Helmut Wördemann
Gedichte
Helmut Wördemann

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Die verliebte Harke

Es war einmal eine Harke, die stand im Eisenwarengeschäft in einer Ecke hinter einem Spaten. Sie bewunderte seine breitbeinige Standfestigkeit, aber noch mehr beglückte es sie, dass er auf seiner glatten Arbeitsfläche einen großen Teil des Ladens spiegelte, denn sie selber konnte nichts sehen – außer diesem Spiegelbild.

Mit der Zeit verliebte sich die Harke in den Spaten, so dass sie nur noch mit ihm zusammensein wollte, und der Spaten erwiderte die Liebe, denn er kam sich im Vergleich zu ihr grob und platt vor. Dagegen war die Harke wie eine elegante Dame. Als er merkte, dass sie ihn mochte, tat er so, als rutsche er aus und lehnte sich an sie.

Das ließ sich die Harke gerne gefallen, zumal da er zugleich seine Blickrichtung änderte und nun einen anderen Teil des interessanten Raumes spiegelte.

Da die beiden so vertraut bei einander standen und weil sie ohnehin als Arbeitsgeräte zusammengehörten, wurden sie gemeinsam verkauft und kamen in denselben Garten.

Es war ein wunderbar aus Regen und Sonnenschein gemischter Frühling, als die beiden zum ersten Mal in ihrem Leben in Dienst genommen wurden. Der Spaten stach mit Vergnügen in die Erde und warf Scholle um Scholle zu einem Beet auf, damit hübsche Blumen darauf wachsen konnten. Die Harke stand verliebt daneben und sah zu. Sie wusste von Natur aus, dass sie nicht helfen, sondern nur verfeinern konnte. Also wartete sie ab.

Als der Spaten fertig war und sich zum Ausruhen am Rand des Beetes niedergelassen hatte, machte sich die Harke ans Werk. Zug um Zug zerbröckelte sie die plumpen Schollenklötze und verteilte das feine Gebrösel zu einer ebenen Fläche.

»Aber was machst du da?« empörte sich ihr Geliebter, »du machst ja alles wieder kaputt, was ich so gründlich aufgebaut habe.«

»Nicht doch,« lispelte die Harke mit Sand zwischen den Zähnen, »ich vollende doch nur, was du angefangen hast.«

»Das ist nicht nötig, ich mache keine halben Sachen, also lass das bitte.«

Die Harke, die keinen Streit wollte, gab auf.

Ein paar Wochen später kamen die beiden wieder in den Garten. Da sahen sie, dass auf dem geharkten Teil des Beetes gesunde grüne Pflanzen standen, denen man die Lust am Wachsen ansah. Auf dem ungeharkten Teil aber lümmelten sich kreuz und quer die Artgenossen, die keinen rechten Halt hatten. Auf den Schrägen der Scholle waren sie fast waagerecht ausgeschlüpft und hatten sich dann nach oben zur Sonne gekrümmt; nur auf den Graten der Erde standen einige aufrecht, allerdings nicht in Reih und Glied, denn die Brocken lagen unregelmäßig im Beet.

»Hm,« machte der Spaten, »es ist wohl doch besser, wenn du meine Arbeit verfeinerst. Aber bilde dir ja nicht ein, dass du so ein Beet ohne mich zuwege bringst.«

»Aber nein,« flüsterte die Harke zärtlich, »ich bin doch nur für den Zierrat gut.«

Diese Bescheidenheit rührte den Spaten, so dass er großmütig zugab: »Nein, meine Liebste, deine Feinarbeit ist notwendig, weil das Feine sonst nicht gedeiht.«

Von nun an lebten und arbeiteten Harke und Spaten in harmonischer Eintracht. Übrigens sah die Harke die Welt längst mit eigenen Augen, aber sie blickte doch immer wieder gerne in den Spiegel des Spatens.

 


 


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