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Neujahrstrost.

1855.

Einst stieg ein höchster Geist herab,
Der Erste aller Gottgebornen,
Der Sieger über Tod und Grab,
Das Licht der armen Nachtverlornen,
Das Licht in grauser Finsternis
Der rings in Trug und Wahn Verirrten,
Die jedes Weges ungewiß
Gespenster düstern Grauns umschwirrten.

Hier ging er in Gestalt des Knechts
Durch Lug und Trug und Leid der Erden,
Daß ihres hohen Götterrechts
Die Menschen sollten inne werden,
Daß wieder würden aufgetan
Die langverschloss'nen Himmelsfenster,
Vernichtet düstrer Höllenwahn,
Verjagt der Hölle Nachtgespenster.

Daß die, so Gott fürs Licht erschuf,
Die gar in Finsternis verzagten,
Aufhorchten auf den Himmelsruf
Und nach den Heimatsternen fragten,
Daß wieder zu den lichten Höhn
Die Geister regten alle Schwingen,
Aus Erdenmühen, Erdenwehn
Ins Himmelreich emporzudringen.

Du Liebesheld, mein Hort, mein Mut,
Du hast die Hölle zugeriegelt,
Du hast am Kreuz mit deinem Blut
Den heil'gen Liebesbund besiegelt –
Du Liebesheld – das ist das Wort,
Das Wort der Gnade, Wort der Treue,
Das jagt die Erdenschrecken fort
Und macht aus Sünderknechten Freie.

O komm, mein Held, mein Mut im Streit,
Im Streit des Blinden unter Blinden,
Hilf, hilf im Trug der Eitelkeit
Der Wahrheit grade Wege finden!
Dann mag ich fröhlich, frisch und fromm
Fortpilgern, dein geweihter Streiter,
Und endlich rufen: Komm, o komm,
Mein Liebesheld! Denn ich will weiter.

O wann es klingt Hinweg! Hinab!
Wann klingt die Glocke: Du mußt weiter!
Dann komm! Komm! Sei durch Tod und Grab
Mein Helfer, Tröster und Geleiter;
Dann, wann auf all mein Erdennichts
Die letzten Schatten niederdunkeln,
Laß dann den Glanz des sel'gen Lichts
Mit Himmelsleuchtung mich umfunkeln.



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