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An meinen Diogenes.

1853.

Wohin mit dir, du mein geschwindster Flieger?
Wohin, du mein Diogenes?
Wähnst du dich, weil du weit und hoch fliegst, Sieger?
Nicht unterst liegt hier stets der Unterlieger –
Horch! Und besinn dich unterdes.

Im schwersten Krieg mit Geistern und mit Leibern
Schlägst du die alte Riesenschlacht,
Jagst mit der Flucht von Eisenbahnentreibern,
Mit des Gedankens schnellsten Fernschriftschreibern,
Unglücklicher, die wilde Jagd.

Halt an! Dem Stürmer löst die heil'gen Binden
Die Wahrheit nicht, wie du es meinst;
Und reißest du sie ab, was wirst du finden?
Den ältsten Weidspruch: Selig jene Blinden,
Die schaun, was du zu schauen meinst
.

Halt an! Mit allem Messen, Wägen, Zählen
Stellst du die Unruh' nicht in Ruh',
Wirst nimmer so dein Ja und Nein vermählen.
Auf! Glaube, träume mit den großen Seelen,
Mit Platon, Leibniz träume du.

Erbebe! Wie du wankst auf scharfer Scheide,
Die selbst mit Beben steigt und sinkt,
Erkenne, daß du Mensch bist, dulde, leide
Das Leid der Endlichkeit, verwegner Heide,
Der sich im Born der Eitelkeit betrinkt.

Herunter, Lüge! Stolzes Herrschertücke!
Herunter, Selbstvergötterung!
Nur Demut find't den Pfad zum festen Glücke,
Nur auf des Glaubens Regenbogenbrücke
Gelingt die Himmelskletterung.

Drum wieder hübsch herab in deine Tonne!
Es wächst manch feines Blütenreis
In stillster Pflege unter Gottes Sonne. –
So pflücke still dir jener Kränze Wonne,
Wovon kein Lied zu singen weiß.



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