Friedrich Theodor Fischer
Lyrische Gänge
Friedrich Theodor Fischer

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Angst.

         

Warum denn dringt und dringet wieder
    Mir Todesangst durch Mark und Bein?
Was rieselt durch die starren Glieder
    Und schüttelt mich wie Fieberpein?

Hat alte Blutschuld eingeschrieben
    Mich einst in der Lebend'gen Buch?
Sind mir nicht rein die Hände blieben
    Von des Verbrechens ew'gem Fluch?

Verbirgt ein mörderischer Sünder
    Sich unter meiner Ahnen Zahl
Und schwingt auf Kind und Kindeskinder
    Ein zorn'ger Gott den Rachestrahl?

Nichts weiß ich von so dunklen Spuren,
    Von eigner fluchbelegter That,
Ich wandle durch des Lebens Fluren
    Schlicht wie ein Andrer meinen Pfad.

Hab' ich zu kühn nach hellem Wissen,
    Nach ungefärbtem Licht gestrebt,
Den Schleier allzukeck zerrissen,
    Der sich um Kinderaugen webt?

O nein, ich habe nie gezaget
    Vor dem Popanz der feigen Welt,
Ich hab' es immer drauf gewaget,
    Daß auch die Irmensäule fällt.

Warum denn dringt und dringet wieder
    Mir Todesangst durch Mark und Bein?
Was rieselt durch die starren Glieder
    Und schüttelt mich wie Fieberpein?

Es steht ein altes Wort geschrieben,
    Es schwebt mir vor. Wie heißt es nur?
Halbhell ist mir's im Geist geblieben,
    Mir klingt's wie: Angst der Kreatur.

Ja, das wird's sein! Ihr Athem bebet,
    Weil jeder Tag nur Schuldnerfrist,
Sie stirbt voraus, derweil sie lebet,
    Sie weiß: sie ist nicht, weil sie ist.

O, mög' es ein Gewitter enden!
    Um Sturm und Blitze fleht mein Schmerz,
O, send' ein Gott, die Angst zu wenden,
    Mir jähe Schrecken in das Herz!

Vor Geistern auf dem Schlachtfeld stehen,
    Das legt sich auf die Brust wie Blei;
Kann ich dem Feind in's Auge sehen,
    Wird wohl der Athem wieder frei.

Und schreitet er in Feindes-Reihen
    Voran, der gründlich stets verfuhr:
Es sei! Der Tod nur kann befreien
    Von aller Angst der Kreatur!


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