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Die falschen Propheten

Man beurteilt den Menschen nach seiner Feder.

Mohammed

Wodurch gelangte Mohammed zu seiner ungeheueren Macht? Äußerlich gesehen nur durch die Erklärung, er sei der Gesandte Gottes. Dies zu behaupten war nicht schwer. Daß einer aber mit seiner Behauptung Glück gehabt und sich durchgesetzt hatte, das beschäftigte jetzt die Phantasie der ganzen arabischen Welt. Und bald, zuerst mit Spott und Mißtrauen aufgenommen, später mit Verwunderung betrachtet, verbreitete sich in den Wüsten, Bergen und fernen Oasen das seltsame Gerücht: Mohammed ist nicht der einzige Prophet Gottes. Es gibt auch andere Mächtige und Besessene, die gleichfalls einen Koran, ein Wort Gottes verkünden. Das Wüstenvolk nahm diese Nachricht interessiert auf. Daß Propheten mächtig werden können, hatte man an dem Beispiel Mohammeds gesehen, man war jetzt gespannt, was der Herrscher von Medina gegen plötzlich auftauchende Konkurrenten unternehmen würde. Einen Kampf der Propheten hatte man in Arabien bisher nicht erlebt.

Drei Menschen versuchten um jene Zeit dem Gesandten Gottes die Macht über die Welt streitig zu machen. Drei Menschen erhoben sich in den Wüsten und gaben sich für Propheten des Allmächtigen aus.

Der bekannteste und gefährlichste unter ihnen hieß ʿAihala ibn Kaʿb, mit dem Beinamen al-Aswad, der Schwarze. Al-Aswad war ein kluger und ehrgeiziger Mann. Eine Zeitlang war er Muslim gewesen, fiel dann vom Propheten ab, wurde Götzendiener und erklärte zuletzt, er selbst sei der Prophet Gottes. Mohammed nannte ʿAihala verächtlich den Wetterhahn.

Al-Aswad war reich. Er besaß in Jemen, wo er zeitweilig das Regiment führte, großen Einfluß. Er selbst war, wie die frommen Muslims sagten, von den Geistern der schwarzen Magie besessen. Er vollbrachte Wunder, beschwor die Geister der Unterwelt, prophezeite schreckenerregende Dinge kurz, er tat alles, was seiner Meinung nach ein Prophet tun mußte, und hatte Erfolg.

Gleich Mohammed suchte al-Aswad Macht. Er verwarf aber nicht, wie der Prophet von Medina, die schwarze Kunst der Magie. Das Machtbereich ›des Schwarzen‹ war Jemen, ›das glückliche Arabien‹, das erst vor kurzem die Oberhoheit Mohammeds anerkannt hatte. Eines Tages erschlug al-Aswad den Statthalter Mohammeds, Ṣaḫr ibn Bāḏān, heiratete dessen Frau Marsbān und zog, Wunder verübend und Taschenkunststücke zeigend, in der Hauptstadt Jemens, in Sanʿāʾ, ein. Gleich Mohammed begann auch er weltliche Macht auszuüben.

Die Gefahr eines Nebenpropheten kam für Mohammed völlig überraschend. Nie hatte er bisher solch eine Möglichkeit auch nur erwogen. Er war mit Staatsgeschäften überladen, rüstete eine Armee gegen Byzanz, fühlte seine Kräfte innerlich bereits abnehmen und sollte sich jetzt mit den verbrecherischen Ansprüchen eines Lügners, Taschenspielers und Magiers befassen.

Mohammed unterschätzte die Gefahr nicht. Wurde der Glaube an die Einmaligkeit seiner Erscheinung erst einmal erschüttert, so war das ganze Gebäude des Staates untergraben. Mit der Einmaligkeit seiner Erscheinung stand und fiel der Islam. Der Nebenbuhler, das Wüstengespenst des schwarzen Zauberers, mußte verschwinden. Der Prophet beschloß rasch zu handeln. Er rief zwei Muslims, die mit der Treue zum Propheten auch eine alte Blutfehde gegen den Nebenpropheten verband. Die Gläubigen hießen Qais und Fārūz. Sie sollten jetzt auf Mohammeds Befehl ihre Blutpflicht erfüllen. Sie begaben sich nach Sanʿāʾ, kamen zu Marsbān, der Frau al-Aswads, und wurden von ihr des Nachts in das Schlafgemach ›des Schwarzen‹ eingelassen. Fārūz stach einen Dolch tief in die Kehle al-Aswads. Der Magier sprang auf und schrie um Hilfe. Da trat seine Frau Marsbān zu der Wache heraus und sagte: »Die göttliche Begeisterung ist über meinen Mann gekommen, stört ihn nicht.« Die göttliche Begeisterung legte sich jedoch sehr bald. Die Mörder schnitten al-Aswad den Kopf ab. Am nächsten Tag war Sanʿāʾ und mit ihm ganz Jemen wieder in den Händen des Propheten. Der gefährliche Spuk war verschwunden.

Nur wenig weiß man von den beiden anderen Nebenbuhlern des Propheten. Die frommen Chronisten, die sonst jedes Wort, jeden Schritt des Propheten der Nachwelt überlieferten, berichten nicht viel von diesen Nebenbuhlern Mohammeds. Auch sind ihre spärlichen Berichte von gläubigem Haß erfüllt.

Der eine Nebenbuhler hieß Ṭulaiḥa ibn Ḫuwailid. Seine Bewegung war eher grotesk als gefährlich. Zufällig, ohne es selbst zu wollen, kam er bei seinen Stammesgenossen in den Ruf, prophetische Gaben zu besitzen. Diesen Umstand beschloß der gewitzte und skrupellose Ṭulaiḥa auszunutzen. Er dichtete einen Koran, erließ groteske Offenbarungen und freute sich der Ehrfurcht, die ihm entgegengebracht wurde. Man erzählt, daß er später, als er die Gefahr erkannte, die ihm infolge seiner Späße drohte, reumütig den Islam anerkannte und sich selbst über seine einstigen Koranverse lustig machte. Diese Verse sind zum Teil bis heute erhalten geblieben. Sie dienen in der Welt des Islam als Quelle des Spottes und der Heiterkeit. Die Verse waren auch in der Tat wenig erbaulich, und die Tatsache, daß sie Anhänger fanden, zeigt, auf welch unsicherem Fundament der Prophet in der ersten Zeit den Islam erbauen mußte.

Noch einen dritten Nebenbuhler besaß Mohammed, und diese dritte Fata Morgana der Wüstengespenster verflüchtete sich bis zum Tode Mohammeds nicht. Es lebte in al-Yamāma, in einer fernen arabischen Provinz, der Stamm der Banū Ḥanīfa. Zu diesem Stamm gehörte Abū Ṯumāma Hārūn ibn Ḥālib, der von den islamischen Chronisten Musailima, der kleine Muslim, genannt wird. Musailima war alt, klug und listig. Die Lorbeeren Mohammeds ließen ihm keine Ruhe. Er erfand, als erster in Arabien, einen sehr einfachen Trick. Er verstand es, ein Ei unzerbrochen in eine Flasche hineinzupraktizieren, und erschütterte mit dieser Fertigkeit das Volk der Banū Ḥanīfa. Ein Mann, der solche Wunder vollbrachte, war für sie unzweifelhaft ein Gesandter Gottes. Mit Hilfe dieses primitiven Wunders sammelte Musailima zahlreiche Anhänger, predigte einen eigenen Koran und heiratete die Prophetin Saǧāḥ, die mit ihm zu rivalisieren versucht hatte. Man weiß nicht viel von seinen Lehren. Offenbar war auch er ein Monotheist, glaubte an Allāh und war außerdem Anhänger der christlichen Askese. Bekannt ist jedenfalls, daß er seinen Anhängern den Geschlechtsverkehr, auch unter Ehepaaren, nur dann gestattete, wenn er zum Zwecke der Kinderzeugung stattfand. Der Hauptbestandteil seines Glaubens scheint aber die Lehre von der Seele gewesen zu sein, die sich dadurch auszeichnete, daß sie der Seele eine bescheidene Wohnung in der Nähe des Unterleibs anwies.

Die Ansprüche Musailimas waren nicht gerade unbescheiden. Er ging von dem Standpunkt aus, daß Gott jedem Volke seinen eigenen Propheten schicke und ihn, Musailima, für al-Yamāma bestimmt habe. Gedanken an eine Rivalität mit Mohammed lagen ihm fern, denn er ließ sich in seinem Koran den vorsichtigen Satz verkünden: ›Wir haben dir, Musailima, eine Menge Volkes gegeben, behalte dieses Volk für dich. Sei aber behutsam und strebe nicht nach zuviel. Lasse dich auch in keinen Wettkampf ein.‹ Im übrigen erklärte sich Musailima bereit, Mohammed anzuerkennen, verlangte aber dafür, daß Mohammed ihn zu seinem Nachfolger ernennen sollte. Das Glaubensbekenntnis des Islam schlug er für diesen Fall vor folgendermaßen zu verändern: ›Mohammed ist der Gesandte Gottes und Musailima sein Nachfolgern Mohammed interessierte sich für diesen merkwürdigen Yamāmi. Man erzählt, daß er sogar ʿAlī beauftragte, Musailima zu besuchen. Nach seinem Besuch in al-Yamāma erklärte ʿAlī, vielleicht, weil er selbst nicht abgeneigt war, das Erbe des Propheten anzutreten: »Ich schwöre bei jedem Sandkörnchen der Wüste Dahnā, daß Musailima ein Betrüger ist.«

Wie dem auch sei, eines Tages schickte Musailima eine feierliche Gesandtschaft in die Stadt des Propheten. Die Gesandtschaft brachte reiche Geschenke und einen Brief an Mohammed. Dieser Brief lautete: ›Von Musailima, dem Gesandten Gottes, an Mohammed, den Gesandten Gottes, einen Gruß. Komm, Genosse, und laß uns die Welt teilen! Die Hälfte soll dein sein und die andere Hälfte mein.‹ Auch die Antwort des Propheten ist erhalten geblieben und lautet: ›Mohammed, der Gesandte Gottes, an Musailima, den Lügner. Friede demjenigen, der die Wahrheit befolgt. Die Welt gehört nur Gott allein.‹

Doch unternahm Mohammed keinen Feldzug gegen den Rivalen. Er hatte um jene Zeit Wichtigeres zu tun. Er rüstete gegen Byzanz. Der Prophet aus al-Yamāma ließ seitdem auch nichts mehr von sich hören.

Als aber das Tagewerk des Propheten beendet war, erhob sich Musailima, der Lügner Gottes, und mit ihm das Volk der Banū Ḥanīfa und viele andere Völker der Wüste. Sie alle bekannten sich zu der Ketzerformel: ›Mohammed ist der Gesandte Gottes und Musailima sein Nachfolger.‹ Als Antwort hierauf kam das Heer der Frommen nach al-Yamāma, schlug die Ketzer und tötete Musailima, den Lügner Gottes. So verschwand die Fata Morgana, das dämonische Wüstengespenst der falschen Propheten, die dem Gesandten Gottes die Weltherrschaft streitig machen wollte.

Alle drei Propheten fesselte die märchenhafte Laufbahn Mohammeds, denn hoch stand sein Stern im Lande Arabien. Alle drei sahen seinen Aufstieg vor sich und waren begierig, ihn nachzuahmen. Ein Mensch erscheint vor dem Volke, spricht gereimte Sätze, erklärt sich für den Gesandten Gottes, sammelt Anhänger, vernichtet den Feind und entwickelt sich in kaum zehn Jahren von einem gehetzten Ausgestoßenen zum Beherrscher Arabiens. Es erschien sehr verlockend, dieses Beispiel nachzuahmen. Deshalb betraten alle drei Propheten den gleichen Weg. Sie waren besser gerüstet als Mohammed. Sie konnten sich seine Erfahrungen zunutze machen, auch waren sie in der schwarzen Kunst, die Mohammed stets verabscheut hatte, dem Propheten bei weitem überlegen. Trotzdem unterlagen sie alle drei. Denn unter zahllosen Wanderern, Magiern, Propheten und Besessenen, die seit Anbeginn der Zeiten den Sand Arabiens durchwanderten, war Mohammed der einzige, der keine Wunder, keine Magie, kein Spiel trieb, der mit dem Wort kam, an das Wort glaubte und den Geist zum Fundament seiner Macht erwählte. Es gab in der Welt nur einen Weg, und diesen Weg konnte niemand gehen außer ihm. Sehr einfach erschien, von außen gesehen, der Weg des Erfolges, und doch war er unnachahmbar, unwiederholbar wie die Verse des Korans, wie der Geist, den Mohammed zum Siege führte. Niemand konnte den Weg wiederholen, und niemand erkannte, wohin der steile Pfad des Islam die Völker führen sollte.


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