Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Lutherlied

        Ein Knabe wandert über Land
In einem schlichten Volksgewand,
Gewölke quillt am Himmel auf,
Er blickt empor, er eilt den Lauf,
Stracks fährt ein Blitz mit jähem Licht
Und raucht an seiner Ferse dicht –
So ward getauft an jenem Tag
Des Bergmanns Sohn vom Wetterschlag.

Schmal ist der Klosterzelle Raum,
Drin lebt ein Jüngling dumpfen Traum,
Er fleissigt sich der Möncherei,
Dass er durch Werke selig sei.
Ein Vöglein blickt zu ihm ins Grab,
»Luthere«, singts, »wirf ab, wirf ab,
Ich flattre durch die lichte Welt,
Derweil mich Gottes Gnade hält.«

In Augsburg wars, dass der Legat
Ein Mönchlein auf die Stube bat,
Er war ein grundgelehrtes Haus,
Doch kannt er nicht die Geister aus.
Des Mönchleins Augen brannten tief,
Dass er: »Es ist der Dämon!« rief –
Du bebst vor diesem scharfen Strahl?
So blickt die Wahrheit, Kardinal!

Jetzt tritt am Wittenberger Tor
Ein Mönch aus allem Volk hervor:
Die Flamme steigt auf seinen Wink,
Die Bulle schmeisst hinein er flink,
Wie Paulus schlenkert' in den Brand
Den Wurm, der ihm den Arm umwand,
Und über Deutschland einen Schein
Wie Nordlicht wirft das Feuerlein.

In Worms sprach Martin Luther frank
Zum Kaiser und zur Fürstenbank:
»Such, Menschenherz, wo du dich labst!
Das lehrt dich nicht Konzil noch Papst!
Die Quelle strömt an tiefrem Ort:
Der lautre Born, das reine Wort
Stillt unsrer Seelen Heilsbegier –
Hier steh ich und Gott helfe mir!«

Herr Kaiser Karl, du warst zu fein,
Den Luther fandest du gemein –
Gemein wie Lieb und Zorn und Pflicht.
Wie unsrer Kinder Angesicht,
Wie Hof und Heim, wie Salz und Brot,
Wie die Geburt und wie der Tod –
Er atmet tief in unsrer Brust.
Und du begrubst dich in Sankt Just.

»Ein feste Burg« – im Lande steht,
Drin wacht der Luther früh und spät,
Bis redlich er und Spruch um Spruch
Verdeutscht das liebe Bibelbuch.
Herr Doktor, sprecht! Wo nahmt Ihr her
Das deutsche Wort so voll und schwer?
»Das schöpft ich von des Volkes Mund,
Das schlürft ich aus dem Herzensgrund.«

Herr Luther, gut ist Eure Lehr,
Ein frischer Quell, ein starker Speer:
Der Glaube, der den Zweifel bricht,
Der ewgen Dinge Zuversicht,
Des Heuchelwerkes Nichtigkeit!
Ein blankes Schwert im offnen Streit! –
Ihr bleibt getreu trotz Not und Bann
Und jeder Zoll ein deutscher Mann.

In Freudepulsen hüpft das Herz,
In Jubelschlägen dröhnt das Erz,
Kein Tal zu fern, kein Dorf zu klein,
Es fällt mit seinen Glocken ein –
»Ein feste Burg« – singt jung und alt
Der Kaiser mit der Volksgewalt:
»Ein feste Burg ist unser Gott,
Dran wird der Feind zu Schand und Spott!«

 


 


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