Louis Weinert-Wilton
Die Panther
Louis Weinert-Wilton

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24

Erst Schlag halb drei klopfte es wieder an die Tür, denn Lady Shelley wußte, daß sie pünktlich zu sein hatte, wenn sie bei dem Alten vorkommen wollte. Und sie mußte ihn heute sprechen, weil für sie so ziemlich alles auf dem Spiel stand. Sie fand einen sehr kurzen und unliebenswürdigen Empfang, aber das vermochte sie nicht zu hindern, ihr Anliegen ohne weitere Einleitung und mit einer Bestimmtheit vorzubringen, als ob es darauf überhaupt kein »Nein« geben könnte.

»Ich brauche Geld, Johnson. Um jeden Preis, aber unbedingt.«

»Das brauchen Sie immer«, gab er grob zurück. »Seitdem wir uns kennen, und das ist nun schon ziemlich lange her. Ich war auch dafür zu haben, so lange es ging, aber nun ist Schluß. Mit den sicheren Geschäften gehen Sie mir ja ohnehin weiter. Sie haben dem Colonel einen Schmuck verpfändet.«

»Woher wissen Sie das?« fuhr sie auf.

»Von ihm selbst. Er hat es mir vor einigen Stunden auf demselben Platz, auf dem jetzt Sie sitzen, gebeichtet, weil ihm die Steine heute nacht gestohlen worden sind.«

Die sonst so beherrschte Frau schnellte jäh auf und stützte sich mit zitternden Händen auf den Tisch.

»Das lügt er«, schrie sie schrill in den dunklen Winkel. – »Ich habe doch so etwas geahnt. Er ist ein abgefeimter Schurke.«

»Damit mögen Sie recht haben«, fiel ihr Johnson hämisch ins Wort, »aber diesmal lügt er nicht.«

Lady Margaret stand eine Weile hochaufgerichtet, dann ließ sie sich wieder in den Stuhl fallen, und lange Zeit waren nur ihre erregten Atemzüge zu hören.

»Wissen Sie, was das für mich bedeutet?« fragte sie endlich tonlos.

»Eine höchst unangenehme Geschichte, das kann ich mir denken.«

»Das Ende«, sagte sie hart und kalt. »Wenn Lord Shelley davon erfährt, wird er ohne weiteres den letzten Schritt tun. Sie kennen ihn. Ich habe die Steine ohne sein Wissen aus dem Safe genommen.«

Sie brach jäh ab und schien von dem Alten irgendein verständnisvolles Wort für ihre Lage zu erwarten, aber was sie hörte, bedeutete nichts weniger als einen Trost.

»Sie haben eben Ihr ganzes Leben in allem und jedem ein verdammt waghalsiges Spiel getrieben«, stellte er trocken fest. »Vom ersten Tag an, an dem wir uns kennenlernten.«

»Und Sie haben mir dabei immer die Hand geboten«, warf sie mit Nachdruck ein, und es klang fast wie eine Drohung. »Vergessen Sie das nicht.«

»Leider«, gab das Bündel hinter dem Schreibtisch etwas weinerlich zu. »Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern. – Wissen Sie, daß die Kleine plötzlich wieder aufgetaucht ist?«

»Welche Kleine?« fragte Lady Margaret verständnislos.

»Nun, das Mädchen mit der Pantherkatze.«

Zum zweitenmal im Verlauf dieser inhaltsschweren Unterredung sprang die Frau verstört auf, und ihre Erregung war so groß, daß sie kein Wort hervorzubringen vermochte und mit entsetzten Augen in das Halbdunkel starrte.

»Jawohl«, bekräftigte Johnson, »und ich fürchte, daß die alte, längst vergessene Geschichte wieder lebendig werden wird. Jedenfalls müssen Sie darauf vorbereitet sein und Ihre Maßnahmen treffen.«

»Sie sind ein Teufel«, sagte Lady Margaret nach einer langen Pause unsicher, »und ich weiß nicht, weshalb Sie mir das alles erzählen. Wollen Sie mich damit schrecken?«

»Ich will Sie nur warnen. Und ich will Ihnen erklären, weshalb ich nicht weiter helfen kann. Ihre Partie steht bedenklich, denn Sie haben keine einzige Chance mehr.«

Die üppige blonde Frau schwieg, aber nach Sekunden klang ihre gedämpfte Stimme schneidend in die beklemmende Stille. »Sie irren. Wenn Lord Shelley stirbt . . .«

Sie vollendete nicht, und diesmal bedurfte offenbar der Alte einiger Zeit, um eine Antwort zu finden. Es kam zunächst ein unangenehmes Hüsteln aus dem Polsterstuhl, und als Johnson zu sprechen begann, klangen die Worte zögernd und gepreßt von seinen Lippen.

»Sie sind . . .« Er sprach nicht aus, was er auf der Zunge hatte, sondern räusperte sich und begann dann von neuem. »Das wäre allerdings eine Sache, die für Sie sofort zehntausend Pfund wert wäre.«

»Und für Sie?« fragte sie herausfordernd.

»Wie immer – das gleiche.«

»Wann?«

»Wenn es soweit ist.«

Fragen und Antworten waren Schlag auf Schlag und mit einer Sachlichkeit gefallen, als ob es sich um ein alltägliches Geschäft handelte, aber die Frau wie der Mann hatten dabei ihre Selbstbeherrschung bis zum äußersten angespannt. Nun lagen sie stumm und lauernd in ihren Sesseln, und zwischen ihnen hockte das Grauen.

Aber Lady Shelley machte plötzlich eine entschlossene Handbewegung und richtete sich zu ihrer vollen Höhe auf.

»Ich brauche ein sicheres Mittel«, sagte sie leise, aber bestimmt. »Womöglich schon morgen«, fügte sie nach kurzer Überlegung hinzu. »Ich hoffe, daß die Wirkung diesmal zuverlässiger sein wird als damals bei der Frau. Ich habe deshalb lange Zeit in Angst und Sorge gelebt.«

»Gegen die Konstitution läßt sich nichts machen«, meinte Johnson leichthin. »Eine andere hätte unbedingt daran glauben müssen.«

Lady Margaret nestelte nervös an ihrem Handschuh, bevor sie die letzte Frage tat. »Wieviel kann ich sofort haben?«

»Tausend Pfund«, gab der Alte bedächtig zurück. »Sie können sie morgen bei Ihrer Bank abheben.«

Johnson war bereits eine Viertelstunde allein, aber er lehnte noch immer so reglos in seinem Sessel, wie die ganze Zeit über, da die Besucherin ihn in Anspruch genommen hatte.

Plötzlich aber streckte er die Hand in das Halbdunkel, und vor die Tür wie vor die Fenster schoben sich geräuschlos dünne Stahlplatten. Dann ging durch die Stille ein leises Summen, und von irgendwoher kam sekundenlang ein kühler modriger Lufthauch . . .

Der alte Johnson hatte die Zähigkeit Hearsons unterschätzt. Dieser kam pünktlich um drei Uhr angefahren, und die Hast, mit der er aus dem Auto sprang und trotz seiner Kurzsichtigkeit die Stufen hinaufstürmte, verriet, wie sehr ihm daran gelegen war, seinen Rivalen endlich in die Arbeit zu nehmen. Um so empfindlicher war für ihn die Enttäuschung, als ihn der pockennarbige Diener mit den breiten Backenknochen diesmal bereits an der Schwelle abfertigte. Nicht ganz so, wie es ihm sein Herr aufgetragen hatte, aber doch weit weniger höflich, als bei Hearsons erstem Besuch am Morgen.

»Mr. Johnson schläft und darf auf keinen Fall gestört werden«, erklärte er kurz, indem er auch schon wieder die Tür schloß, und Hearson stand einen Augenblick mit höchst ärgerlichem Gesicht da und schob unentschlossen an seiner Brille herum. Aber die Abweisung klang zu entschieden, um ihm irgendwelche Hoffnung zu lassen.

Etwa hundert Schritte weiter bummelte in diesem Augenblick Bill Short über die Straße und schielte mit einem verbissenen Lächeln nach dem enttäuschten Mann auf den Stufen des kleinen Hauses. Der Einsiedler von Englemere sah diesmal von der tadellosen Beschuhung bis zu der modernen Melone wie ein vollendeter Gentleman aus, wenn sich auch sein dunkles, gegerbtes Gesicht mit der scharfen Nase in dieser Aufmachung etwas auffallend ausnahm.


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