Helmut Wördemann
Gedichte
Helmut Wördemann

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Die neidischen Bauklötze

Es waren einmal zwei dreieckige Bauklötze, die vertrugen sich wie Zwillinge. Der eine bildete den vorderen Giebel der Häuser, die das Kind damit baute, der andere den hinteren. So arbeiteten sie zusammen, ohne sich zu sehen, und jeder wusste, dass er auf den anderen angewiesen war, denn es nützte nicht viel, das Haus nur von einer Seite abzuschließen.

Eines Tages aber kam es dem Jungen in den Sinn, die Bauweise zu ändern. Er verdoppelte die Vorderseite des Hauses, indem er beide Giebel nebeneinander setzte. Hinten schloss er das Gebäude mit zwei neuen Giebeln.

Nun hatte jeder der beiden ersten dreieckigen Bauklötze einen neuen Partner. Das war durchaus erträglich. Aber sie standen jetzt Seite an Seite, und jeder meinte, dass er nur noch die halbe Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zöge. Da fing gleich das neidische Kibbeln an und das Rempeln von Schulter zu Schulter, bis das Haus zusammenstürzte.

»Ihr Tollpatsche!«rief der Junge unwillig, »warum macht ihr meine neue Villa kaputt. Gleich wollen meine Freunde kommen und sich mein Kunstwerk anschauen. Soll ich euch als Trümmer vorzeigen? Wenn ihr Verstand hättet und wüsstet, wie schön ihr als Doppelgiebel ausseht, ihr würdet bestimmt nicht auseinander fallen. Schade, dass ihr mich nicht verstehen könnt.«

Die Bauklötze aber verstanden jedes Wort. Sie sahen sich an, nickten sich zu und ließen sich willig wieder aufbauen. Als die Freunde des Jungen kamen und das Gebäude bewunderten, weil es zwei Giebel nebeneinander hatte, wurde diesen endgültig klar, dass ihr Wert nicht halbiert worden war, sondern verdoppelt.

 


 


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