und hoffentlich auch tausendmal besser.

»Jetzt erzählen Sie«, zwängerte Ximenes, »oder ich schreie laut und pfeife und singe bis am Morgen. Geschwind!«

»Nur nicht kommandieren, sonst tu' ich's schon gar nicht!«

»Bitte tun Sie's. Ich bettle ja schon zwanzigmal!«

»Also horch! Doch zuvor sag' mir: was denkst du, wenn du die gemalten Engel und Heiligen und das Christkind hier im Kapellchen siehst? Dein Vater malt sie oft. Glaubst du, daß solche irgendwo leben oder gelebt haben?«

Verdutzt schwieg Ximenes. Dann meinte er: »An das habe ich nie gedacht. Ich weiß nichts von all dem Zeug.«

»Aber die Märchen kennst du, vom Rotkäppchen und Schneewittchen und vom Einhorn, Zwergkönig und einäugigen Riesen. Glaubst du, daß die einmal waren? Daß man ihnen im Walde begegnen könnte?«

Der Bub lachte großhansig. »Solches werden Sie mir doch nicht erzählen. Das sind ja Märchen. Von einem General, hab' ich gesagt, oder von einem Kapitän müssen Sie erzählen. Etwas Wahres! Ich merke flink, ob es erdichtet ist. Dann pfeif' ich aber sogleich... und wie... hören Sie mal...!«

»Halt!« Ich schlug ihm den Plaid übers Gesicht. »Dann red' ich kein Wort mehr mit dir.«

»Das ist doch nur Spaß. Sie sind... ach... Sie sind ein richtiger Tedesco oder Svizzero... Die verstehen keinen Spaß, sagt Papa!«

»Nun also, bei Märchen weiß man, daß sie erfunden sind; aber diese Engel und Heiligen sind nicht erfunden, sonst wären sie schon längst wie die Märchen ins Schlaraffenland und in die Bücher geflohen. Statt dem leben und wirken sie. Man fühlte sie tausendmal. Man sah, hörte, genoß sie. Aber jetzt nichts mehr davon! Ich erzähle dir von einem Kapitänhelden oder von vielen...«

»Meine Schwester wird Ihnen dafür ein Küßlein geben. Sie kann das gut, und sie tut es auch gern. Avanti! Avanti!«


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