Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Der Landgraf

        Mir sitzt zu Hause jung gezähmt
Und leicht gelähmt
Ein Steinaar im Verliesse,
Der martert sich den Hals zu drehn,
Ins Blau zu sehn,
Aus dem er gerne stiesse.

So streck ich Landgraf ebenfalls
Den Kopf und Hals
Wohl durch das Kerkergitter,
Ob etwas auf der Strasse zieht
Für mein Gemüt,
Ein Schüler oder Ritter.

Der Kaiser, der vergichtet ist,
Drum gerne misst
Die Kost der harschen Lüfte,
Vergass, wie schwer ein ganzer Mann
Entraten kann
Das Jagdhorn an der Hüfte.

Ich wurde hinterrücks gefällt,
Ein Netz gestellt
Ward mir mit falschen Schriften!
Wer mir mit lächelndem Gesicht
Die Treue bricht,
Der kann mich auch vergiften!

Wär ich ein römisch blöder Mann,
Ich wähnte dann:
Damit hätt ichs verbrochen,
Dass triumphierend ich hinaus
Zum Gotteshaus
Schmiss Mühmchen Lisbeths Knochen!

Jüngst warf ich auf den Festungsrain
Ein Stüberlein
Dem Bettler hin, dem lahmen:
Den schlug der Spanier bis aufs Blut –
Mich frass die Wut –
Der Teufel hol ihn! Amen!

Wohl läg ich besser auf dem Feld
– Ade, du Welt! –
Gewundet und erstochen!
Wie Meister Ulrich Zwingli lag
Am grünen Hag
Den hellen Blick gebrochen!

Nur tröstet mich das Eine doch,
Das päpstlich Joch
Ist in den Dreck getreten!
Wir dürfen ohne Klerisei
Und Heuchelei
Getrost zum Herrgott beten!

 


 


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