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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Meines Trauerspieles erster Akt

Am nächsten Morgen kam er zu mir. Die Mutter war dabei, als wir zusammen sprachen. Was war es für eine Stunde! Helf mir Gott: ich klagte mein eignes Herz an, das nur Mitleid fühlen wollte, nur Mitleid! Ich hätte ihm so gern eine schwesterliche Hand gereicht, so gern ein schwesterliches Wort gesagt. – – Ich mußte schweigen. Aber er sah, daß ich litt.

Ich ließ ihn endlich mit der Mutter allein. Wohl eine Stunde blieben die beiden zusammen; ich sah ihn nicht mehr.

Aber noch spät in der Nacht kam sein Adjutant; die Mutter empfing den Herrn. Er kam aus dem Kabinett des Königs. Unter dem Namen einer Baronesse von Hochheim sollte ich dem Prinzen an die linke Hand angetraut werden.

Wie erwartete ich an diesem Tage Fernow! Aber er kam nicht; auch den nächsten Tag hoffte ich vergebens. Da schickte ich zu ihm. Er war fort, fort auf ungewisse Zeit, fort, ohne mir ein Wort zurückgelassen zu haben! Ich schrieb ihm und erhielt seine Antwort: groß, stark, herrlich. Nur er konnte so schreiben. Aber er wollte nicht kommen; ich mußte es ohne ihn durchkämpfen.

Auch der Leibarzt des Prinzen kam. Ich hörte, wie es mit dem Unglücklichen stand: nur durch mich war er noch länger seiner Mutter zu erhalten.

Ich konnte nicht – ich konnte nicht!

Ich hatte mein Gesuch um Urlaub eingereicht; aber obgleich ich wußte, daß es mir auf speziellen Befehl Seiner Majestät ausgefertigt worden war, verzögerte sich die Sache dennoch. Um einen Eklat zu vermeiden, mußte ich noch eine Zeitlang aushalten.

Das Haus war jetzt immer ausverkauft, wenn ich spielte. Distinguiert, wie das Publikum war, benahm es sich doch nicht immer taktvoll gegen mich. Es wollte mir seine Teilnahme zeigen, aber es tat mir nichts weniger als wohl damit. Die Hofloge war immer leer.

Ich spielte gut wie niemals; denn ich litt wie niemals. – – Wie recht er hatte!

Ich legte mir den Zwang auf, wieder einige Salons zu besuchen. Immer mehr lernte ich die Welt kennen.

Einmal verbreiteten die Zeitungen die Nachricht, daß der Prinz sich vermählen würde. Man gab bereits eine detaillierte Beschreibung des Schleiers, der für die hohe Braut in Brüssel gestickt ward. Ein andermal wiederum hieß es: die Vermählung sei aufgeschoben, der Prinz werde sich zur Wiederherstellung seiner angegriffenen Gesundheit nach dem Süden begeben. Die letzte Notiz lautete: der Prinz sei schwer erkrankt.

Zwischen der Mutter und mir ward nie sein Name genannt; aber ich wußte, wie sie litt und nicht nur um mich.

In der Dämmerstunde eines trüben Tages kam ich von einem Spaziergange nach Haus. Vor unserer Tür hielt eine Hofequipage. Zuerst wollte ich umkehren, nahm mich jedoch zusammen und ging hinein.

Luise öffnete mir. Ich erhob abwehrend beide Hände, daß sie mir kein Wort sagen sollte. Im Salon war niemand. Ich trat bei der Mutter ein, es war fast dunkel im Zimmer. Meine Mutter kam auf mich zu; jemand war bei ihr, eine Frau – seine Mutter.

Was in dieser Stunde gesprochen wurde – ich weiß es nicht mehr. Mein Kopf war wirr, mein Herz schmerzte mich, ich konnte nicht denken, nicht fühlen. Ich hörte mich anrufen, mich anflehen: Mein Sohn stirbt, rette meinen Sohn!

Da waren mein Widerstand und meine Kraft gebrochen. Seine Mutter riß mich an ihr Herz, sie weinte, sie dankte mir. Meine Mutter nahm nur leise meine Hand und – küßte sie.

Dann sollte ich sofort zu ihm, gleich – gleich – gleich! Sie war so glücklich, daß ich es fast selbst geworden wäre. In mir ward es ruhig, ein Hauch von wundersamem Frieden zog in mir ein.

Ich küßte meine Mutter; dann ging ich von ihr. Es war Nacht geworden, als wir in den Wagen stiegen, die Straße bereits einsam. Auf der Seite unseres Hauses kam ein Herr gegangen. Ich glaubte ihn zu erkennen. Ja, er war es! Vor unserem Hause stand er still. Er sah den Wagen, er sah mich, die ich das Fenster aufgerissen hatte; aber er hörte mich nicht mehr; die Pferde zogen an, die Fürstin schloß mich in ihre Arme.

 

Am nächsten Abend ward ich mit dem Prinzen vermählt.

 


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