Friedrich Theodor Fischer
Lyrische Gänge
Friedrich Theodor Fischer

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Doris.

Ihre schönen Schuhe verblendeten ihn,
    ihre Schönheit fieng sein Herz, aber
    sie hieb ihm den Kopf ab.

Buch Judith 16, 11.


I.

           

Seit ich's gesehen, bin ich wie betrunken:
    Der schlanken Glieder federleichtes Schweben,
    Dieß Neigen, Beugen, liebliche sich Geben,
Durchblitzt bin ich von tausend Feuerfunken.

In Nichts ist aller andre Reiz versunken;
    Wenn Andre nach der Töne Takt sich heben,
    Die eingelernten Tanzeskreise weben,
Es scheint mir nur ein eitel mühsam Prunken.

Darf ich mit Dir im Fluge mich bewegen,
    Herz eng an Herz, von deinem Arm umschlungen,
    Sylphide du, im Elfenland geboren,

Wie klopft mein Puls von Freudefieberschlägen!
    Von neuem Leben bin ich ganz durchdrungen,
    Doch ach, den Kopf, den hab' ich ganz verloren.

 
II.

Der Judith Schuhe thaten's nicht alleine,
    Die Haube nicht, die Spangen nicht, die schönen,
    Sie tanzte dir zu Harf- und Cymbeltönen
Im Zelte vor im Lampendämmerscheine.

Da riefest du: bei Gott! so schön tanzt keine!
    Feldhauptmann du von Assur's wilden Söhnen,
    Dein Kopf begann zu drehen und zu dröhnen,
Betrunken wardst du nicht allein von Weine.

Du nicktest ein, da packt sie dich beim Schopfe
    Und holt ein Schwert, das Haupt dir abzuschlagen,
    Und haut – gilt mir's? mich faßt ein kalter Schauer –

Dann geht sie heim mit deinem armen Kopfe,
    In einem Sacke muß die Magd ihn tragen,
    Und schrecklich grinst er von Bethulia's Mauer.

 
III.

Wie schwach ist doch das Menschenvolk im Ganzen!
    So auch Herodes! Vor Herodias' Schlingen,
    Vor ihrer Füßchen zauberischem Schwingen,
Vor all der Reize Pfeilgeschoß und Lanzen

Wußt' er den Kopf so wenig zu verschanzen,
    Daß ihr's gelang und ihrem süßen Dringen,
    Ihm eine blut'ge Vollmacht zu entringen
Und so des Täufers Kopf hinwegzutanzen.

Zwei Köpfe denn! Der eine nur verblendet,
    Der andre fort, beseitigt, abgeschlagen!
    Haupt eines Fürsten, heilig Haupt das andre!

Ich, der ich eines nur daran gewendet,
    Was ist da viel zu schelten, zu verklagen,
    Wenn ich nun kopflos durch die Gassen wandre?

 
IV.

Wer seine Seele liebend hingegeben,
    Verdoppelt, sagt man, wird er sie gewinnen;
    In deiner Seele will ich denn beginnen
Den Schatz der meinen reicher nur zu heben.

Hell in die Augen strahlt dein Außenleben,
    Wo ist denn deine Seele nun da innen?
    Ich suche sie mit allen meinen Sinnen
Und mich befällt ein Schwanken und ein Schweben.

Ach, in die Glieder ist sie dir gefahren,
    In deinen Füßchen tanzt sie auf und nieder.
    Ein Irrlicht, Menschenkinder zu verhexen.

Wer seine Seele mocht' in dir verwahren,
    Als Erd-, als Luftgeist findet er sich wieder,
    Als Quellgeist, Salamander oder Fexen.

 
V.

Beschwerlich Uebel, schnödes Misbehagen
    War mir von jeher Alteration;
    Kaum trifft ein Schrecken mir den Nerv, und schon
Ist er mir in den Magen auch geschlagen.

Treulose Doris! die mit kaltem Hohn
    Die Zeit verleugnet, wo mit süßem Wagen
    Die Liebe uns zum Himmelreich getragen,
Ist alle Huld aus deiner Brust entflohn?

Nun denn! verlachst du meine düstern Klagen,
    Ist dieses Herz so hart wie Kieselstein,
    Entschlossen, meiner Seele Glück zu enden,

Läßt du dich nicht erweichen und nicht wenden,
    So habe doch, ich steh' in meiner Pein,
    Hab' Einsicht, schrecklich Weib, in meinen Magen!

 
VI.

Wohl mir! Ich werde frei, ich kann vergessen!
    Schon fühl' ich ein Verkühlen, ein Verwehen,
    Ein Weichen, ein Zerrinnen, ein Zergehen
Des Albdrucks, der so lange mich besessen.

Ich kann die Hebung daran schon ermessen,
    Daß meinem Gaumen, wie so lang geschehen,
    Nicht mehr des Koches Werke widerstehen:
Wohl mir! Ich kann gedeihlich wieder essen!

Nur fühl' ich öfters noch ein hörbar Knurren,
    Ein seltsam Kollern untenher vom Magen:
    Was kündet mir die tiefgeholte Mantik?

Nichts kündet sie; das unterird'sche Murren,
    Nur schöner Nachklang ist's von jenen Tagen,
    Nur zarter Rest entzückender Romantik.

 
VII.

Doch nein! Nicht so! Ich schließe nicht wie Heine!
    Nicht sei von uns das Spiel des Hohns gepflogen,
    Der zuckend reißt am Violinenbogen
Und frech zerkratzt die Melodie, die reine.

Seit ich um die Entfernte nicht mehr weine,
    Seit ganz die schwere Lösung ist vollzogen,
    Ward sie dem Auge, dem sie nie gelogen,
Zum Kunstwerk erst, zum reinen schönen Scheine.

Sie kommt wie jene reizenden Gestalten
    Im Geist zu mir, die in Pompeji's Hallen
    Auf dunklem Grunde farbenhell sich heben.

Sie tanzen; in bewegten, leichten Falten
    Sieht man das Kleid den schönen Leib umwallen –
    Wo bleibt der Boden? Schau! sie fliegen, schweben.


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