Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Die Gaukler

        Am Strande des Gelobten Lands
Im glühen Stich des Sonnenbrands
Kämpft Ludowig der Fromme;
Er trägt in sich des Todes Keim,
Ihm ahnt es, dass er nimmer heim
Ins schöne Frankreich komme.

Scheu lauscht in Zeltes Dämmerschein
Ein junger Edelknecht herein
Und hinter ihm die andern:
»Herr König, es sind Gaukler da,
Drei Brüder aus Armenia,
Die nach dem Grabe wandern.

Es heisst, sie spielen wunderschön!
Erlaubt ein frisches Horngetön
Uns allen anzuhören!«
Der König seufzt: »Betrug der Welt!
Bringt mir die Gaukler in das Zelt,
Dass sie euch nicht betören!«

Jetzt heben an den Mund die drei
Das Horn und spielen frank und frei,
Als ging es aus zum Jagen.
Dann wie ein Quell im Walde quillt,
So rieselt sanft und wächst und schwillt
Ein Jubeln und ein Klagen.

Gemach vertönt der Hörner Schall,
Laut ruft Renaud von Reineval:
»Du Herzenstrost der Minne!
Lucinden, die sich um mich kränkt,
In Treuen ihres Pilgers denkt,
Sah ich auf stiller Zinne!«

»Ich schaute«, fällt Jung Walter ein,
»In meinem Teich den Widerschein
Von Eichen kühl und düster,
Ich sah mein Boot, der Ruder bar,
Das halb ans Land gezogen war,
Umneigt von Schilfgeflüster!«

Ein jeder hat im Horneslaut
Sein Herz belauscht, sein Lieb geschaut,
Sein Minnen und sein Sehnen.
– »Herr König, sagt, was sinnet Ihr?
Was sehnet Ihr? Was minnet Ihr?
Was rinnen Euch die Tränen?«

Herr Ludwig flüstert: »Selger Traum!
Mich hoben durch den Himmelsraum
Angelische Gestalten.
›Getreuer Knecht willkomm!‹ erscholl
Ein Ruf – ich konnte wonnevoll
Die Tränen nicht verhalten.«

 


 


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