Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Die Lautenstimmer

        Schlummernd jüngst in Waldesraum
Hatt ich einen hübschen Traum:
Etwas regt sich in der Hecke,
Etwas klimpert im Verstecke.

Das Gesträuch mit leiser Hand
Teilt ich, bis das Nest ich fand:
Kinder, rings im Grase sitzend,
Mit den hellen Augen blitzend!

Rutschend auf dem nackten Knie,
Stimmten eine Laute sie –
»Sagt, was lagert ihr im Runde?
Sprecht, was schaffet ihr im Bunde?«

Auf das zarte Werk erpicht,
Hörten sie die Frage nicht.
»Seht, wie ist sie zugerichtet!
Wundgerissen! Fast vernichtet!«

Emsig ward geklopft, gespäht,
An den Saiten flink gedreht,
Liessen eine tiefer klingen,
Liessen eine hohe springen –

Endlich klang die Laute rein
Und die Kinder spielten fein,
Bis ich aus dem Traum erwachte
Und mir seinen Sinn bedachte:

Dumpf entschlummert, jetzo hell,
Ganz ein anderer Gesell!
Was die Kinder ohne Fehle
Stimmten, es war meine Seele!

 


 


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