Friedrich Theodor Fischer
Lyrische Gänge
Friedrich Theodor Fischer

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Große Glufen-Ballade
oder
Die magnetische Nadel.

I.

                 

In . . . . im grünen Alpenthal
    Auf der Post ist die Kost vorzüglich;
An der Tafelrunde saßen einmal
    Drei Offizere vergnüglich.

Forellen setzte man auf den Tisch.
    Der Major, der nicht viel lobte,
Sprach schmatzend: wirklich ein feiner Fisch!
    Als er den Bissen erprobte.

Duftend erschien jetzt auf dem Plan
    Ein Vogel, ein saftiger Braten,
Der Hauptmann kostet den welschen Hahn
    Und schmunzelt: köstlich gerathen!

Ein zartes Gemüse fehlte nicht,
    Eine Schüssel voll junge Bohnen,
Sie waren des Leutnants Leibgericht,
    Er dachte sie nicht zu schonen.

Doch der Leutnant bleich wie ein Schemen saß,
    Der hat kein Wort gesprochen:
Eine Nadel hat er, sobald er aß,
    In das Zahnfleisch sich gestochen.

 
II.

Er fährt empor und zur Thür hinaus
    Zum Erstaunen der Tafelrunde
Und zieht und zerrt mit Schmerzen und Graus
    Die Nadel sich aus dem Munde.

Er stürzt in die Küche, er blickt umher,
    Die Thäterin zu erspähen,
Und sieht einen Kochreferendär
    Bei dem Gesinde stehen.

Es ist eine Jungfrau seiner Art
    Aus einer guten Familie,
Von Antlitz lieblich, von Gliedern zart
    Und schlank wie eine Lilie.

Sie trägt eine Schürze mit Schulterband,
    Schneeweiß ohne Flecken und Tadel
Und festgehalten am einen Rand
    Mit einer glänzenden Nadel.

Die Nadel, die er beinah verschluckt,
    Und diese, sie sind die gleichen,
Auch erscheint, wie er weiter späht und guckt,
    Ein zweites schlagendes Zeichen.

Das andere Tragband hängt nur los
    Um die Achsel, die rundlich feine –
Es ist aus! Die Schuld, so riesengroß,
    Sie ist bewiesen wie keine.

Das Mägdlein wird inne und sieht von Blut
    An des Leutnants Lippen ein Tröpfchen,
Da ergießt sich lodernde Purpurgluth
    Ueber ihr holdes Köpfchen.

Er wollte wettern, er wollte schrein,
    Wollte fluchen wie ein Heide,
Da sieht er das bebende Mägdelein,
    Das arme, da that es ihm leide.

Er besinnt sich, die Nadel in seiner Hand
    Erhebt er, sich artig verneigend,
Durch das linke, das lose Schulterband
    Drückt er sie sanft und schweigend.

Doch drang ihr ein wenig in die Haut
    Die blutbegierige Spitze,
Ihr entfuhr ein grillender Schmerzenslaut
    Als sie fühlte die scharfe Ritze.

Der Laut, der flog wie ein Flintenschuß
    In das Leutnant-Herz, in das warme,
Da gab er ihr einen herzlichen Kuß
    Und schloß sie in seine Arme.

Dann eilte er in den Saal zurück,
    Aß Gemüs und Kuchen und Törtchen,
Als ob er träumte, so war sein Blick
    Und wieder sprach er kein Wörtchen.

 
III.

In . . . . im grünen Alpenthal
    Auf der Post ist die Kost vorzüglich,
An der Tafelrunde, da saß einmal
    Ein bräutliches Paar vergnüglich.

Ein Hauptmann war es mit seiner Frau,
    War fernd noch Leutnant gewesen,
Man konnt' es ihm in der Augen Blau,
    Wie lieb er sie hatte, lesen.

Der vorige Hauptmann war dabei,
    War jetzo Major geworden,
Der Major nicht fehlte zur Zahl der drei,
    Jetzt Oberstleutnant mit Orden.

Und manche Frauen und manche Herrn
    Saßen herum als Gäste,
Sie waren geladen von nah und fern
    Zum fröhlichen Hochzeitsfeste.

Forellen setzte man auf den Tisch,
    Dann einen gebratenen Hahnen,
Es war bei dem leckern Braten und Fisch
    Nicht nöthig, zum Essen zu mahnen.

Dann eine bedeckte Schüssel kam –
    Wer sollte den Deckel heben?
Das Bräutchen winkte dem Bräutigam
    Das Zeichen zum Angriff zu geben.

Und wie er ihn hebt und wie er schaut,
    Ei, seht, was hat er entdecket?
Da lauscht zwischen Bohnen und Bohnenkraut
    Ein kleiner Schütze verstecket.

Ein Knabe mit Silberflügelein,
    Der zielet mit Pfeil und Bogen,
Der Pfeil, das ist eine Nadel fein,
    Am Knopfe mit Federn bezogen.

Der Hauptmann stutzt und verwundert sich,
    Schnell nimmt das Bräutchen, das flinke,
Die Nadel und gibt ihm einen Stich
    In die Achselseite, die linke.

Er quiekt. Man lacht, und von Hand zu Hand
    Geht die Nadel umher im Kreise,
Gelangt zu dem Oberstleutenant,
    Der beschaut sie und seufzet leise.

Er war geschworener Hagestolz,
    That am liebsten kommandiren,
Wollte nichts wissen von Amors Bolz,
    Jetzt fühlt er ein menschlich Rühren.

Wo, ruft er, ist da noch Gegenwehr,
    Wo rings der Feind nach uns zielet,
Wenn selbst aus der Bohnenschüssel her
    Der Franctireur lauernd schielet?

Wohin vor des Schützen arger List
    Im dichten Menschengetriebe?
Ich merk' es, im Lebenskompaß ist
    Die magnetische Nadel die Liebe.


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