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Ein Schmachfrieden und seine Folgen

Ich gab Euch heute einen großen Sieg.

Koran, Sure 5

Viele Jahre waren vergangen, seitdem Mohammed dem Volke von Mekka zum erstenmal die Geburt einer neuen Welt verkündete. Eine geraume Zeit war verstrichen, seitdem er den Weg des Islam betrat. Auf diesem Wege erlebte er Verbannung und Verfolgung, Mißtrauen und Schande. Er wurde gehetzt und vertrieben, mißhandelt und verleumdet. Jetzt erklomm er auf dem steilen Weg der Tat den Gipfelpunkt der Macht.

Sünde und Mord, Raub und List lagen auf dem Wege zur Macht. Jetzt blieben sie augenscheinlich hinter dem Propheten. Er hatte sie überwunden. Unumschränkt herrschte er über das reiche Medina. Die Sippen der Wüsten fürchteten ihn, ein Netz von Getreuen spann sich über das Land. Und doch war die Tat noch nicht vollbracht, noch war der Islam nicht der absolute Herrscher der Wüstenwelt. Etwas versperrte den Weg des Propheten. Wenn er in den Kampf ritt und über Stämme siegte, so bekehrte sich das Volk der Wüste zum neuen Glauben. Wenn aber das Heer des Propheten in die Heimat zog, so entsannen sich die Sippen ihrer alten Götter und zogen zum Pilgerfest nach Mekka, um dort zu dem goldgeschmückten Hubal, zu den großen Jungfrauen al-Lāt, al-ʿUzzāʾ Manāt und zu allen dreihundertsechzig Göttern der Wüste zu beten.

Viele Getreue hatte der Prophet, dort aber, wo seine Hand nicht hinreichte, gehorchten ihm nur diejenigen, die an ihn glaubten, und diejenigen, die in Feldzügen Beute und Ruhm zu erjagen hofften. Die Zahl der Leute aber, die nur um des reinen Glaubens willen sich einer Idee hingaben, war auch in den Wüsten Arabiens nicht zahlreicher als an anderen Orten der Erde. Nur wenige konnten sich entschließen, die jahrtausendealten Sippengesetze abzuwerfen, um ihre Heimat und Habe eines nur zweifelhaften Glücks wegen zu verlassen. Das taten fast nur die Entwurzelten, die Ausgestoßenen, die beruflichen Abenteurer und Söldner, diejenigen, die nichts mehr zu verlieren hatten. Das Herz des Volkes blieb Mohammed immer noch verschlossen. Selbst in Medina, wo sein Wort und sein Schwert regierten, sah der Prophet die kühlen, listigen Blicke der Munāfiqūn. Er wußte, daß nicht das Wort, sondern das Schwert die Menschen zum Gehorsam zwang. Die Welt des neuen Glaubens sollte aber nicht nur mit der Macht des Schwertes errichtet werden.

Etwas lag zwischen dem Herzen des Volkes und dem Wort des Propheten. Dieses Etwas war Mekka. Besiegt, geschlagen, gedemütigt war Mekka, und doch blieb es die Königin der Wüste, die glänzendste unter den Städten. Immer wieder strömten die Sippen der Wüste nach Mekka, immer noch herrschten am heiligen Platz der Kaʿba die uralten Götter, immer noch blühten die Geschäfte der Kaufleute. Jetzt eigentlich mehr denn je. Immer noch schlug das Herz der Wüste für die heilige Stadt der Kaʿba.

Was war Mohammed für Mekka? Ein Despot, der auf listige und verräterische Art sich in der fernen Provinz Medina die Macht angeeignet hatte. Durch listige Feigheit war es ihm bis jetzt gelungen, den mekkanischen Strafexpeditionen zu trotzen und durch brutalen Terror der Stadt seine Irrlehren aufzuzwingen. Folglich ließ man ihn ruhig in seiner Wüstenoase sitzen und kümmerte sich nicht mehr um ihn als um andere lokale Machthaber, die durch Zufall zur Macht gelangt waren. Unangenehm bemerkbar machte sich dieser feige Herrscher nur durch seine ständigen Feldzüge, die das Land in Unruhe versetzten, den Handel schädigten und die Karawanen gefährdeten. Man mußte eben doppelt vorsichtig sein und den Preis für die Ware um einen Risikozuschlag erhöhen. Das war die Meinung Mekkas über den Herrscher von Medina.

Die Meinung der Beduinen, die Meinung des einfachen Wüstenvolkes war aber noch wesentlich geringschätziger. Für sie haftete an Mohammed ein schwerer und in ihren Augen unauslöschlicher Makel. Er war ein Ausgestoßener, ein Mensch, von dem sich die eigene Stadt, die eigene Sippe, die eigene Familie abgewandt hatte. Und diese Stadt war keine unbedeutende Wüstensiedlung, diese Sippe keine einfache, unbekannte Wüstensippe, sondern es war die Stadt Mekka, die Königin der Städte, und die Sippe Quraiš, die edelste Sippe Arabiens. Die Heimat hatte den Propheten verstoßen und ausgespien – folglich, dachten die Beduinen, mußte etwas Verwerfliches, etwas Abstoßendes an seiner Lehre, an seiner Person sein. Denn die Ehrfurcht vor der großen heiligen Stadt der Kaʿba war vielleicht das einzige geistige Gut, das unauslöschlich in der Seele des Beduinen ruhte. Seit Jahrhunderten bestand bei dem Beduinen der Brauch, in die Kaʿba zu pilgern, seit unzähligen Generationen war für ihn Mekka der Mittelpunkt der Welt. Er war gewohnt, das zu tun, was Mekka tat, und das zu verdammen, was Mekka verdammte. Jetzt kam ein Mann, den Mekka bekämpfte, und dieser Mann warb um die Herzen der Beduinen. Der Beduine betrachtete diesen Mann voll Mißtrauen.

Der Schlüssel zum Herzen des Beduinen, zu seinem natürlichen, primitiven Gehorsam war Mekka, und Mekka wollte von dem Propheten nichts wissen. Zwischen Mekka und Mohammed herrschte ein latenter Krieg. Beide verdammten einander, beide hatten verschiedene Götter, konträre Ziele, und der Haß zwischen beiden war groß. In den Augen der Beduinen war aber Mekka moralisch im Recht, denn es bekämpfte einen Abtrünnigen, der sich gegen sein eigenes Fleisch und Blut erhoben hatte.

Es war im Monat Ḏūlqaʿda im Jahre 7 der Hiǧra, als Mohammed einen schwerwiegenden und genialen Entschluß faßte. Es war dies einer jener genialen Einfälle, die plötzlich entstehen und die Welt radikaler verändern als blutige Feldzüge. Mohammed beschloß jetzt, das Rad seiner Laufbahn gewaltig vorwärts zu drehen.

Die verspottete, bekämpfte Stadt Mekka, die den Schlüssel zum Herzen der Welt besaß, sollte plötzlich zum Mittelpunkt der islamischen Welt werden. Mekka und die Kaʿba, die die Herzen der Beduinen magnetartig anzogen, erhob Mohammed plötzlich zum Zentrum seines bisher antimekkanischen Glaubens. Denn nur wenn Mekka und Islam ineinander verschmolzen, wenn sie eins geworden waren im Bewußtsein der Völker, war der Sieg des Islam über Arabien sicher.

Der Weg, den Mohammed wählte, zeugte von großem staatsmännischem Weitblick, von einer rein diplomatischen Fähigkeit, die in gleichem Maße niemand außer ihm in der Wüste besaß. Mohammed sammelte kein Heer, um Mekka zu bezwingen. Er überfiel keine Karawanen, um den Handel zu schädigen, er bekriegte die Stadt der Kaʿba nicht mehr. Er erklärte einfach, daß die Kaʿba, daß der schwarze Stein und der Hof um ihn die heiligste Stätte der Welt sei und daß alle traditionellen Festlichkeiten und Ehrungen in der Kaʿba seit Jahrtausenden dem Wunsch Allāhs entsprachen. Die Pilgerzüge, die Prozessionen, die Umkreisung der Kaʿba wurden plötzlich vom Propheten gebilligt und zum heiligen Bestandteil des Islam erhoben. Alles, was der Beduine an Mekka gewohnt war, sollte beim alten bleiben, selbst der Jahrmarkt, nur sollte an die Stelle der dreihundertsechzig Götter die allumfassende Gestalt Allāhs allein treten. Die alten Zeremonien gingen plötzlich auf Abraham, den ersten Propheten, zurück und waren nur durch den Götzenkult der Quraiš verunreinigt. Demzufolge verspürte jetzt Mohammed den unbändigen Drang, seinen Gott an der heiligsten Stelle des Landes zu preisen. Zu Beginn des Pilgermonats im Jahre 628 rief er seine Getreuen und erklärte ihnen seinen Entschluß, gemeinsam mit ihnen an der nächsten Pilgerfahrt nach Mekka und an allen Zeremonien der Kaʿba teilzunehmen.

Und in der Tat, zu Beginn der heiligen Monate zog Mohammed, begleitet von fünfzehnhundert frommen Büßern, die die in Mekka vorgeschriebene Pilgerkleidung trugen, zur heiligen Stadt. Die Gläubigen waren fast unbewaffnet und führten die für den Opferaltar bestimmten Tiere mit sich. Das war ein meisterhafter Schachzug. Der Ketzer, der die heiligen Monate verletzt hatte, der jahrelang die heiligste der Städte bekämpft hatte, zog jetzt als reumütiger Büßer zu den Toren der stolzen Stadt, die ihn einst verstoßen hatte.

Das war eine großartige Demonstration. Jedermann konnte jetzt deutlich sehen, daß der angebliche Ketzer Mohammed in Wirklichkeit ein frommer Verehrer der heiligen Stadt Mekka war. Eine geschicktere Kundgebung konnte sich kein Politiker, kein Demagoge der Weltgeschichte ausdenken. In frommen Büßergewändern zog jetzt der Herrscher von Medina durch die Wüste. Nur die frömmsten, nur die fanatischsten unter seinen Anhängern folgten ihm. Die Abenteurer, die kriegslustigen Räuber blieben in Medina, ein frommer Feldzug, der keinerlei Beute versprach, hatte für sie kein wesentliches Interesse.

Die Fünfzehnhundert aber, die Mohammed begleiteten, waren die gesiebtesten Frommen der Gemeinde des Islam. Wenn Mohammed sich schon entschloß, als Büßer durch die Front der erstaunten Stämme zu ziehen, so sollte seine Heiligkeit wenigstens vor aller Augen dokumentiert werden. Er war der Abgott seiner Anhänger. Das Wasser, in dem er sich wusch, wurde für sie heilig, ein Haar, das er verlor, ein Nagel, den er abschnitt, wurden gesammelt und als Heiligtümer aufbewahrt. Sein Speichel, sein Bart, seine Kleider waren Gegenstände lebhafter Verehrung. Auf die Beduinen der Wüste, ja sogar auf die Mekkaner, die es am Ende des letzten Feldzuges gesehen hatten, machte eine derartige Behandlung gewaltigen Eindruck. »Ich habe den Schahinschah des Iran und den Kaiser von Konstantinopel von ihren Hofleuten umgeben gesehen«, erzählte ein Quraiš, »aber noch nie habe ich einen Herrscher gesehen, der von seinen Untertanen so verehrt worden wäre wie Mohammed von seinen Anhängern.«

Die Umwälzung, die die Pilgerfahrt des Ketzers bedeutete, war so ungeheuer, daß zuerst weder die Wüste noch Mekka ernstlich daran glauben wollten. Die ersten Nachrichten von dem Wallfahrtszug lösten in Mekka gewaltige Aufregung aus. Man erzählte sich, daß der falsche Prophet mit einem ungeheuren Heer nach Mekka unterwegs sei und daß er beabsichtige, durch einen gewaltigen Kampf Mekka, die Pilgerfahrt und den Jahrmarkt zu bedrohen. Sofort rüstete man in Mekka ein Heer, und Ḫālid ibn al-Walīd zog an der Spitze der Truppen in die Wüste, um dem Propheten entgegenzutreten. Groß war sein Erstaunen, als er an Stelle eines Heeres eine Schar frommer Pilger erblickte, die demütig um den Zutritt zum Heiligtum baten. Sofort wurde diese Nachricht nach Mekka berichtet. Die Augen der Kaufleute füllten sich mit Freude und Stolz. Mohammed klopfte reumütig an die Tore Mekkas. Mohammed berief sich auf die Heiligkeit der Kaʿba, Mohammed hörte also auf, Rebell zu sein, und beschritt demütig den Weg der Legalität.

Man beschloß, den offenbar Reumütigen mit gehöriger Verachtung zu strafen. Man verwehrte ihm, dem Unbewaffneten, den Zutritt in das Gebiet der heiligen Stadt. Und, o Wunder, der Rebell und Ketzer gehorchte. Gegen den Willen all seiner Begleiter blieb er in der Oase Ḥudaibiya, die zur Hälfte innerhalb, zur anderen Hälfte außerhalb des heiligen Gebietes lag. Er schickte lediglich seinen Schwiegersohn ʿUṭmān nach Mekka mit der Bitte, einen Vertreter für Friedensverhandlungen zu entsenden. Auch jetzt ließen die Quraiš ihren so klein gewordenen Feind eine ganze Weile warten. Erst nach Ablauf einer qualvollen Zeit sandte man den Quraiš Suhail ibn ʿAmr in sein Lager.

Suhail war als gerissener Diplomat und raffinierter Politiker bekannt. Er verstand es, die Situation zu überblicken. Mohammed lag unbewaffnet vor den Toren Mekkas, er bat um Zutritt zum Heiligtum und war also, praktisch gesprochen, den Quraiš ausgeliefert. Man konnte ihm Bedingungen diktieren, man konnte ihn schwer demütigen, und Suhail beschloß, diese einzigartige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Er begann Forderungen zu stellen. Lange und schonungslos verhandelte er mit dem Gesandten Gottes, und als man einig geworden war, rief Mohammed den frommen ʿAlī und begann ihm den Friedenspakt zu diktieren. Jetzt ereignete sich eine einzigartige diplomatische Szene: »Schreib«, sagte Mohammed, »im Namen Gottes des Gnädigen und Barmherzigen.« – »Halt«, unterbrach ihn Suhail »diese Formel kenne ich nicht, schreib einfach: In deinem Namen Gott.« – »Beginne, wie Suhail befiehlt«, sagte Mohammed demütig. Als ʿAlī geendet hatte, diktierte Mohammed: »Das ist der Friedensschluß Mohammeds, des Gesandten Gottes, mit Suhail ibn ʿAmr, dem Gesandten der Stadt Mekka.« Und wieder unterbrach ihn Suhail: »Für mich bist du kein Gesandter Gottes, sonst würde ich dich ja nicht bekämpfen, schreib einfach deinen Namen.« Und auch hier willigte Mohammed ein. Die Gläubigen aber blickten ihn bestürzt an, denn sie waren an solches nicht gewöhnt.

So kam ein Vertrag zustande, den Suhail als ein Meisterstück seiner Diplomatie betrachtete. Der Vertrag lautete: ›Dies sind die Bedingungen, unter denen Mohammed, der Sohn ʿAbdallāhs, mit Suhail, dem Sohn ʿAmrs, dem Vertreter der Quraiš, Frieden schließt. Zehn Jahre lang soll zwischen den beiden kein Krieg geführt werden. Während dieser Zeit sollen die Angehörigen beider Parteien voreinander sicher sein. Sie dürfen nicht gegeneinander kämpfen. Wenn jemand von den Quraiš zu Mohammed überläuft, so ist Mohammed verpflichtet, ihn den Quraiš auszuliefern. Wenn aber umgekehrt ein Anhänger Mohammeds zu den Quraiš überläuft, so sind diese nicht verpflichtet, ihn auszuliefern. Es soll aber zwischen beiden ein aufrichtiges Einverständnis bestehen, das Raub und Diebstahl ausschließt. Den Stämmen des Landes soll es auch frei überlassen sein, mit Mohammed oder mit den Quraiš ein Bündnis zu schließen. Dieses Jahr darf Mohammed weder das heilige Gebiet noch die heilige Stadt Mekka betreten. Im nächsten Jahr darf Mohammed mit den Seinen unbewaffnet nach Mekka kommen, um dort in Abwesenheit der Quraiš sein Gebet zu verrichten.‹

Suhail ibn ʿAmr hatte Grund, sich seines diplomatischen Erfolges zu rühmen. Es war ein glatter, unleugbarer Sieg der Mekkaner. Der Prophet nannte sich nicht mehr Prophet, er lieferte die Flüchtlinge aus, die bei ihm Schutz suchten, er verpflichtete sich, die Karawanen der Quraiš unbehindert ihres Wegs ziehen zu lassen, er begab sich sogar jetzt, nach seinem offensichtlichen Mißerfolg, nach Medina zurück. Er war nur noch ein gewöhnlicher Sippenführer, der alljährlich auf einige Zeit nach Mekka kommen durfte, was den Jahrmarkt nur noch mehr beleben würde. Mehr konnte Mekka nicht verlangen. Der Prophet war also augenscheinlich gebändigt.

Auch die frommen Begleiter des Propheten empfanden den Vertrag als eine absolute, demütigende Niederlage, und da diese Niederlage äußerlich durch nichts erzwungen worden war, begannen sie an dem Propheten irre zu werden. Sein Benehmen stand im diametralen Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten und war all seinen Anhängern völlig unverständlich.

Die Muslims versammelten sich in kleinen Gruppen, diskutierten heftig, schüttelten die Köpfe und blickten mißbilligend auf auf den Propheten. Zum erstenmal in der langen Geschichte des Islam war ihr Glaube an den Meister gefährlich erschüttert. ʿUmar, der nicht gewöhnt war, seine Gedanken zu verbergen, brachte als erster die Empörung aller offen zum Ausdruck. Er trat vor den Propheten hin und sagte: »Bist du nicht der Gesandte Gottes?« – »Gewiß«, antwortete der Prophet. »Sind wir nicht Gläubige?« fragte ʿUmar weiter. »Sicherlich«, war die Antwort. »Sind die Quraiš Götzendiener?« – »Unzweifelhaft.« – »Warum sollen wir dann von ihnen erniedrigt werden?« rief ʿUmar, und sein Gesicht verfinsterte sich, denn er war nahe daran, den Propheten zu verlassen. Mohammed blickte ruhig in das zornige Gesicht seines Freundes und sprach: »Ich bin der Gesandte Gottes und erfülle die Befehle des Allmächtigen, ebenso wie du meine Befehle erfüllen sollst.« Und so groß war die magische Kraft, die der Prophet besaß, daß ʿUmar sich fügte. Später als Kalif und Herrscher der islamischen Welt pflegte ʿUmar zu sagen: »Ich höre nicht auf, Almosen zu geben, zu fasten, zu beten und Sklaven zu befreien. Denn ich bereue die Worte, die ich damals in meinem Zorn dem Propheten gesagt habe.«

Jetzt befahl aber der Gesandte Gottes, an der Grenze des heiligen Gebietes die Opfertiere zu schlachten, schor sich das Haar und führte die Zeremonien der Pilgerfahrt aus. Dann gab er den Befehl zur Rückkehr. Knapp vor der Abreise erschien im Lager ein Mekkaner namens Abū Ǧandāl, bekannte sich zum Islam und bat um Gastfreundschaft und Schutz. Trotz aller Gesetze der Ehre und Gastfreundschaft lieferte ihn der Prophet, getreu dem neugeschlossenen Vertrag, den Folterungen der Quraiš aus. Das war eine harte Probe für die Treue der Muslims.

Als aber die Kamele beladen waren und die Krieger sich zum Rückzug bereitet hatten, versammelte der Prophet die Muslims und sagte: »Wir haben heute den größten Sieg erfochten, den uns Gott je geschenkt hat.«

Trotz dieser Worte konnten die Muslims dem Propheten den Vertrag mit Mekka und sein demütiges Verhalten nicht verzeihen. Wieder stand er allein. Mürrisch blickten ihn die Muslims an, endlos und kahl erstreckte sich die Wüste, und in ihr lag die Stadt Mekka, die jetzt die Demütigung des Propheten schadenfroh feierte. Damals war Mohammed der einzige, der erkannte, daß dieser Friede bei Ḥudaibiya ein großer, ein gewaltiger Sieg des Islam war. Bei Ḥudaibiya erschloß sich Mohammed das Herz des Volkes. Trotz aller Demütigungen enthielt der Vertrag eins: er erkannte Mohammed als gleichberechtigten Vertragspartner der Quraiš an. – Jetzt war der Prophet kein Ausgestoßener mehr, er hatte mit der Stadt seiner Heimat Frieden geschlossen. Man konnte von ihm nicht mehr wie von einem verstoßenen Sohn der Königin aller Städte sprechen. Im Gegenteil, er hatte offen seine glühende Liebe zur heiligen Kaʿba dokumentiert. Er hatte schwere Opfer auf sich genommen, um den heiligen schwarzen Stein wieder berühren zu dürfen. Der Friede zu Ḥudaibiya, die Anerkennung Mohammeds als Freund der Stadt Mekka, das aufrichtige Einverständnis, das schwarz auf weiß in dem Vertrag stand, löschte den Makel aus, der dem Propheten anhaftete. Er durfte Mekka wieder betreten, er durfte wie alle im Hofe der Kaʿba die Andacht verrichten und war offensichtlich kein Rebell mehr.

Es erforderte viel Mut, viel kühne Entschlossenheit, um, die Vergangenheit umstoßend und zur Enttäuschung aller guten, jahrzehntelangen Mitkämpfer und Freunde, den Frieden von Ḥudaibiya zu unterzeichnen. Mohammed brachte den Mut auf. Er spielte va banque, denn, wie später ʿUmar sagte: »Nur ein Wunder hinderte die Muslims daran, sich am Tage von Ḥudaibiya für immer von dem Propheten zu trennen.«

Doch wußte Mohammed als einziger, daß der Einsatz dieses Spiels die Herrschaft über Arabien war. Daß es um nichts Geringeres ging als um das Volk der Wüste, das nur ein Heiligtum kannte – den schwarzen Stein der Kaʿba. Mohammed riskierte und gewann. Bei Ḥudaibiya fand er den Weg zum Herzen des Volkes.

Das wußten und ahnten weder die Gläubigen noch die Edeln aus dem Volke Quraiš, die jetzt den großen Sieg, die Bändigung des Propheten feierten. Sie sollten es bald erfahren.


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