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Der wöchentliche Arbeitslohn war für unsern Bezirk von Gerichts wegen auf fünftehalb Schilling im Sommer und viertehalb im Winter festgesetzt worden; aber Jakob bekam jetzt sechs Schilling Wochenlohn, außer freier Wohnung, Gartenland und Extravergütung bei der Ernte und Schafschur. Wir gaben ihm das alles, obgleich wir wegen Gesetzesübertretung streng dafür bestraft werden konnten, und Jakob galt unter den Arbeitern für einen sehr wohlhabenden Mann. Trotzdem gab es keinen unzufriedeneren Menschen auf Gottes Erdboden. Immer fühlte er sich gekränkt oder zurückgesetzt und konnte nicht den geringsten Tadel vertragen. Schalt ich ihn einmal wegen seiner Trägheit, die ihm doch nur zu sehr im Blute saß, so schnitt er mir meist das Wort ab, indem er drohte, mich beim Friedensrichter zu verklagen, weil ich ihm zu hohen Lohn bezahle. Das fand ich wirklich sehr ungerecht, und ich erwähne es auch nur ungern, weil es ein schlechtes Licht auf Jakobs Charakter wirft. Doch muß ich es thun, um sein Verhältnis zu Jeremias Stickles zu erklären.
Seit sich dieser, wie bereits erzählt, von mir abgewandt hatte, schloß er sich mehr und mehr an Jakob an. Er hielt ihn für eine einfältige ehrliche Haut und brauchte seine Dienste wann und wo er konnte: »Führe mein Pferd heraus, Jakob – Sind meine Pistolen geölt, Jakob – Komm' in den Stall, Jakob, ich muß dir etwas Nötiges sagen,« so ging es in einem fort.
Fast hätte ich Herrn Stickles den Vorschlag gemacht, auch Jakobs Lohn zu bezahlen, wenn er ihn so ganz in Anspruch nähme, das schien mir aber doch zu unhöflich. Jakob kam sich natürlich sehr wichtig vor, fand die Mistgabel ganz unter seiner Würde und that so geheimnisvoll, als wäre ihm die Wohlfahrt des Reiches anvertraut.
Auf die Dauer durfte ich mir das nicht gefallen lassen, besonders da Jakob über unsere Verfassung, Rechte und Gesetze zu schwatzen anfing als sei er mindestens ein Ratsherr. Ich verwies es ihm, weil er uns alle in Ungelegenheiten bringen konnte, doch gab er mir nur eine hochnäsige Antwort, wofür ich ihm versprach, er solle das dicke Ende meiner Peitsche zu kosten bekommen, wenn er sein dummes Gerede nicht einstelle.
Eins hätte ich mir aber doch nicht träumen lassen – nämlich, daß Jakob dem Jeremias Stickles sein Abenteuer vom Teufelssumpf erzählen würde, da er mir, mit der Hand auf dem Messer, geschworen hatte, ohne meine Erlaubnis kein Wort davon zu verraten. Aber Stickles wußte alles, auch von dem Mann mit der Zipfelmütze, und wunderte sich sehr über Onkel Ruben's Heimlichkeiten, denn er hatte ihn immer für einen verständigen Mann und guten Unterthan gehalten.
Um diese Zeit sprach Tom Faggus einmal bei uns vor, als wir eben zu Tische gehen wollten, und wurde bald ein Herz und eine Seele mit dem Regierungsboten. Tom war in bester Laune, denn er hatte gerade dem alten Sir Roger Bassett bei einem Becher Wein in der Schenke ein Gütchen abgehandelt, das zehnmal mehr wert war als der dafür bezahlte Kaufpreis. Sir Roger glaubte nicht, daß es Tom ernst wäre und er die Summe auftreiben könne, aber sein einmal gegebenes Wort wollte der Ritter nicht wieder zurücknehmen, obgleich die Advokaten behaupteten, Faggus könne keinen gültigen Vertrag schließen, weil er auf Leib und Leben angeklagt wäre. Tom vertraute aber Annchen, das sei kein Hindernis; er werde sofort nach London reiten und sich den Gnadenbrief holen, der schon seit Monaten für ihn bereit läge. Dann aber hoffe er, sie als sein geliebtes Weibchen heimzuführen.
Was er sonst noch sprach, ging nur die beiden Liebesleute an, die der Erfüllung ihrer Wünsche jetzt so nahe schienen. Ich freute mich über das Glück meiner Schwester, obgleich mich dabei ein wehmütiges Gefühl beschlich. Das wollte ich mir durch Arbeit vertreiben und begab mich deshalb nach dem Eschenwäldchen im Westen unserer Besitzung, das zunächst der Anhöhe lag, von der aus ich täglich mehrmals die sieben Rabennester im Doonethal beobachtete.
Ich war dort jetzt häufig beschäftigt die Bäume umzuhauen, wo sie zu dicht standen, und das Holz mit Messer und Beil zu Dachsparren, Zaunpfählen, Baumstützen oder dergleichen zu verarbeiten. Aus den Abfällen machte ich Reisigbündel für den späteren Verbrauch. Wenn ich von dem vielen Bücken ermüdet war, setzte ich mich nicht hin, sondern lief rasch die Anhöhe hinauf, um mich zu überzeugen, daß Lorna in Sicherheit sei. So verging mir die Zeit im Fluge, und als die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, wollte ich Feierabend machen.
Schon seit einer Viertelstunde hatte ich das Beil nicht mehr gebraucht, sondern nur die fertigen Sparren zusammengebunden; der Bach, der durch das Wäldchen plätscherte, machte mehr Lärm als ich bei meiner Arbeit. Deshalb hatten mich auch die drei Männer nicht gehört, die jetzt im Abendschein den Heckenweg daher kamen. Sie trugen Schießgewehre und schlichen vorsichtig im Graben weiter, als ob sie einen Feind überfallen wollten. Wie ein Blitz kam mir der Gedanke, daß ich es sei, dem sie nach dem Leben trachteten. Man hatte gewiß meine Besuche im Doonethale entdeckt und ich sollte jetzt dafür büßen. Zum Glück stand ich in einer kleinen Vertiefung, und da ich nicht mehr Zeit hatte ins Gebüsch zu kriechen, warf ich mich flach auf den Boden in das dichte Farnkraut, hielt den Atem an und lag regungslos wie ein Klotz.
Schon im nächsten Augenblick tauchten drei Gesichter und drei Flintenläufe vor einer Lücke in der Hecke auf und mir stockte das Blut in den Adern.
»Hier hat jemand Holz gehackt,« sagte Carver Doone – ich erkannte seine tiefe Stimme. »Klettere die Böschung hinauf, Charlie, und sieh dich um. Wir brauchen bei unserm Geschäft keine Zeugen.«
»Ihr müßt mir helfen,« entgegnete der schöne junge Doone, den ich damals in der Nacht gesehen hatte; »allein kann ich nicht, es ist verteufelt steil.«
»Unsinn, irgend ein Bauer hat hier Reisholz geholt, und ist längst wieder heimgegangen,« ließ sich jetzt Marwood de Wichehalse vernehmen, der zu meiner Überraschung der dritte im Bunde war. »Der ganze Platz ist leer; da könnte sich kein Kaninchen verstecken.«
»Der Junker hat recht,« meinte Charlie, »es ist niemand da; der arme Teufel darf froh sein, daß er frühzeitig Schicht gemacht hat.«
»Bei uns heißt's: kein Hund, kein Mann,« sagte der junge Wichehalse. »Wer im Walde arbeitet, bringt seinen Hund mit, um die Kobolde zu verscheuchen.«
»Hier auf dem Gut wohnt ein langer Schlagtot, mit dem ich noch einmal Abrechnung halten muß,« brummte Carver Doone. »Er hat einen verfluchten Groll auf uns, weil wir seinen Vater todgeschossen haben, und jagt uns gewiß noch einmal die Häscher auf den Hals. Erst kürzlich ist er in London gewesen, wahrscheinlich in irgend einer verräterischen Absicht.«
»Ihr meint den einfältigen John Ridd, den Stoppelhopser,« rief der Junker. »Glaubt mir, in dem ist kein Falsch und keine Hinterlist, dazu hat er gar nicht Grütze genug im Kopf. Aber stark ist er wie ein Stier, und ein gewaltiger Ringkämpfer.«
»Das nächste Mal, daß ich ihn treffe, jage ich ihm eine Kugel in den Kopf, wenn er sonst nichts darin hat,« sagte Carver mit boshaftem Grinsen.
»Dummheit, Hauptmann, das leide ich nicht, er ist mein früherer Schulkamerad und hat eine hübsche Schwester. Sein Onkel – ja der ist aus ganz anderm Stoff und weit gefährlicher.«
»Das wird sich alles zeigen,« brummte Carver in seinen schwarzen Bart, »wer mir hinderlich ist, mag sich in acht nehmen. Aber rasch, vorwärts, damit wir der Natter den Kopf zertreten, ehe sie uns entwischt.«
»Ohne Sorge, Hauptmann,« rief Charlie übermütig, »der Kerl lebt keine Stunde mehr, meine Kugel macht ihm den Garaus.«
»Mir ist's recht, wenn Ihr das Geschäft übernehmt,« meinte Marwood, »ich begegne meinem Mann lieber in offenem Kampf, statt ihn hinterrücks zu überfallen.«
Mehr konnte ich nicht verstehen, denn die dichte Hecke war jetzt zwischen uns und ich hätte gut gethan, mich schleunigst im Gebüsch zu verstecken. Allein mein Zorn über Carver Doones Worte, die Neugier, was den Junker Marwood treiben möchte gemeinsame Sache mit den Schurken zu machen, sowie Mitleid für das unbekannte Opfer, dem sie auflauerten, bewogen mich, der Klugheit kein Gehör zu geben.
Mein Beil in der Hand, ließ ich mich sachte in das Bett des Baches gleiten, der diesseits der Hecke entlang floß, während sie jenseits im Graben weiterschritten, so nahe bei mir, daß ich das dürre Laub unter ihren Füßen rascheln hörte. Als ich an die offene Stelle gelangte, wo der Bach das Wäldchen verläßt, verbarg ich mich in dem hohen Farnkraut hinter einem Erlengebüsch und flehte, der Himmel möge geben, daß die Räuber ihren Weg geradeaus fortsetzten, denn wandten sie sich nach rechts, so war ich verloren. Jetzt standen sie bei der Öffnung still, im nächsten Augenblick schon hätte ich die Mündung ihrer Gewehre an meiner Schläfe spüren können. Was aber that ich in dieser furchtbaren Lage, angesichts des drohenden Todes? – Ich zählte die Fäden eines Spinngewebes über meinem Haupte und die toten Fliegen die darin hingen.
»Dies ist ein guter Platz,« ließ sich jetzt Carvers Stimme hören; von hier aus können wir ihn aufs Korn nehmen, wenn er den Hügel herunter reitet. Setzt Euch hinter die Hecke.«
»Bewahre, Hauptmann; hier sind wir viel zu weit ab von der Straße; es kann dunkel werden bis er von Slocombslade angetrabt kommt; auch biegt er dort links ein in den Pfad, der ans Ufer führt, zu der Bucht, wo sein Boot liegt. Ich bin ihm so oft bei Nacht gefolgt und weiß es genau. Soll denn alle meine Mühe umsonst gewesen sein?«
»Nun gut, führe uns. Aber du haftest mit deinem Leben für den Ausgang.«
Ich hörte wie sie den steinichten Abhang hinunterkletterten, und als ich vorsichtig durch die Hecke lugte, sah ich die Mordgesellen in das Dickicht treten, an dem Jeremias Stickles fast jeden Abend vorbeiritt. Nun wußte ich, wem der Anschlag galt, und erkannte zugleich, daß es nur ein Mittel gebe den Regierungsboten zu retten. Ich mußte, so schnell mich meine Füße trugen, um den Berg herumlaufen, dann über die Felsen und quer durch den Fluß zu gelangen suchen, um die Straße von Slocombslade zu erreichen und Stickles noch rechtzeitig zu warnen.
Das that ich denn auch und lief mir fast den Atem aus. Jeden Augenblick fürchtete ich, das Echo der mörderischen Schüsse im Thal zu hören, und beim Hinunterklettern zerriß und zerkratzte ich mich gewaltig an den rauhen spitzen Felsklippen. Nachdem ich den Bagworthy durchwatet hatte, ging es den Hügel bei Slocombslade hinauf; das Herz klopfte mir wie ein Hammer. Als ich wenige Minuten später dem Pferde des Stickles in die Zügel fiel, hielt er mir seine große Reiterpistole an die Schläfe, und das war der allerschlimmste Moment.
»Jeremias – Stickles,« keuchte ich mit verzweifelter Anstrengung.
»John Ridd, so wahr ich lebe,« rief Stickles und ließ die Pistole sinken. »An deiner Länge hätte ich dich erkennen sollen. Was in aller Welt führt dich denn her?«
»Euer Leben will ich retten. Um des Himmels willen, haltet! – Dort im Gebüsch lauern drei Männer mit langen Flinten auf Euch.«
»Ha, ich merkte längst, daß man mir nachspürt. Deshalb war ich so schnell mit der Pistole bei der Hand. Komm' hinter die Waldecke, und sobald du wieder schnaufen kannst, erzählst du mir alles. Du hast dir ja schier die Seele aus dem Leibe gelaufen; jetzt könnte man dich leicht unterkriegen.«
Stickles besaß viel Mut und Geistesgegenwart, sonst wäre er nicht mit einer so gefährlichen Sendung betraut worden; aber er zitterte doch als er hörte, welcher Gefahr er entgangen war. Aus leicht begreiflichen Gründen hielt ich es für besser, ihm zu verschweigen, daß ich seine Feinde kannte.
»Laß sie dort warten bis sie genug haben,« sagte Stickles nach kurzer Ueberlegung. »Meine Musketiere sind nicht zur Stelle, um sie zu fangen, und wir beide werden mit drei bewaffneten Doones nicht fertig. Der Mordanschlag wird mich wohl veranlassen ihr Räubernest früher anzugreifen, als meine Absicht war. Deine Hand, wackerer John! – vergib mir, daß ich in letzter Zeit so kalt gegen dich war; von heute ab sind wir Freunde fürs Leben. Vielleicht kommt es dir in den unruhigen Zeiten, denen wir entgegengehen, noch einmal zu gute, daß du mir diesen Dienst erwiesen hast.«
Dabei schüttelte er mir herzhaft die Hand und setzte dann seinen Weg in anderer Richtung fort. Ich hätte gern noch gewußt, wie lange die drei Schützen im Busch auf ihre Beute passen würden, aber bald hungerte mich so sehr, daß ich die Geduld verlor und den Heimweg antrat.
Am andern Morgen nahm mich Stickles beiseite und hielt mir einen langen politischen Vortrag, den ich mit anhören mußte, ich mochte wollen oder nicht. Daß die Unzufriedenheit im Lande groß war, wußte ich längst; der Herzog von York hatte sich durch seine Strenge und Grausamkeit viele Gemüter entfremdet, die Rechtspflege lag im Argen und uralte verbriefte Privilegien wurden einfach aufgehoben. Da hatte die königliche Partei alle Ursache auf ihrer Hut zu sein, damit ihre zahlreichen Feinde nicht allzu mächtig wurden. Vor allem suchte sich die Regierung über die Pläne und Absichten der Aufständischen insgeheim genau zu unterrichten, um ihnen, sobald sie zu Thaten schreiten würden, mit Erfolg Widerstand leisten zu können. Ein Wächter für die Regierungspartei, oder Spion, wie ihn die Gegner nannten, war denn auch Jeremias Stickles.
Ihm war eine dreifache Aufgabe gestellt worden. Erstens lag ihm ob, für die Erhebung der Eingangszölle im Hafen von Lynmouth und weiter an der Küste entlang Sorge zu tragen, wo damals viele Schmuggler ihr Wesen trieben.
Zweitens sollte er die geächteten Doones genau bewachen und ausführlichen Bericht erstatten über ihre Sitten und Gebräuche, ihre mannigfachen Thaten, den Ruf in dem sie standen, und ob sie in ihrer politischen Gesinnung für oder wider König und Papst seien.
Drittens war Stickles beauftragt, die allgemeine Stimmung unter dem Volk und in den Familien des Adels zu erkunden; auch eine Ansammlung von Waffen sowie die Einführung von Schießpulver zu verhindern, im Notfall mit Gewalt.
Um diese so verschiedenartigen Zwecke zu erreichen, hatte man ihm aber nur eine sehr geringe Hilfsmannschaft anvertraut, kaum zwanzig Musketiere, die als Schildwachen längs der Küste verteilt waren. Zum Angriff auf die Doones durfte er sich indessen auch der Landwehr bedienen, falls er sie nämlich zusammentrommeln konnte.
»Du siehst also, John,« schloß Stickles seine lange Auseinandersetzung, »daß ich mit so ungenügenden Kräften nur wenig ausrichten kann. Ich werde mich wohl damit begnügen müssen, die schändlichen Doones zu vertilgen und ihnen das Räubernest über dem Kopf anzustecken.«
»Ihr wollt die Häuser der Doones mit allen Insassen verbrennen? O, Jeremias, eine solche Grausamkeit könnt Ihr doch nicht vorhaben!«
»Grausamkeit nennst du das, John? Mindestens drei Grafschaften würden es mir Dank wissen. Euch freilich, ihren nächsten Nachbarn würden die Doones zuerst fehlen. Ihr seid zu sehr daran gewöhnt, daß man Eure Schafe und Rinder stiehlt, Euch die Nachtruhe raubt und Eure Schwestern und Bräute fortschleppt. Aber mit der Zeit würdet Ihr es doch behaglicher finden, in Ruhe und Sicherheit zu hausen.«
Ich konnte mir allerdings einen Zustand ohne die Doones nicht recht vorstellen, sie erschienen mir als ein ganz unentbehrliches Uebel. Auch quälte mich der Gedanke, was im Fall eines solchen Angriffs roher Soldaten auf das Doonethal aus meiner heißgeliebten Lorna werden würde. Deshalb erklärte ich Stickles ein für allemal, ich wolle mit dem ganzen Unternehmen nichts zu thun haben.
»Was,« rief er erstaunt, »du willst nicht mitziehen gegen deines Vaters Mörder? – und ich hatte doch auf deinen Mut und deine Kraft gerechnet, die mindestens der Stärke von vier Männern gleichkommt.«
»Wer meinen Vater erschossen hat, weiß man nicht, und bis der Mörder sich seiner Schandthat rühmt, hebe ich keine Hand gegen ihn auf. Gott allein gebührt es, den Frevel zu rächen.«
»Schon gut, John, ich kenne deinen Eigensinn. Hast du dir einmal etwas in den Kopf gesetzt, so ist alle Ueberredung umsonst, man predigt nur tauben Ohren. Doch glaube ich, dahinter steckt noch etwas anderes als christliche Versöhnlichkeit. Zusehen könntest du wenigstens, wenn du nicht mitthun magst. Ich wette, es gibt einen Hauptspaß; mancher Freisasse wird dort seine Tochter, mancher Bursche aus Porlock sein Liebchen wiederfinden. Ein hübsches Schätzchen für dich, John, ließe sich vielleicht –«
»Schweigt,« rief ich, »dergleichen Scherze sind mir zuwider.«
»Wie der gnädige Herr befiehlt. Aber eins sage ich dir: dein alter ränkesüchtiger Onkel Huckaback aus Dulverton muß mit, wenn wir die Burg der Doones erstürmen, so wahr ich Stickles heiße. Er hat ja oft genug geprahlt, er würde mit einer Handvoll Soldaten den Angriff selbst übernehmen; nun bietet sich ihm auch zugleich die Gelegenheit, seine Treue gegen den König zu beweisen, an der man in letzter Zeit mancherlei Zweifel hegt.«
Daß Onkel Ruben den Zug mitmachte schien mir nur recht und billig, er konnte dabei zugleich seine gestohlenen Waren zurückholen, deren Verlust er so laut bejammert hatte. Aber was sollte aus meiner Lorna werden, wenn der Angriff gelang? Die Pflicht fesselte sie an den alten Schur … ich meine an ihren alten Großvater, der jetzt, krank und schwach wie er war, niemand mehr schaden konnte. Wer würde sie in der allgemeinen Verwirrung und Gefahr vor den rohen Kriegsknechten schützen, selbst wenn sie ihren eigenen Verwandten zu entfliehen vermochte? Und die Doones hatten doch wenigstens ihre althergebrachten Rechte und nahmen sich was ihnen zukam, wie es die Edelleute auch thun und der König selbst. Aber wie würde erst eine Bande hergelaufener, halbverhungerter Soldaten unter uns hausen? Würden sie nicht unsere Schafe, Rinder, Korn und Wein, Speck und Brod für willkommene Beute ansehen, und dabei noch als Vaterlandsverteidiger und Förderer der allgemeinen Wohlfahrt auftreten und unsern Dank begehren?
Ich persönlich geriet noch überdies in eine ganz besondere Klemme, falls es zu dem Unternehmen kam. Von den Ringkämpfen her kannte man meinen Namen auf mindestens zehn Meilen in der Runde; würde man mich nicht überall verspotten und mit Fingern auf mich weisen, wenn ich mich von dem Zuge ausschloß? – Wahrlich, wer sich in meine Lage versetzen kann, wird leicht begreifen, daß mich Stickles' geplantes Wagestück auf jede Weise verdroß und beunruhigte.