Ludwig Thoma
Altaich
Ludwig Thoma

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Und nunmehr stand sie als Mizzi Spera vor ihrer überraschten Mutter, die durch so viel Vornehmheit beinahe befangen wurde.

»Ja, so was! Daß du auf oamal kummst und hast gar nix g'schrieb'n!«

Marie sagte, daß sie in künstlerischen Angelegenheiten nach München habe reisen müssen, und da habe es ihr gerade gepaßt, sich wieder einmal daheim umzuschauen...

»Dös is aber g'scheidt! Und der Vater werd schaug'n. Wart', i hol'n glei aus der Werkstatt...«

»Pressiert nich. Ich glaube, er ist immer noch eingeschnappt, weil ich zur Bühne gegangen bin, und dann wollen doch wir uns erst mal aussprech'n...«

»Na, die Sprach! Wer di hört, glaubt seiner Lebtag net, daß du a hiesige bist.«

»Bin ich auch nich.«

»Ich mein', hier geboren. Jessas na! Dös schöne Kleid! Und de Schucherln! Madel, wer hätt' si dös amal denkt!«

Die Hallbergerin kriegte es aber erst mit dem Wundern, wie der Koffer kam. Spitzenhöschen und Seidenstrümpfe und Hemden, so dünn, wie feines Papier, und andere Dinge, die noch keine Schlossermeisterin gesehen hatte. Da kriegte man einen Begriff, wie nobel das Madel geworden war. Und was es obendrein erzählte von seinen Triumphen, und von Baronen und Grafen, mit denen es umging wie mit seinesgleichen.

»Na, so was! Aber jetzt müaß ma do zum Vater in d'Werkstatt nunter, sunst verdriaßt's 'n gar z' stark. Es is a so oft nimmer zum Aushalt'n damit. Allaweil schimpft er, allawell fangt er auf a neu's o, wia ma sei Kind aus 'n Haus lass'n ko, anstatt daß ma's zu der Arbet aufziagt. I derf red'n, was i mag, und wann i hundertmal sag, daß du dei Glück g'macht hast, oder wenn i eahm de Zeitunga gib, de du gschickt hast, es hilft nix. Und Redensart'n hat er; ma moant, ma hört denselbigen grob'n Mangold red'n, der amal bei uns war. Er gang am liabern nimmer ins Wirtshaus, sagt er, weil 'n d' Leut nach dir frag'n. Und dahoam fangt er selm o. Neuli is er vor deiner Fotografie g'stand'n, woaßt scho, de, wos d' als Firmling drauf bist, und auf oamal hat er si fuchsteufelswild umdraht und hat mir de gröbst'n Nama geb'n... i möchts gar net sag'n, was für oa... Aber jetz mach, mir müass'n nunter...«

Es gab viel Aufsehen in der Werkstatt, als Mizzi Spera hinter der Hallbergerin eintrat.

Der Alte stand am Amboß und schlug auf ein glühendes Stück Eisen los, daß die Funken sprühten.

Xaver war am Feuer, und der Lehrbub trat den Blasbalg.

»Vater«, sagte die Hallbergerin, »da is an Überraschung. Kennst a s'net?«

Sie deutete auf Marie, die näher kam.

Dem Alten stieg eine dunkle Röte ins Gesicht.

»Du?« fragte er.

Dann legte er den Hammer weg und steckte das Eisen in einen Wasserkübel. Er wollte noch etwas sagen, aber da fiel ihm ein, daß sie Zuschauer hatten.

Er band sich den Lederschurz los.

»Geht's in d'Wohnung nauf! I kimm nach.«

Seine Augen blickten nicht freundlich. Hätte er noch das Stück Eisen in der Hand gehabt, dann wäre es dem vornehmen Hündchen Fifi schlecht gegangen.

Es schien beleidigt zu sein durch den Geruch von Ruß und Eisenstaub und kläffte den ordinären Schlosser wütend an.

Marie rief ihn mit Kommandostimme zu sich. Sie gab sich recht herrisch, um auf den saubern Gesellen, der sie unbekümmert ansah, einen stattlichen Eindruck zu machen. Dann verließ sie mit der Mutter die Werkstatt.

Hallberger räusperte sich etliche Male, denn der Kehlkopf war ihm trocken geworden, und schaffte dem Xaver allerhand an. Dann ging er.

Der Lehrbub schaute ihm nach und wollte ein Gespräch haben.

»Ah Herrschaft! Was is denn dös für oane g'wen?« fragte er und verzog das verrußte Gesicht zum Lachen.

Aber Xaver litt keine Vertraulichkeit.

»Dös geht di wenig o«, sagte er barsch. »Tua dei Arwat, Saubua nixiger!«

Und während er in einer Kiste herumkramte, um sich eine passende Schraubenmutter zu suchen, brummte er vor sich hin:

»Dös waar amal des richtige G'schoß...«

* * *

In der Wohnstube traf Hallberger nur die Alte.

»Wos is 'n de ander?« fragte er barsch.

»In ihran Zimma halt; sie werd si umzieahgn.«

»So? In ihr'n Zimma? Hängt a Spiegel drin?«

»Du fragst aba g'spassi...«

»I moan g'rad, daß sie si neischaug'n ko und vielleicht a Bild damit vagleicht von da Kinderzeit...«

»Geh! Was hast denn?«

»M-hm. Du siechst freili nix...«

»Was soll i denn sehg'n? Daß s' a saubers Madel wor'n is?«

»Sauber? De kimmt dir sauber vor? Wia s' in der Werkstatt drin g'stand'n is, war's net anderst, als wenn s' aus an Zigeunawag'n rausg'stieg'n waar. So herg'laff'n, so... ah! I hab' gmoant, i muaß mi vaschliaff'n...«

»Jetzt du!«

»Is anderst? freili, du hast koane Aug'n für dös! Sunst waar's net so weit kemma...«

»Was is kemma? Is dös an Unglück, daß s' a Künstlerin worn is? Und hast as net selber scho g'les'n, wia s' g'lobt werd in de Zeitunga?«

»Laß mi mit dem in Ruah! Gel? I hab' Aug'n im Kopf und i woaß, was i siech...«

»Du werst as kaam bessa vasteh als wia de Zeitunga!«

»Waar s' dahoam blieb'n; brav, lusti, fleißi, hätt' s' g'heirat, hätt' s' Kinda, da brauchet nix in der Zeitung steh'. Auf dös Lob kunnt'n mir verzicht'n, aber glückli waar'n ma alle mitanand und...«

»Bst! Schrei net a so! Sie kimmt.«

Marie trat ein und ging auf den Vater zu, um ihm die Hand zu reichen.

Der Alte vergrub die seinige in der Joppentasche und schaute der Tochter ins Gesicht.

Ernst und forschend.

Es war, als suchte er etwas, und er schien es nicht zu finden, denn seine Züge verrieten eine tiefe Trauer.

Seine Stimme klang rauh, als er fragte:

»Was verschafft uns eigentli die hohe Ehr'?«

Mizzi Spera war schockiert über diese Behandlung. Glaubte man, einen Kabarettstern in diesem Neste schlecht behandeln zu dürfen? Nee! Nich in die la mäng!

Sie zog die Achseln hoch und sagte:

»Ich wollte euch besuchen, aber wenn ich hier nich angenehm bin...«

»Geh, Madel, was hast denn? Geh, Vater, sei do net a so...!«

Die Hallbergerin beschwichtigte nach beiden Seiten hin.

»Sie hat halt wieder amal nach uns schaug'n woll'n«, sagte sie.

»Ah so? Wia's mir geht? Dank der Nachfrag', ausgezeichnet. Wie's halt an Vater geht, der a solchene Freud dalebt am oanzig'n Kind. Kunnt ma gar net besser geh'...«

Der Alte stellte sich ans Fenster und trommelte an die Scheiben.

Mizzi Spera, der die Mutter begütigend zuwinkte, setzte sich schmollend aufs Kanapee und gab sich mit Fifi ab.

»Viens donc ici! Mach schön!«

Sie beherrschte mit großer Sicherheit die Situation.

»Erzähl' do an Vater, was der Graf neuling zu dir g'sagt hat!« bat die Hallbergerin.

»Was für n' Graf? Fifi! Is mein Hundchen artig?«

»No derselbige, wo dir a Bukett g'schickt hat...«

»Mir haben schon viele Grafen Buketts geschickt...«

Hallberger drehte sich um und schaute das begehrenswerte Geschöpf an, das einmal als harmloses Kind in dieser Stube gespielt hatte.

Ein dummes Weibsbild mit ausgebranntem Herzen hockte dort und kam sich in dieser kleinen Welt recht bedeutend vor.

Und nun holte es aus einer Ledertasche Puderbüchse und Spiegel und fuhr sich mit einer Quaste über Nase und Wangen und beschaute sein Bild.

Der Alte gab sich einen Ruck und ging zur Türe.

»I geh ins Wirtshaus. Brauchst ma nix herricht'n zum Ess'n... i kimm net hoam«, sagte er und schlug die Türe hinter sich zu.

»So is er die ganze Zeit«, seufzte die Schlosserin. »Ma ko mit eahm überhaupts nimma dischkrier'n.«

»Laß ihn doch. Ich kann gerne wieder gehen, wenn ich hier nich angenehm bin...«

»Was red'st denn, Madel? I sag' dir ja, er is überhaupts a so. De ganz Zeit her; net erst weil du da bist. I glaab, daß eahm gewisse Leut was ei'red'n. I kenn s' scho, de sell'n, dena da Neid koa Ruah laßt, und vo dem G'red stammt si sei schlechter Humor her...«

»In Gegenwart von Damen läßt man sich aber nich in der Weise gehen. Finde ich wenigstens...«

»Ärger di net, Madel. Er moant's net a so...«

»Ich bin den Ton nich gewöhnt«, sagte Mizzi Spera und steckte Puderbüchse, Spiegel und Quaste in die Tasche zurück.

Sie sah dabei so vornehm und abweisend mit halbgeschlossenen Augen um sich, daß ihre Mutter sie aufrichtig bewundern mußte.


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