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Frühlingsball.

1846.

Rosenschimmer streift den Osten,
Und der junge Tag wird wach,
Lerchen klingen auf zum Himmel,
Und der Finke schlägt den Schlag,
Und der grüne Mai mit Kränzen
Wie ein sieggekrönter Held
Schreitet, Blütenflocken schüttelnd,
Lustig hin durch Au und Feld.

All Natur will sich verjüngen,
All Natur hält Hochzeitball,
Millionen Musikanten
Spielen auf mit hellem Schall,
Und des Jahres Wonnereigen
Tanzt um Hütte und Palast,
Und entzückte Stimmen girren
Liebesglück von Halm und Ast.

Und auch mir im alten Herzen
Zwitschert's laut und überlaut:
Mußt du fern vom Spiele stehen,
Spiel von Bräutigam und Braut?
Mußt du Lust nach Jahren messen?
Dummes Maß, und nicht von Gott!
Auf! Und greife grauer Narrheit,
Grauer Narrenweisheit Spott!

Komm denn, süßer Mai, und kränze
Mich mit jüngstem Blütenkranz!
Komm denn, Nachtigall, und spiele
Hell mir auf zum Frühlingstanz!
Sollt' ich gleich den Würmern messen?
Nein, dies Maß ist nicht von Gott,
Blum' und Wurm hat. bess're Weisheit
Und spricht Narren Spei und Spott.

Blumenweisheit? Wurmesweisheit?
Lebe ganz, du lebest kurz.
Längres klingt der Mensch entgegen
Aus dem Zeitenwogensturz:
Wie? Du wolltest feiges Herzens
Grämlich vor der Freude stehn,
Du, dem aus den höchsten Höhen
Hauche ew'gen Lebens Wehn?

Du, der Sonnenfernen schauet,
Der mit Sonnenmaßen mißt,
Schneller als des Lichtes Flügel
An den Weltenenden ist,
Wolltest greisig dich gebärden,
Weil den Scheitel Schnee bedeckt?
Würdest von der süßen Freude
Durch die Narren weggeschreckt?

Nein! Frisch mutig in den Reigen,
In die Weltenlust hinein!
Blum' und Wurm und Mensch und Seraph,
Diese Lust soll unser sein!
Spielt frisch auf, ihr Musikanten!
Lerche, Fink und Nachtigall!
Spielet auf! Der junge Frühling
Tanzt heut seinen Hochzeitball.



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