Ludwig Thoma
Altaich
Ludwig Thoma

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»Was sagst d' jetzt da dazua?« fragte Hansgirgl, der sich gleich, nachdem Wlazeck das Stübl verlassen hatte, aufrichtete und an den Tisch setzte.

»Was ko ma sag'n?« antwortete Martl. »Dena Luada fallet alle Tag was anders ei.«

»An Stutz möcht' er reit'n, und bal er'n krummb daher bracht, hätt' i 's G'frett. Daß an Posthalta nix G'scheidters ei'fallt?«

»Dem? Dös is aa 'r a Neumodischer wor'n.«

»Is ma da Stutz nach Liameß drei Wocha im Stall g'stand'n! Dös muaß do da Blenninga wiss'n...«

»Neumodisch is er wor'n mit lauta Summafrischla. Was sagt a net gestern zu mir? Daß si dös Berliner G'steck beschwert hätt' bei eahm, i hätt' ihre gelb'n Schuah mit da schwarz'n Wichsbürst'n aufg'arbet. Hätt' s' halt schwarze, wia's da Brauch is, dös Weibsbild, dös boanige!«

»Sei' tuat's was!« brummte Hansgirgl.

»Trink' aus, na laß ma 'r ins no a Maß kemma.«

Als er ans Fenster trat und dem Seppl pfiff, kam Fanny über den Hof.

»Is da Martl bei dir drin?« fragte sie.

»Ja.«

»Sei Wasch hätt' i.«

»Geh' eina damit!« rief Martl, und Fanny kam in die Stube.

»Drei Paar Söckeln, an Unterhos'n und zwoa Hemmada...«, zählte sie auf und legte die Wäsche aufs Bett.

»Dank' da schö; da hast a Halbi Bier«, sagte Martl, und schob ihr ein paar Nickelstücke über den Tisch hin.

Er merkte aber, daß sie verweinte Augen hatte, und weil er sie als ein richtiges Frauenzimmer leiden mochte, erkundigte er sich gutmütig.

»Was hast d' denn?«

»I? – Nix.«

«Für was hast nacha g'heant?«

»Ah! Was fallt da denn ei? I hab' do net g'woant. Ös waart's as scho wert?«

»Mir? Wußt net, daß mir dir was to hamm...«

»I sag' net vo dir. D' Mannsbilder überhaupts. Is oana so schlecht wia der ander...«

»So? Hat's was g'habt?«

»Was frag' denn i danach? I brauch' überhaupts koan...«

Aber wie sie es sagte, rollten ihr ein paar Tränen die Backen herunter, und sie hockte sich schluchzend auf den Bettrand.

»Was gibt's denn?« fragte Hansgirgl vom Fenster herüber.

»Woaß net«, antwortete Martl.

»Es san halt so Weibsbildag'schicht'n.«

»Ja... Weibsbildag'schicht'n...«, schluchzte Fanny. »Wann ma so an Mensch'n glaabt und a ganz Jahr mit eahm geht, und all's is eahm recht, und er gibt oan de schönst'n Wort, und auf oamal vergißt er all's, weil de breißische Bohnastang', de miserablige, mit eahm speanzelt... da ko ma was sag'n von an Charakta...«

»Ja... ja... so geht's auf da Welt«, sagte Martl, dem kein anderer Trost einfiel.

Hansgirgl schaute zum Fenster hinaus nach dem Seppl. Solche Sachen waren ihm zuwider.

Da sprang Fanny vom Bett auf und wischte sich die Tränen ab. »Vo mir aus lafft er dera Heugeig'n nach. I lach' ja dazua! Aba wenn s' furt is, und er moant, er kannt wieda schö toa mit mir, na sag' i 's eahm, was er is... So a gemeina Mensch! Überhaupts a Mannsbild is was gräuslich's!«

Damit lief sie hinaus und ließ ihr Trinkgeld liegen.

Martl nahm es und legte es bedächtig in seinen Zugbeutel zurück.

Hansgirgl stellte die frische Maß auf den Tisch und setzte sich.

»Was is denn mit dera?« fragte er.

»De Berlinerin hat ihr ihran Schatz ausg'spannt.«

»Auweh! Da wern s' belzi, d' Weibaleut.«

»Da Schlosser Xaverl is, da G'sell vom Hallberger. Der hat 's jetzt mit dera Breißischen...«

»Mit dera langg'stackelt'n?«

»Ja... mit de gelb'n Schuah...«

Hansgirgl schaute tiefsinnig in den Maßkrug und trank.

»Dös best' is«, sagte er... »bal ma sein Ruah hat von de Weibsbilda...«

»Magst d' as aa net, gel?« fragte Martl.

»Jetza nimma. Aba früherszeit'n hat's mi umtrieb'n. Was i z'weg'n dena Malafizkramp'n a Schläg' kriagt hab', da ko'st da nix denga!«

»Geh?«

»An öft'n bin i hoamg'scheitelt wor'n, bei jeda zwoat'n Tanzmusi hon i g'rafft, 's G'wand hamm s' ma z'riss'n, Löcha hon i im Kopf g'habt, und all's z'weg'n dena Saggeramentsweibsbilda...«

Martl, der seinen Freund immer bewunderte, schaute ihn erstaunt an.

»Dös hätt' i gar net glaabt vo dir...«

»Ah, mei Liaba! Mi hat's schiach umtrieb'n.«

»Geh? Jetzt i ho mi ganz weni bekümmert um d' Weibaleut.«

»Dös is halt vaschied'n. Bal oan dös ins Bluat ei'g'schoss'n is, ko ma nix macha, Oft oan rührt's gar net o, und an andern laßt's koa Ruah. Da muaßt ans Kammafensta, ob 's d' magst oda net, und bal 's d' aa woaßt, daß dir oa aufpass'n, und daß d' Schläg' kriagst, es helft da nix. Wia 's Nacht werd, laffst do wieda zuawi...«

»Da hon i nia nix g'spürt«, sagte Martl. »Plagt hon i mi übahaupts net um a Weibsbild. Waar ma scho g'nua g'wen!«

»Sei froh! Dös sell is a hart's Leb'n. Dei Arwat beim Tag muaßt do macha, sinscht valierst dein Platz, und bei da Nacht umanand gambs'n, da kimmt oana oba...«

Hansgirgl sagte es ernst; ganz so, als wenn er von einer schweren Krankheit erzählte.

Und Martl schob ihm mitfühlend den Maßkrug hin, damit er sich nachträglich stärken sollte.

»Hat's di lang g'habt?« fragte er.

»Bis in die Dreißgi eini. Nacha hat si de Hitz' g'legt.«

»Aba jetzt g'spürst d' nix mehr?«

»Na, mei Liaba! Jetza is zuadraht. Jetza schaug i 's gar nimma o, de Malafizkrampna, de vadächtig'n...«

* * *

Stine Jeep saß unter den großen Kastanien am Ende der Kirchgasse und schaute ins Tal hinunter, das in tiefer Dämmerung lag. Ein leichtes Rauschen kam näher, und da schüttelte auch schon der Abendwind die Blätter über ihr, und sie schlang fröstelnd ihr Tuch um die Schultern.

Jemand kam näher und pfiff einen altbayrischen Schleifer. »Xa-veer?«

»Jawoi! Grüaß di Good, G'schmacherl.«

»Ochott, ich hätte nu beinah nich kommen können. Das ordinäre Mädchen s...spioniert doch im Hause herum und s...steht vor meinem Zimmer, und wenn ich die Türe aufklinke, s...steht sie vor mir und sieht mich zornig an...«

So sind die Männer!

Xaver litt es ohne Widerspruch, daß Fanny als das ordinäre Mädchen bezeichnet wurde.

»Was will denn de damische Lall'n?« fragte er.

»Sie kann sich nu mal nich ans...ständig benehmen. Das sah ich schon gleich am ersten Tage, aber nu ist sie ganz unauss...stehlich. Vielleicht hast du ihr schöne Worte gegeben, und sie ist nu eifersüchtig?«

»Ah, was glaabst denn? De hab' i do überhaupts net o'g'schaugt...«

»Vielleicht hast du...«

»Nix hab' i, bal a da 's sag...«

Xaver nahm Stine um die Mitte, und indem er mit einem derben Griffe ihren Kopf festhielt, schmatzte er ihr etliche Küsse auf.

»Och neun – Xaver! Du mußt mich nich so am Kinn fassen... Da habe ich immer schwarze Flecken vom Eisens...staub...«

»Dafür bist d' da Schatz von an Schlossa...«

»Das sagst du nu so... ich bin dein Schatz. Aber wenn ich fort bin, denkst du nich 'n lütten Augenblick an mich...«

»Allawei denk' i an di...«

»Du mußt mir auch jeden Tag eine Postkarte schreiben.«

»Jed'n Tag?... Also... is recht! Nacha schreib i dir jed'n Tag. Aba jetzt genga ma an Berg abi. Da herob'n kunnt wer daher kemma.«

Sie gingen eng verschlungen den Weg hinunter, und wo es dunkler und heimlicher wurde, ließ sich Stine Jeep schwarze Flecken am Kinn und auch sonst wo Quetschungen gefallen.

»Ooch neun!« sagte sie aber, »du darfst nich denken, ich bin wie die Mädchen hierzulande. Die s...stehen doch auf einer so niedern Bildungss...stufe!«

»Da hock di her auf d' Bank, du Gschoserl, du liabs!«

»Xa-veer!«

»An ganz'n Tag hon i Zeitlang g'habt nach dir. Allaweil hon i denkt, wenn 's no scho Feierabend waar! Hast d' aa 'r an mi denkt, du Mollete?«

»Och... wie du s...sprichst!«

»I sag da 's pfeigrad, so hat ma no koani g'fall'n als wia du.«

»Du darfst mich aber nich verwechseln mit den Mädchen hierzulande!«

»I vawechsel di scho net...«

So wie Stine ihren Mund frei hatte, wollte sie immer wieder ihre bessere Art beweisen.

»Die Mädchen hier sind so leichtsinnig«, sagte sie. »Die denken sich gar nichts bei, wenn sie in Schande kommen. Ochott, wenn ich denke, wenn das bei uns geschieht! Rieke Petersen, die mit Schmitts Karl ging, bekam ein Kind. Da war Unglück im Hause, das kann ich dir nur sagen.«

»Is aa z'wider...«

»Aber die Mädchen hier denken sich gar nichts bei...«

»Ja – mei!«

»Wenn ich denke, wie doch meine Mutter s...strenge mit uns war! Ich durfte nich auf der Straße mit den Jungens tollen. Gleich kam sie und rief immerzu: ›Stinchen!... Stinchen! Nich so wild!‹ Da wurde man doch ganz anders erzogen...«

Xaver hörte unter der Haselnußstaude nicht auf die Stimme der Bildung. Er war so keck und siegermäßig, daß auch das Mädchen von dortzulande liebreich wurde.

Auf dem Heimweg hing es sich in den Arm des Trauten und redete vernünftig darüber, wann und wo man wieder Gelegenheit finden könne, so leichtsinnig zu sein, wie die Mädchen hierzulande.

Viele Frösche quakten hinter ihnen her, und in den Büschen hinter der Mühle lachte ein Waldkauz.


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