William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
William Shakespeare

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Siebender Auftritt.

Albanien (zum Herold.)
Hieher, Herold, laß die Trompete schallen, und ließ dieses ab.

(Ein Trompeten-Stoß. Der Herold ließt.)

Herold. Wenn irgend ein Mann von Ritterlichem Stand und Würde unter diesem Heer gegen Edmund anmaßlichen Grafen von Gloster behaupten will, daß er ein vielfacher Verräther ist, der erscheine bey dem dritten Trompeten-Stoß; er steht fertig, sich zu vertheidigen.

1. Trompeter.

Herold. Abermal!

2. Trompeter.

Herold. Zum drittenmal.

3. Trompeter.

(Eine Trompete antwortet von innen.)
Edgar, tritt bewafnet auf.

Albanien. Frag ihn sein Vorhaben, warum er auf diesen Ruf der Trompete erscheint?

Herold. Wer bist du? Was ist dein Name und dein Stand? Und warum antwortest du auf diese Ausforderung?

Edgar. Wisse, meinen Namen habe ich durch den giftigen Zahn der Verrätherey verlohren; dennoch bin ich so edel als der Gegner, mit dem ich es aufnehmen will.

Albanien. Wer ist dieser Gegner?

Edgar. Wer ist der, der für Edmund Grafen von Gloster das Wort führt?

Edmund. Er selbst; was hast du ihm zu sagen?

Edgar. Zieh deinen Degen, damit wenn meine Rede ein edles Herz beleidigt, dein Arm dir Recht verschaffen könne. Hier ist der meine. Ich thue, was mein ritterlicher Stand, mein Eyd und mein Beruf von mir fordern. Deiner Stärke, Ehren-Stelle, Jugend und Würde ungeachtet, troz deinem siegreichen Schwerdt und deinem nagelneuen Glük, behaupte ich daß du ein Verräther bist, treuloß gegen die Götter, deinen Vater und deinen Bruder, verschworen wider diesen hohen ruhmwürdigen Fürsten, und von dem äussersten Wirbel deines Hauptes bis zu dem Staub an deiner Fußsole, durchaus ein Kröten-flekichter Verräther. Sagst du, nein, so ist dieses Schwerdt und dieser Arm gezükt, und meine besten Lebensgeister gesammelt, es auf dein Herz, zu dem ich rede, zu beweisen, daß du lügst.

Edmund. Die Klugheit erforderte nach deinem Namen zu fragen; jedoch, da dein Ansehen so schön und ritterlich ist, und in deiner Sprache ein Ton von Erziehung athmet, so verachte ich die Bedenklichkeiten, wodurch ich nach den Gesezen der Ritterschaft deine Ausforderung ablehnen könnte. Ich schleudre also alle diese Verräthereyen auf dein Haupt zurük, und überwälze mit denen hölle-verhaßten Lügen dein Herz, durch welches ihnen dieses mein Schwerdt einen Weg machen soll, wo du auf ewig ruhen sollst.Dieses Nonsensicalische Gewäsche hat man beynahe so verworren, als es im Original ist, zu einer Probe stehen lassen wollen, von einer dem Shakespear sehr gewöhnlichen Untugend, seine Gedanken nur halb auszudrüken, übel-passende Metaphern durcheinander zu werffen, und sich von allen Regeln der Grammatik zu dispensieren. Trompeten, redet!

(Die Trompeten erschallen. Sie fechten.)

Gonerill. O rettet ihn, rettet ihn; diß ist ein angestelltes Spiel, Gloster: Nach den Gesezen des Zweykampfs warst du nicht verbunden einem unbekannten Gegner zu antworten; du bist nicht überwunden, sondern betrogen.

Albanien. Schließt euern Mund, Dame, oder ich will ihn mit diesem Papier stopfen – – Du ärgstes unter allen Dingen, ließ deine eigne Schande – – Es nüzt nichts, es zu zerreissen, Lady; ich merke ihr kennt es.

Gonerill. Sag, ob ich es kenne; die Geseze sind mein, nicht dein; wer kan mich dafür zu Rede stellen?

Albanien. Ungeheuer, kennst du dieses Papier?

Gonerill. Fragt mich nicht, was ich kenne – –

(Gonerill geht ab.)

Albanien (zu einem Hofbedienten.)
Geht ihr nach sie ist in Verzweiflung, habt Acht auf sie.


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