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Vorwort des Übersetzers

Während Hector Berlioz als Tondichter eine glänzende posthume Würdigung erfahren hat, weiß der deutsche Leser noch immer kaum etwas von dem Menschen und Schriftsteller Berlioz, durch dessen Kenntnis erst die künstlerische Gesamterscheinung des großen Mannes faßbar und deutlich wird.

Unter seinen literarischen Werken nehmen die vorliegenden Memoiren die erste Stelle ein. Begonnen auf englischem Boden im Revolutionsjahr 1848, vollendet 1865 zu Paris, vier Jahre vor des Meisters Tode, umfassen sie sein ganzes streit- und freudenreiches Heldenleben. Sie vor allem sind geeignet, ihm Freunde zu werben, und nicht nur unter den Musikern; denn dem Erzähler Berlioz eignen Kraft und Anschaulichkeit der Darstellung in hohem Maße, verbunden mit jenen Eigenschaften, die dem Musiker so oft abgesprochen worden sind: der Anmut und spielenden Eleganz des Ausdrucks und der Form, dem alten Erbteil des Franzosen. So lesen sich diese Aufzeichnungen wie ein spannender Roman, in dem Erhabenes mit Groteskem, Liebliches mit Grauenhaftem in bunter Folge wechselt; dabei ist die schillernde Mannigfaltigkeit der Begebnisse stilistisch so meisterhaft gefaßt und gebunden, daß man vielleicht sagen darf, die » Mémoires« seien von allen Werken ihres Schöpfers – auch den musikalischen – künstlerisch das rundeste und einheitlichste. Stets auf der Suche nach Sensationen und romantischem Überschwang, hat Berlioz die seltsamen Szenerien seines außerordentlichen Lebens durchwandert wie einer, der bewußt ein wirres, rätselvolles Dasein träumt, um es einst dichtend festzuhalten. Aber nicht nur der exzentrische, launenhafte Stimmungsmensch und Phantast führt hier das Wort, bald scherzend ironisch, bald getragen vom hohen Pathos der Ergriffenheit oder gewappnet mit dem grimmen Witz des Weltverächters, – auch ein scharfer Beobachter und gerechter Beurteiler ohne nationale Vorurteile, ein vornehmer Mensch, dankbar und gütig gegen seine Freunde, unbarmherzig gegen seine Widersacher, stellt sich uns in diesem Buche dar. Und wenn schließlich die »Lust zum Fabulieren« der historischen Korrektheit auch hin und wieder Abbruch tut, so rückt den Leser dennoch des Autors eigene Schilderung der inneren Wahrheit seines Wesens um vieles näher, als selbst die kritischste Biographie über ihn jemals vermöchte.

Die vorliegende Ausgabe bringt die vollständige Übersetzung des Originals ohne jede Kürzung; indes wurde, in den Berichten über die Konzertreisen des Meisters im Ausland, das vorwiegend fachmännisch Interessierende durch kleineren Druck angezeigt und kann vom musikalischen Laien ohne Gefährdung des Zusammenhangs überschlagen werden.

Dr. Hans Scholz.


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