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Gerecht ist Gott.

1837.

Gerecht ist Gott, und seine Sendeboten,
Ausgleichungsrichter, fliegen auf der Reise
Beständig hin und her, auf daß sich weise
Das ewige Recht Lebendigen und Toten;

Auf daß wahr bleibe jene ältste Sage
Der ersten Wieg' als Schlummerlied gesungen,
Als Trost dem ersten Sarge nachgeklungen:
Leid überwiegt die Lust der Erdentage;

Auf daß der Mensch sich fühl' als der Verbannte,
Vom Licht hinabgestoßen tief zum Kerker;
Auf daß er hier, ein Schauer, Späher, Merker,
Erlausche, was er einst bei Gott erkannte;

Auf daß er wolle mit den hohen Mächten,
Die, droben waltend über Tod und Leben,
Des Schicksals dichtes Knäulgeheimnis weben,
Hienieden nicht um Glück und Freude rechten.

Denn Vogel ist er seines eignen Fluges, –
Das fühlt er ganz inmitten dieser Irren,
Die er mit müdem Fittich muß durchschwirren,
Denn Gimpel ist er seines eignen Truges.

Nichts Ungeheures wird ihm zugemutet,
Nicht übersetzt sind seiner Rechnung Zahlen;
Doch nimmer mag er seine Schuld bezahlen,
Wieviel er auch durchkämpfet und durchblutet.

Dies nur, dies meint der Sendeboten Reise.
Knie nieder, armer Erdensohn, im Staube!
Knie nieder! Zittre, bebe, daß dein Glaube
Nicht wanke vor des Herrschers dunkler Weise.

Daß sie so dunkel ist, das macht dir's helle,
Das lehrt dich das Verlorne wiedersuchen,
Das lehrt dich beten da, wo Narren fluchen,
Das weist dich sehnsuchtsvoll zur Himmelsschwelle;

Das leitet dich auf wüsten Irrsalspfaden,
Die mit Gespensterschrecken dich umdunkeln,
Dies läßt den Stern der Treu' und Liebe funkeln,
Den du begrüßest als den Stern der Gnaden.

O Stern der Sterne! O du Licht der Lichter!
Wann ich in schlimmen Nächten will verzagen,
Nur diesen dünnsten Schimmer laß mir tagen!
Dann weiß ich froh: Mein Vater ist mein Richter.



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