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Sechstes Kapitel.

Vor dem Sturm

Wir blieben und er blieb. Die Mutter zog sich scheu vor ihm zurück. Übrigens schien sie sich doch zu beruhigen. Ich hielt mich so fern von ihm, mein Ton und Benehmen gegen ihn waren so kühl, so ablehnend; ich reagierte gegen die Gewalt seines Wesens mit solcher Macht, daß es sie wohl verwirren und täuschen konnte. Ob dasselbe auch mit Fernow der Fall war? Mir sagte er es nicht und er war eine viel zu verschwiegene Natur, als daß ich ihn hätte erraten können. Jedenfalls hatte er anderes erwartet und jedenfalls beobachtete er mich. Verdächtig mußte ihm sein, daß ich nie mit ihm über seinen Freund sprach. Dies ängstliche Vermeiden eines vertraulichen Gespräches sah beinahe wie Furcht aus. Ich erkannte das auch völlig, tadelte mich heftig, vermochte aber trotzdem nicht, das erste Wort zu reden.

So lebten wir denn in einem recht gespannten Zustand. Mir kam er vor wie die Stimmung des zweiten Altes eines Dramas: die Heldin war stark, aber das Verhängnis war noch stärker. Der dritte Akt brachte notwendigerweise die Katastrophe.

Ich rede, als wäre es selbstverständlich gewesen, daß er mich lieben mußte. Gewiß zeigte er mir in seinem Benehmen nichts, was mich zu dieser Vermutung – zu diesem Argwohn berechtigt hatte. Er war immer er selbst, immer merkwürdig, zuweilen mehr als das: wahrhaft bedeutend. Von uns allen tat er allein sich keinen Zwang an.

Ich wandelte in allen diesen seltsamen Tagen wie im Traum, mich dabei fortwährend in einem Zustand gespanntester Erwartung von etwas Mächtigem, Außerordentlichem, Wundersamstem befindend. Wann würde es kommen, was würde es sein? Es war so geheimnisvoll, so feierlich! Ich ging, bewegte, mich, sprach, dachte; zugleich mich darüber wundernd, daß ich das alles tat. Stundenlang konnte ich dasitzen, vor mich hinstarrend, sinnend: wie es komme, daß wir so höflich miteinander verkehrten, uns Sie nannten, uns gegenseitig als Fremde behandelten, als einander vollkommen fernstehende, gleichgültige Menschen. Wenn ich ihn kommen sah, begriff ich nicht, warum ich ihm nicht entgegeneilte – wenn er vor mir stand, warum ich mich nicht an seinen Arm hing, mich nicht an seine Brust warf. Wenn er sprach, mußte ich ihm oft starr auf die Lippen blicken, nicht fassend, daß diese mich nicht küßten. Ach, die Lippen vieler Frauen hatten daran gehangen! Was es sein muß, zu wissen: du bist die erste, die des Geliebten Lippen küßt. Ob das wohl oft vorkommt? O gewiß! Ich brauchte gar nicht weit zu suchen. Wenn ich den Mund des Mannes geküßt hätte, der neben ihm stand, so wäre ich wohl die erste gewesen. Aber ich würde nicht die erste sein, die er, von den Armen des andern umschlungen, einem Abgrund zuriß.

»Sie ist die erste nicht! Jammer! Jammer! von keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Geschöpf in die Tiefe dieses Elends versank, daß nicht das erste genug tat für die Schuld aller übrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden! Mir wühlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser einzigen; du grinsest gelassen über das Schicksal von Tausenden hin!«

Hatte ich das nicht schon einmal zitierend gedacht? Bei welcher Gelegenheit war es doch gleich gewesen? Richtig! Da wir zur armen Anna gingen und ich ihre Geschichte hörte. Auch sie war die erste nicht gewesen, die es um den Verstand gebracht hatte.

Die arme Anna! Sollte man glauben, daß ich an dem unseligen Geschöpf etwas zu beneiden fand. Und doch war's so. Sie hatte die schönsten blonden Haare, die ich jemals gesehen und blonde Haare waren sein Entzücken. Ich will bekennen, daß ich einmal vor meinem Spiegel stand, Glut der Scham im Gesicht, mir meine Haare aufflocht, gar nicht damit zufrieden, daß sie mir Nacken und Brust tief umhüllten: ihr stumpfes Braun war so häßlich! Auch will ich bekennen, daß ich längst wieder Blumen im Haar trug und längst nicht mehr mein mißfarbiges graues Kleid. Eitel sind wir doch alle, töricht sind wir doch alle!

Die Vormittage brachte ich meistens allein zu. Ich hatte viel zu studieren, denn es war nun entschieden, daß ich völlig in das Fach der Tragödin übergehen sollte. Ich wollte mit Sappho beginnen, und die Jungfrau und Medea folgen lassen. Auch Iphigenie hatte ich von neuem vorgenommen. Mit welcher Heftigkeit hielt ich mir das Glück fest, einen Schimmer der alten Zeiten heraufzubeschwören und mit dem Freund zusammen meine Gestalten zu bilden! Wie bemühte ich mich, ganz in seinem Sinne zu denken, wieder ganz seine Schülerin zu sein! Wie leidenschaftlich sehnte ich mich, ihm jeden Augenblick mein Vertrauen, meine Dankbarkeit und Verehrung, meine treue Schwesterliebe zu zeigen! Ob es ihn glücklich machte? Schlechte Herzenskündigerin, die ich damals war! Als ob ich nicht hätte wissen müssen, welch einen Schmerz es ihm gab; wie ich ihm dadurch gerade das verriet, was ich ihm verschweigen wollte.

Ich hatte ihm das Manuskript seines Freundes nicht wieder zurückgegeben! er forderte es auch nicht. Brauche ich zu sagen, daß ich halbe Nächte mit jenem dämonischen Genius verbrachte? Aber die Schauer, die mich jetzt dabei überfielen, waren nur Schauer des Entzückens. Übrigens wußte er nicht, daß ich sein Werk kannte.

Auch Nachmittags waren wir nicht immer beisammen. Die Herren ritten aus, wo ich dann entsagte und bei der Mutter zurückblieb. Ich mußte viel an die römische Campagna denken. Ach, einmal mit ihm zusammen die Steppen zu durchjagen! In rasendem Lauf weiter und weiter bis zum Meeresstrand und weiter, in die Fluten hinein, in das Meer hinein!

Oft trieb er sich mutterseelenallein in den Waldbergen umher. Sie glichen beinahe Urwäldern und waren voll tiefster Einsamkeit. Er suchte die Köhler auf, an deren Feuer er manchmal übernachtete, schloß Bekanntschaft mit den einsamen Menschen, wie er denn überhaupt auch hier wiederum ein wahres Genie besaß, das Volk an sich zu ziehen. Er war auffallend ruhelos und ich hörte ihn davon reden, Europa wieder zu verlassen. Da er mich um meine Meinung fragte, riet auch ich ihm dazu. Er schien betroffen über mein entschiedenes Ja, warf mir einen seiner blitzenden Blicke zu, dankte für meine Teilnahme an seinem Geschick, setzte sich ans Instrument und tobte sich aus. – – Nein, es war kein Irrtum: in seinen Tönen sagte er es mir jeden Tag.

Ich floh in mein Zimmer und sank dort nieder; wäre er jetzt gegangen – mit meinen Armen hätte ich ihn zurückgehalten. Was war es überhaupt für ein Komödienspiel, für eine Farce!

Nun, er sprach nicht wieder davon; wie denn auch die australische Kolonie nicht wieder erwähnt wurde.

Ich habe bis jetzt unterlassen, seinen Namen zu nennen. So oft ich es auch gewollt – immer von neuem wieder zuckte meine Hand zurück. Mir war's, als würde ich es nicht ertragen können, die Buchstaben vor mir zu sehen; mir war's, als müßte ich aufschreien, daß sein Name, meine Seele durchgellend mich von neuem wieder – – auch das Wort ist schrecklich! Ich will stark sein, ich will es hinschreiben. Doch was ist ein Name?

Bereits bei der ersten Lektüre von Franks Tragödie war mir aufgefallen, daß ich mich bei aller Eigenart dieser Dichtung bald an Kleist, bald an Grabbe erinnert fühlte.

Da die bedenkliche Neigung zu vergleichen, bei uns Frauen ganz besonders ausgebildet ist und ich darin durchaus keine Ausnahme mache, so brachte ich es denn auch glücklich heraus, daß er eine Vereinigung von Kleist und Grabbe sei. Allerdings war diese geistige Mixtur schlecht gemischt. Die Elemente, anstatt sich zu verbinden, verharrten in feindseliger Trennung voneinander, weshalb denn auch die Wirkung durchaus nicht die eines reinen Kunstwerks war. Daher auch der Sturm von Empfindungen, der meine Seele durchwühlte und den unverständlichen Zwiespalt verursacht hatte, den ich mir jetzt so verständig zu erklären suchte. Bei solcher Betrachtung konnte ich nie über den einen Gedanken hinwegkommen: Da ist das große Talent; aber – wie tragisch! – es fehlt ihm ein kleines Etwas, das ein Gott so leicht hätte geben können, um durch dasselbe Kunstwerke hervorgehen zu lassen, so frei und freudig wie im Lenz Blumen aufsprießen. Was ist nun dieses fehlende Etwas? Ist es Ruhe, Ordnung, Maß? Namen finden sich genug dafür, aber ausdrücken konnte ich es nicht. Es ist da und schuld dieser kleinen Unvollkommenheit ist, daß eine Welt von Schönheit, die aus einem solchen Haupt geboren werden könnte, wie aus der Stirn Jupiters Pallas Athene, erdrückt und erstickt wird. Ist das nicht ein Jammer!

Als ich ihn dann kennen lernte, mußte ich dasselbe auf mich selbst anwenden. Wie herrlich hätte der Klang dieser Seele sein können, wenn ihn nicht fortwährend ein Mißton zerrissen!

Diese unvermittelten Naturen, die sich in Extremen verzehren, sind wahrhaftig tragische Existenzen. Ebensowenig wie ihr Wesen jemals eine einheitliche Form annehmen kann, ist das mit ihren Werken der Fall. An und für sich eine ewige Dissonanz, vermögen sie nie harmonisch auszuklingen, also nie erquicklich zu wirken. Auch will mir scheinen, als trügen sie den Grund zu ihrem Untergang, der einmal, früher oder später, erfolgen wird, so tief in sich, daß sie sich trotz aller Kraft und aller Gegenwehr nicht zu retten vermöchten. In der Literatur und Kunst sind die Beispiele solcher Zerstörungen zahllos. Die meisten Toten bleiben eben nur namenlos; so daß man die Gräber nicht kennt, die jede Epoche der gefallenen Kämpfer und Ringer der Menschheit zurückläßt.

Ich habe diese Worte niedergeschrieben und sie mögen stehenbleiben. Sie werden für mich zeugen, daß ich mir den geliebten Mann als echtes, schwaches Weib, das ich bin, vielleicht verherrlichte, mich aber zugleich über seinen und meinen Zustand in voller Klarheit befand, mehr als dies zum Beispiel bei Fernow der Fall war. Er, der sonst Illusionslose, trug sich entschieden mit einer schönen Täuschung, die ich zu kennen glaubte.

Frank hatte mich noch nie vortragen hören oder spielen sehen, mich auch nie darum gebeten. Daher schlug ich denn auch trotzig aus, als Fernow mich bat, mit Frank zusammen, an dem ein großer Schauspieler verdorben sei, Kleists Penthesilea zu lesen. Ich war kleinlich genug, mich zu einer Notlüge herabzulassen und mein vieles Studieren vorzuschützen. Wie oft der Mensch sich doch selbst um die schönsten Stunden betrügt und das aus den erbärmlichsten Gründen! Auch in dieser Art von Selbstqual sind wir Frauen Meisterinnen. Aber daß man uns ja nicht bedaure!

Doch konnte ich nicht unterlassen, Fernow zu bitten, uns eines Nachmittags in seiner bekannten novellistischen Art Penthesilea zu erzählen. Er sagte zu und es wurde die Stunde dafür gleich auf den nächsten Tag festgesetzt.

Wie ich immer die Lieblingsplätze meines verstorbenen Gemahls aufsuchte, gerade als ob ich nötig hätte, daß der Geist jener Stätten mich schütze, so bestimmte ich auch für diese Zusammenkunft eine jener Stellen, wo mich alles an meinen edlen Toten erinnerte. Diesmal nicht daran denkend, Frank zu gefallen, wollte ich mich für den Dichter und die Dichtung schmücken; denn solche Augenblicke, wo wir ein Kunstwerk genießen, sind unsere wahren Feste.

Aber so schwach sind wir: Nach Fernows Vortrag sagte ich von selbst zu, aus Penthesilea sprechen zu wollen. Ich hatte dafür eine herrliche Stelle im Walde erwählt, wo mich die Freunde erwarten sollten.

 

Ich begab mich auf mein Zimmer, nahm mein griechisches Gewand heraus, legte es an, warf meinen Purpurmantel um und schmückte mich mit dem Diadem. Dann ließ ich mein Pferd satteln, bestieg es, jagte davon.

Als das Gold des Abendrots durch den Wald leuchtete, kam ich in der Buchenschlucht an.

Ich schwang mich von meinem dampfenden Tier, schlang den Zügel um einen Baumstamm und ging langsam zu der Wiese, wo sie, halb durch Gebüsch versteckt, am Rande des Waldes meiner harrend saßen – –

Und ich war Penthesilea!

Er naht – Wohlauf, ihr Jungfrauen, denn zur Schlacht!
Reicht mir der Spieße treffendsten, o reicht
Der Schwerter wetterflammendstes mir her!
Die Lust, ihr Götter, müßt ihr mir gewähren,
Den einen heißersehnten Jüngling siegreich
Zum Staub mir noch der Füße hinzuwerfen.
Das ganze Maß von Glück erlaß ich euch,
Das meinem Leben zugemessen ist – –
Asteria! Du wirst die Scharen führen,
Beschäftige den Griechentroß und sorge,
Daß sich des Kampfes Inbrunst mir nicht störe.
Der Jungfrau'n keine, wer sie immer sei,
Trifft den Peliden selbst! Dem ist ein Pfeil
Geschärft des Todes, der sein Haupt, was sag' ich!
Der seiner Locken eine mir berührt!
Ich nur, ich weiß den Göttersohn zu fällen.
Hier dieses Eisen soll, Gefährtinnen,
Soll mit der sanftesten Umarmung ihn
(Weil ich mit Eisen ihn umarmen muß!)
An meinen Busen schmerzlos niederziehn.
Hebt euch, ihr Frühlingsblumen, seinem Fall.
Daß seiner Glieder keines sich verletze,
Blut meines Herzens mißt' ich eh'r als seines;
Nicht eher ruh'n will ich, bis ich aus Lüften,
Gleich einem schöngefärbten Vogel, ihn
Zu mir herabgestürzt: doch liegt er jetzt

Mit eingeknickten Fittichen, ihr Jungfrau'n, Zu Füßen mir, kein Purpurstäubchen missend:
Nun denn, so mögen alle Seligen
Daniedersteigen, unsern Sieg zu feiern,
Zur Heimat geht der Jubelzug – dann bin ich
Die Königin des Rosenfestes euch!
Jetzt kommt!

Es ward Nacht.

Ich eilte fort, fand mein Pferd, führte es zu einem Felsblock, stieg auf, galoppierte in den dunklen Tann hinein. Einmal hörte ich einen Aufschrei. Wahrscheinlich war ich an einem Jäger oder Holzschläger vorübergesaust, der mich für die Waldfrau gehalten haben mochte. Mein Haar flatterte, mein Leib beugte sich tief auf den Hals des Pferdes herab. Ich jagte, als rase ich meinem Glück nach, das vor mir schwebte: dort, wo sich graue Klippen über einem schrecklichen Abgrund auftürmten.

Da hörte ich hinter mir Hufschläge und Rossesschnauben. Bald war er dicht an meiner Seite, aber er sagte nichts. Er wußte, daß man dem Sturm nicht gebieten kann, stillzustehen, nicht der Flamme verbieten, zu lodern.

Wir stoben dahin. Die düstern Tannen glitten an uns vorbei, durch ihre Wipfel glänzten die Sterne herab. Nachtvögel flatterten auf. Weil mir der rasende Ritt den Atem versetzte, stieß ich einmal einen Schrei aus, den das Echo fünffach zurückgellte.

Ich wußte, daß er kein Auge von mir wandte.

»Reiß dein Pferd zurück!« rief er mir plötzlich zu. Wir waren auf den Klippen – unter uns tat sich der Abgrund auf.

Beide Pferde bäumten hoch auf.

»Wollen wir zusammen hinüber?!«

» Noch nicht.«

Er griff mir in die Zügel und wandte mein Tier.

»Also wieder ins Leben zurück.«

Wir jagten den steilen Weg hinunter, kein Wort wurde weiter gesprochen.

Als wir in den Schloßhof ritten, bat ich ihn.

»Sag' es ihm noch nicht. Ich werde es auch noch der Mutter verschweigen. Der Schreck könnte sie töten,« setzte ich in Gedanken hinzu.

Wir traten zusammen in die Halle, wo uns beide entgegen kamen.

»Aber Kind! Wie habe ich mich um dich geängstigt.«

»Das war wirklich nicht nötig, Mutter. Wir standen zwar beide an einem Abgrund, aber du siehst: wir sind nicht hinuntergestürzt. Im Gegenteil! Ich habe einen Gipfel erklommen und von hoch oben auf die Welt herabgeblickt.«

Ich hatte auf meine Stimme gelauscht, in der es gewiß jeder Ton verraten mußte. Aber ich sprach ganz ruhig, ich war ganz ruhig. Der Mensch, der eben durch die Berührung eines Gottes geschaffen worden, gerät über das Wunder seines Lebens auch nicht außer sich.

Dann wandte ich mich zu Fernow, zu dem ich ebenso gelassen sprach. Ich war gewiß, daß er wußte, wie groß es in meinem Innern aussah, wenn er auch nicht ahnte, was vorgefallen war.

Der andere hatte sich ans Klavier gesetzt; in stiller Glückseligkeit hörte ich zu. – – Es war unser rasender Ritt durch den nächtlichen Tann. Die Pferde galoppierten, die Wipfel rauschten, alle Geister des Waldes lebten auf. Und die beiden Einsamen ritten und ritten. Mein Jubelschrei durchjauchzte die Töne und der seine antwortete mir. Dann wieder – welch Seufzen, welch Schluchzen, welch Aufruhr aller Klänge, welch Gebraus und Gegoge! Es war der Geisterritt unserer vereinigten Seelen. Sie jagten dem Glück nach. – War das der Stern, der über uns schimmerte? War das der Strom, der unter uns raste, im durchwühlten Felsenbett? War das Himmel oder Abgrund? Konnte nicht beides vereinigt werden? Der Stern in den Abgrund herabsinken? Er sank und sank! Unter Melodien sank er herab. Wie schön er drunten zerschmetterte und – siehe! Aus seinem strahlenden Tod wuchsen Blumen auf, Gärten, Paradiese, die trugen die leuchtenden Scheiben des zertrümmerten Sternbildes wieder zum Himmel empor.

Ich durchwachte die Nacht. Hatte doch auch ich einen Gott, mit dem ich mich besprechen mußte. Ich weiß nicht, ob ich betete. Ich glaube nicht; aber eine einzige große Andacht war es gewiß.

Oder bat ich im voraus um Vergebung für ein Verbrechen, das ich zu begehen gedachte? War es Sünde und Schuld, daß ich mein glückseliges Antlitz der Sonne zukehren wollte, um mich von dem Glanz bestrahlen zu lassen? Daß ich mir die heiligste Offenbarung des höchsten Gottes in das Herz gerissen, jene höchste aller Empfindungen, die das Weltall geschaffen und zusammenhält, das göttliche Gefühl, um dessentwillen der Gottessohn am Kreuze gestorben.

Mir war zumute, baß ich allen hätte zurufen mögen: Berührt mich nicht, ich bin heilig. Am liebsten hätte ich mein eigenes Bild auf einen Altar gestellt und davor anbeten lassen. Trug ich nicht einen Gott in mir?

 


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