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Dämonen um den Propheten

Erlöse mich von der Gefahr der Zauberer, die Knoten knüpfen und darauf hauchen.

Koran, Sure 113

In den Sandhügeln der Wüste, in den feuchten Höhlen der arabischen Felsen, dort, wo immer noch wie vor Jahrtausenden Öde und Einsamkeit herrschten, lebten in Dunkelheit, in höllischer Finsternis die Feinde des Propheten. Mohammed wußte von diesen Feinden, er wußte auch, daß sie besonders zahlreich waren. Er nannte sie Dämonen. Was ist ein Dämon? Niemand kann einen Dämon von einem Sterblichen unterscheiden. Ein Mensch geht durch die Straße, unauffällig und schleichend. Er blickt freundlich um sich und ist trotzdem ein Dämon. Denn plötzlich versteinern sich seine Augen, er wirft einen raschen Blick auf einen Menschen, so schnell, daß es niemand merkt. Der Mensch aber ist dann für immer siech, denn der Blick des Dämonen ist böse und giftig.

Auf steilen Bergen, in finsteren Höhlen sitzen greise, weißhaarige Juden. Diese Juden sind klug und listig, sie befehlen über das Reich der Dämonen. Der Prophet Gottes wußte das ganz genau. Aus den Zeiten des weisen Salomo, der über die Dämonen herrschte, behielten die Juden ihre dunkle Herrschaft über die Mächte der Finsternis. Jahrtausendealt ist diese Kunst der Juden. Sie heißt Kabbala. Vor dieser dunklen und schrecklichen Macht fürchtete sich jetzt der Prophet. Denn er wußte, daß auf den Gipfeln der wilden Berge und in der feuchten Finsternis der Schluchten großer Haß gegen ihn lebte. Schon früher hatte er die Macht der Kabbala gespürt. Die Kabbala schuf jenen jüdischen Knaben, der in Medina in Zuckungen verfiel und die Gedanken des Propheten erriet. Hin und wieder kamen auch fremde Frauen, und tödliche Qual befiel dann den Propheten, denn Gift lag in ihren Augen, und Gift entströmte ihren Händen. Und doch liebte der Prophet die Reize der schlanken, jüdischen Frauen.

Jetzt aber, wo der Haß der Weisen und Bösen groß war, erwartete Mohammed einen mächtigen Zauber und wußte nicht, wie er sich davor schützen sollte. Der große Zauber kam und erschütterte den Propheten.

Wie näherte sich dieser Zauber dem Propheten? Mit großer Furcht und voll Schrecken berichten davon die arabischen Erzähler. Es lebte in den Bergen Arabiens ein alter Jude, der der Duzfreund des Bösen war. Auch die Tochter des Juden war mit dem Bösen eng befreundet, vielleicht sogar noch inniger als ihr Vater. Denn beide, Vater und Tochter, waren in der Kunst des Zauberns bewandert und wußten, wie man den Dämonen der Berge, der Lüfte und der Wüste Befehle erteilt. Die beiden haßten den Propheten, der unzählige ihrer Stammesbrüder in den Tod geschickt hatte. Gegen ihn richtete sich jetzt ihr mächtiger Zauber.

Nach allen Regeln der Schwarzkunst gingen sie ans Werk. Sie nahmen, wie es die Regeln der Kabbala vorschreiben, ein kleines Stückchen Wachs und kneteten daraus die Figur des Gesandten Gottes. Dann umwickelten sie die Figur mit Haar und durchstachen sie an elf Stellen mit elf dünnen Nadeln. Dann aber, um den Zauber zu vollenden, nahmen sie eine Bogensehne, knüpften elf Zauberknoten hinein, hauchten auf jeden Knoten, sagten die notwendigen Zaubersprüche her, wickelten zuletzt die Sehne um die Wachsfigur und warfen das Ganze in einen tiefen Brunnen.

Das war eine mächtige Zauberei, die mächtigste von allen. Kaum war sie vollbracht, da brach schon das Unglück über Mohammed herein. Denn er war vom Zauber umgeben, wie seine Wachsfigur von der Sehne. Ein Fluch befiel Mohammed, und der Fluch befiel die größte Lust seines Lebens. Viele Frauen besaß der Prophet, denn Gott hatte ihm die Kraft von dreißig Männern gegeben. Jetzt traf ihn der Zauber und lähmte seine Kraft.

Reglos weilte Mohammed am Lager seiner Frauen, blickte mit traurigen Augen um sich und sah, wie sich Verwunderung, Lust und Ärger in ihren Augen spiegelten. Er war aber kraftlos und von der Zaubersehne des Juden gefesselt. Tage und Nächte vergingen. Blaß wurde das Gesicht des Propheten, seine Wangen fielen ein, und seine Augen wurden groß und traurig. Die Manneskraft war einst der Stolz des Gesandten Gottes. Jetzt aber lag er in der Hütte und wanderte kraftlos von einer Frau zur andern. Um die Hütten herum standen die Getreuen, schüttelten die Köpfe und fragten sich, welche Sünde der Gesandte Gottes begangen habe, daß ihn der Allmächtige so hart bestrafe. Und wieder verstrichen Tage und Nächte. Qual lag in der Seele des Propheten. Verachtung las er in den Augen der Frauen. Wieder irrte er durch den Hof der Moschee, betete zu Allāh, blickte finster um sich und fand keinen Ausweg.

Da erbarmte sich Gott seines Gesandten und erleuchtete seinen Sinn. Plötzlich erkannte Mohammed, daß nicht Gottes Fluch, sondern ein böser Zauber ihn befallen habe. Diesen Zauber verstand er jetzt rasch zu brechen. Er rief den frommen ʿAlī und entsandte ihn zum Zauberbrunnen. ʿAlī brachte ihm die verhexte Figur mit der Zaubersehne. Und da Mohammed ein Prophet war und Gott seinen Geist erhellt hatte, wußte er, wie man die geheimnisvolle Kraft der Dämonen brechen und den Zauber lösen konnte.

Er nahm die Wachsfigur, zählte die elf Knoten und Stiche und sprach die beiden letzten Suren des Korans, die aus elf Versen bestehen. Bei jedem Vers löste sich ein Knoten und heilte ein Nadelstich. Mit jedem Vers nahm die Kraft des Propheten zu. Als er die Verse aber beendet hatte, erhob er sich von seinem Lager. Große Kraft war in seinen Gliedern. Und wieder ging er in die Hütten der Frauen. Und als er eintrat, weiteten sich die Augen der Frauen, denn groß, kräftig und voll Lebenslust kam zu ihnen der Prophet.

Der Jude in den Bergen wußte jetzt, daß alle Macht der Dämonen Staub war gegen die Macht des Herrn. Mohammed aber sang das Lob des Allmächtigen und verkündete: »Wenn alle Bäume, die auf der Erde wachsen, sich in Federn verwandeln und alle Meere zu Tinte werden, wenn alle Leute, die auf Erden leben, zu schreiben beginnen, und wenn sie hunderttausend Jahre schreiben – zum Ruhme des Allmächtigen –, so wird auch dann alles Geschriebene nur ein Tropfen im Meer, ein Sandkorn in der Wüste sein« (31,26).

So vernichtete der Gesandte Gottes die Macht der Dämonen, die Macht der alten, bösen Weisen, die in den feuchten Schluchten und auf den Gipfeln der arabischen Berge über die Schar der bösen Geister gebieten. So vernichtete er die Kraft der mächtigen Kabbala, die einst Salomo, der Freund aller Geister der Lüfte, Berge und Wüsten, lehrte. Vielmals schickten die Zauberer auch späterhin böse Blicke und giftige Zaubersprüche gegen den Propheten, nichts konnte aber über den Gesandten Gottes Macht gewinnen.

So rettete der Gesandte Gottes die gottgegebene Kraft, so zeigte er dem Volke von Medina die Macht Gottes und bewies seine Liebe zu den Frauen, die in ihren kleinen Hütten die Freude des Propheten waren.


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