Friedrich Theodor Fischer
Lyrische Gänge
Friedrich Theodor Fischer

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Rom 1872.

         

Abend war's, vom Capitole
Stieg ich nach dem Forum nieder.
Eines Jägerhornes lust'ge,
Stürmisch rasche Marschesweise
Hört' ich; zu den muntern Klängen
Sah ich durch den Titusbogen
Einen Zug Bersaglieri
Im Geschwindschritt sich bewegen,
Aus den breiten Schützenhüten
Flatterten die Hahnenfedern.

Traumhaft wurde mir zu Muthe;
Von des altersgrauen, stolzen
Baues mächtigem Gesimse
Schien ein lorbeerkranzgeschmücktes
Geisterhaupt herabzublicken;
Gleich als hätten es die Töne
Einer Tuba wach gerufen,
Schien es diesen jungen braunen
Kriegern mit der unbekannten
Feuerwaffe auf den Schultern
Seltsam staunend nachzuschauen.

Weiter ging der Marsch, vorüber
An des Palatinos Höhen.
Und dort oben in den Trümmern
Ward es schattenhaft lebendig,
Stieg ein graues Dunstgewebe,
Das begann sich zu verdichten,
Mit geheimnißvollem Gähren
Sich zu scheiden und zu sammeln,
Sich zu formen, bis mit einmal
Wunderbare Menschenbilder
Aus dem Flore sich enthüllten.

Stolze Stirnen wurden sichtbar,
Drüber goldne Diademe,
Von der Toga Pracht umfloss'ne
Majestätische Gestalten.
Und sie rührten sich und schwebten
Zu dem lichtern Vordergrunde
Oeffneten, sich schwer besinnend,
Schlafbedeckte dunkle Augen,
Blickten fragend nach dem fremden
Schauspiel an des Hügels Fuße.

Knaben hatten sich indessen
An die Schützen angeschlossen,
Liefen hintennach im Takte,
Bursche, Mädchen, Männer, Frauen
Blieben auf dem Wege stehen,
Und mit Eins aus vollen Kehlen
Stieg der Ausruf in die Lüfte:
Viva il regno d'Italia, viva
La risorta patria, viva
Nostro re galamuomo,
Re Vittor' Emanuele!

Mit gehobnen Brauen horchten
Vorgebeugt die Geisterwesen,
Ihre Stirnen, ihre Mienen
Wurden helle und sie winkten
Eins dem andern, ein bewegtes
Flüstern gieng durch ihre Reihen.
Flog wohl eine dunkle Ahnung,
Gieng wohl eine dunkle Kunde
Unter ihnen von dem Tage,
Wo im Fenerschlünde-Donner
Durch den Riß der Porta Pia
Einzog in die alte Hauptstadt,
Wo sich selbst und ihres Lebens
Mittelpunkt, ihr Herz im Busen
Nach der Zeiten langer Oede
Wiederfand Italia?

Doch ein breiter Schatten legt sich
Auf das Forum, auf den Hügel,
Auf des Kolosseums Massen.
Kalter Windhauch weht vom Tiber.
Schwer Gewölk ist aufgestiegen.
Drüben, wo Sankt Peters Kuppel
Ragt, da hebt sich's hoch und höher.
Und in Dunkel bang und bänger
Rückt's heran. Es zuckt, es leuchtet. –
Eine dreigekrönte spitze
Priestermitra seh' ich glänzen,
Flimmern aus dem finstern Qualme. –
Dumpfer Donner rollt herüber,
Schwere Regentropfen fallen,
Aber siehe, das Gewitter
Stockt nach wenigem Geräusche,
Es verweht sich, es versauset,
Noch ein Knall, und es verstummet
Und die Sonne sieget wieder. –
Die Gestalten auf der Höhe
Sehn einander an und lächeln,
Raunen wohl von Augurn etwas,
Welche schon zu ihren Zeiten
Nur noch Kindern bange machten.
Doch in den erfrischten Lüften,
In des Lichts erneuter Klarheit
Schwinden ihre Geisterglieder,
Schwimmen langsam mit dem Nebel,
Der dem Grünen nun entsteiget,
Aufgelöst in eins zusammen.

Fest gezeichnet, scharf umrissen,
Sicher des bestimmten Daseins
Steht die freie Tagwelt wieder
In des Südens herrlich goldner
Abendsonne. Dann entflammt sich
Aus dem Gold ein feierlicher
Hocherglühter Purpurmantel,
Legt sich wallend auf die Eb'ne,
Auf die Nähe, auf die Ferne,
Der Sabiner, der Albaner
Berge, Roma's alte Wiege.
Fernher tönet noch das Jauchzen,
Das Eh viva, Italia viva,
Fernher schmettern noch die Klänge
Der entschlossen Marschesweise
In die abendlichen Lüfte.


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