Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Die Seitenwunde

        Über ihre Tore statt der Muse
Meisseln die Baglioni die Meduse,
Und an ihren grausen Hochzeitsfesten
Kämpft der Bräutigam mit seinen Gästen.

Heute liegen wieder sie wie Garben:
Blutsgenossen, die, sich würgend, starben!
Wo des Bruderhasses Fackel brannte,
Sucht das Kind und findets Atalante.

Niederstarrend, auf das Knie gesunken,
Hebt des Sohnes Haupt sie jammertrunken,
Drüber hebt sie die geballte Rechte,
Dass sie fluche diesem Mordgeschlechte ...

Ihres Knaben Haupt, ein blondes ist es,
Wie das dorngekrönte Haupt des Christes!
Wie des Christes Haupt ists ein erbleichtes,
Auf die Schulter friedevoll geneigtes!

Ihrem Knaben steht die Seite offen
Wo der Speer Longins den Herrn getroffen ...
Hass und Fluch erlischt auf ihrem Munde
Sie verehrt die heilge Seitenwunde ...

 


 


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