Friedrich Theodor Fischer
Lyrische Gänge
Friedrich Theodor Fischer

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Wasserfall.

Wasser.

           

Nun, Fels, wie steht's?

Fels.

Fest.

Wasser.

Wir haben etwas mit einander zu sprechen.

Fels.

Was soll's?

Wasser.

Biegen oder brechen.

Fels.

Das wäre!

Wasser.

Hinab muß ich. Platz da! Schnell!

Fels.

Sachte, sachte, du grober Gesell!
Sieh, da beiseit durch die moosigen alten,
Die engen, winkligen Felsenspalten
Findet sich schon ein Wegchen, für dich
Breit genug, man bescheide sich.

Wasser.

Zickzack und eng und klein!
Auf spitzige Klippen
Stoßen mit Gellen
Die schwellenden Wellen
Ihre murmelnden Lippen!
Platz, Platz! Es kann nicht sein!

Fels.

Du Grobian!
Komm her, sieh mich an!
Seit Jahrtausenden steht
Mein Bau, für ewig gewoben.
Siehst du, wie der Wald dort oben
Auf meinem ehrwürdigen Scheitel weht?
Willst du es hören,
Das Geisterflüstern,
Das durch die düstern
Alten Föhren
Dunkle Sagen
Von alten Tagen,
Von den Tagen der Sintflut trägt?
Steh' still im Lauf
Und schau' hinauf
An diesen Wänden, wie von Erz gethürmt,
Unbezwinglich, Undurchdringlich.
Ob der Regen sie peitscht, der Orkan sie bestürmt!
Riesenhoch!
Dann frage noch,
Ob mich, den Recken,
Dein kindisches Trotzen könne schrecken.

Wasser.

Du mußt! Du mußt!
Kommet zu Hauf,
Ihr Fluten, zischt auf,
Hackt in die Felsenbrust
Die gähnende Wunde!
Stürzt her wie bellende Hunde,
Mit dem milchweißen, scharfen Zahn
Wüthend zu packen
Die trotzigen Zacken!
Kommt an, kommt an
Wie Schlangen geringelt!
Die Pfeiler umzingelt!
Schüttelt, Rüttelt!
Horch, schon vernehm' ich ein dumpfes Jammern
In den alten triefenden Felsenkammern,
Ein Zucken und Stöhnen, Ein Reißen und Dröhnen –

Fels.

Weh! Weh!
Tief im Herzen erschüttert!
Die Tanne zittert
Auf meinem Haupt. Ein Stich
Durchzuckt mich!
Ich verzweifle. Ach, ach!

Wasser.

– – Krach!
Dumpfdonnernd, Stoß auf Stoß,
Stürzt der Koloß,
Zerschmettert, zerschlagen,
Mir in den schäumenden Schoß!
Meine Wogen jagen
Ueber die Fichten, zerrauft, zerknickt,
Die sein prahlendes Haupt geschmückt!
Was noch soeben gepocht, gedräut,
Jetzt wie im Wahnsinn umhergestreut!
Jetzt ist Freiheit!
Jetzt brause nur auf im Uebermuth,
Brüste dich prachtvoll, du stolze Flut!
Ueber die Trümmer, über die Bäume
Stürzet, ihr brausenden, tosenden Schäume,
Geuß dich, du reiner, du silberner Strahl,
Hinunter, hinunter in's sonnige Thal!

Fels.

Und im Tode noch räch' ich mich,
Quäle dich!
An diesen moosigen Blöcken,
An diesen scharfen Kanten
Zerstäubet mit Schrecken,
Werdet zu Schanden,
Ihr stolzen Wellen!
Euch frechen Gesellen
Soll mein zerschmettert, zerschlagen Gebein
Mächtiger Damm noch und Hinderniß sein!

Wasser.

O, du hinderst mich nicht!
Wenn die Welle sich bricht,
Wenn du sie hemmst im pfeilschnellen Lauf,
Braust sie gewaltiger, herrlicher auf,
Springet mit zürnender, donnernder Macht
Blendend in schäumender, perlender Pracht
Ueber Klippen, über Gestein,
Wühlt in die nächtliche Tiefe sich ein,
Reißt sich in's schaurige, klüftige Grab
Siedend in rasendem Strudel hinab,
Dann in neuer Schöne
Kommen hervor,
Steigen empor
Meine wilden Söhne,
Die schneeweißen Taucher; und mit Gewalt
Angeprallt
An dem Felsen, spring' ich in schuppigem Reif
Hoch auf, wie ein Fächer, ein Pfauenschweif
Blättr' ich auf die blitzenden Wellen.
Und sieh, hier ist Raum,
Hier stört kein Fels, kein Baum,
Hier kann ich hinaus mich schnellen,
Kann frei durch die Lüfte
Hinab in die Klüfte
Wallende, fallende Wasser gießen,
Kann in Einer reinen Linie fließen,
Wie von der Jungfrau Scheitel hernieder
Ueber das Antlitz, die schlanken Glieder,
Schwebend über die süße Gestalt,
Schimmernd ein weißer Schleier wallt.
Doch wo vom Fall
Im vollen Schwall
Aufstürzen die Wasser, da gibt es ein Brausen,
Ein hohles Donnern, ein zischend Sausen!
Dampfen Wolken von feuchtem Staub
Weithin auf Hügel und Gras und Laub,
Und wie sie wirbeln und wie sie wogen,
Schwingt sich, durch's flimmernde Grau gezogen,
Prächtig ein glühender Regenbogen.
Und es erscheinen
Die Menschen, die kleinen
Menschen an meinen Flanken,
Auf Brücken, auf Planken,
Stehen und reißen die Augen auf
Zu meinem Sturmeslauf,
Schauen das liebliche Farbenwunder,
Schauen das blitzende Silberband,
Blinzen in's grollende Gähren hinunter,
Lauschen dem Donner und festgebannt
Mit zuckender Wimper am schaurigen Rand
Erkennen sie alle mit Staunen an,
Wie ich herrlich wandle die Siegesbahn.

Thal.

Hör' auf zu toben, so stolz, so wild,
Siehe, wie lieblich mild
Die sammtenen Matten
Im Abendschatten
Zur Ruhe laden.
Es möchten ihr zartes, zitterndes Bild
Blumen in deinem Spiegel baden.
Laß das Reh, das muthige Füllen
An deinem Ufer trinken.
Hörst du der Heerden fernes Brüllen?
Hörst du verhallen der Hirten Gesang?
Siehest du winken
Am Berg entlang
Das Kirchlein, die frommen Hütten?
Höre mein Bitten!

Wasser.

Da wär' ich! ah! das war ein Leben!
Doch nun will ich dienen der Menschenhand,
In der Thäler sanftes, grünes Gewand
Will ich den silbernen Gürtel weben,
Will die frommen, hellen,
Plaudernden Wellen
Ruhig schlängelnd durch Gärten gießen,
Will schwatzend an Blumen vorüberfließen;
Der Hirsch, das Reh
Sollen aus meinen Fluten trinken
Und in holdem Weh,
Wenn die Sterne blinken,
Mag eine Jungfrau, die einsam wacht
In lauer Sommernacht,
Meinem Rauschen
Lauschen.


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