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An Frau E. E.

An die Frau des Buchhändlers Eichenberg in Frankfurt a. M., bei dem A. schon 1814 gewohnt hatte. (D. H.)

1848.

Du fragst mich oft um Himmelszeichen,
Du fragst mich: Wo und was ist Gott?
Wo sind die Bilder, die nicht bleichen
Vor Larven voll von Hohn und Spott?
Die nicht erbleichen vor Gesichtern
Voll Schlangentrug und Höllengraus,
Die gern von allen Himmelslichtern
Die letzten Funken löschten aus?

So klagst du ältste Menschenklagen,
So klagst du ältstes Erdenleid
Und rollst des Daseins Rätselfragen
Viel um im Kopf- und Herzensstreit,
Und türmest Bilder dir aus Bildern
Auf, einen Turm der Brandungsflut,
Daß alle Sinne sich verwildern
Und alle Flügel senkt der Mut.

O höchste Leiter ohne Stufen!
O tiefstes Wasser ohne Grund
!
So muß die arme Seele rufen,
Versunken gar in diesen Schlund;
So reißt die Last der schweren Fragen
Sie wild ins kalte Nichts hinab,
So sinkt mit allen schönsten Sagen
Ihr goldner Zukunfttraum ins Grab.

Und doch ermanne dich, du arme,
Du bange Seele! Wache auf!
Wach auf! Und lege dich ans warme
Und volle Gottesherz, wach auf!
An dieser Sonne aller Sonnen
Weck den erstarrten Funken auf!
So blühn dir neu die alten Wonnen,
So geht dir neu der Himmel auf.

Dann haucht das hellste Bild der Liebe,
Dann haucht dein Heiland weg den Schmerz,
Und wenn dir nichts, auch gar nichts bliebe,
Dir bleibt dein Selbst, dir bleibt dein Herz:
Auch dies hat seine Morgenröten,
Hat seinen Donner, seinen Blitz,
Hat seine Seher und Propheten,
Die wissen mehr als Tageswitz.



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