William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
William Shakespeare

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Fünfzehnter Auftritt.

Zu ihnen, der Herzog von Albanien.

Lear. Weh dem, den zu spät die Reue trift! O Sir! seyd ihr gekommen? Ist es euer Wille, sprecht, Sir? laßt meine Pferde bereit halten – – Undankbarkeit! du marmorherziger Teufel; scheußlicher wenn du dich in einem Kind zeigst, als in einem Meer-Ungeheuer.

Albanien. Ich bitte, Sir, seyn Sie geduldig.

Lear (zu Gonerill).
Verdammter Habicht! Du lügst! Mein Gefolge sind ausgesuchte Leute, von den seltensten Gaben, die alles kennen, was die Pflicht von einem Ritter fordert, und die den Adel ihrer Namen in allen Stüken behaupten – – O sehr kleiner Fehler! Wie häßlich schienst du an Cordelia! da du, gleich einem Hebel, meine ganze Natur aus ihrer gewohnten Stellung hubst, und alle Liebe aus meinem Herzen zogst, und zu Galle machtest – – O Lear, Lear, Lear! Schlag an diese Thür,
    (Er schlägt sich an den Kopf.)
die deine Thorheit ein- und deine Vernunft ausließ – Geht, geht, meine Leute.

Albanien. Mylord, ich bin so unschuldig, daß ich nicht einmal weiß, was euch in diesen Unwillen gesezt hat.

Lear. Es mag so seyn, Mylord – – – – Höre mich, Natur, theure Göttin, höre einen Vater! Hemme deinen Vorsaz, wenn er war, diß Geschöpf fruchtbar zu machen. Banne Unfruchtbarkeit in ihre Schooß, trokne die Werkzeuge der Vermehrung in ihr auf, und laß niemals aus diesem geschändeten Leib einen Säugling entspringen, der ihr Ehre mache. Muß sie aber gebähren, so erschaff ihr Kind aus Galle, und laß es leben, sie ohne Rast mit unnatürlicher Bosheit zu peinigen; laß es Runzeln in ihre junge Stirne graben, und mit glühenden Thränen Canäle in ihre Wangen äzen; laß es alle ihre Mutter-Schmerzen, mit Hohngelächter, alle ihre Wohlthaten mit Verachtung erwiedern; damit sie fühle, wie viel schärfer als einer Schlange Biß es ist, ein undankbares Kind zu haben! Geht, geht, meine Leute!

Albanien. Nun, ihr Götter, die wir anbeten, woher kommt diß!

Gonerill. Bekümmert euch nicht, es zu wissen, sondern laßt seinem Wahnwiz freyen Lauf – –

Lear. Was? Fünfzig von meinem Gefolge auf einen Streich! – – Innerhalb vierzehn Tagen! – –

Albanien. Was ist denn die Sache, Mylord?

Lear. Ich will dir's sagen – – Leben und Tod! – – (zu Gonerill) ich schäme mich, daß du Macht hast meine Mannheit also zu erschüttern! – – O! daß diese heissen Thränen, die mit Gewalt aus meinen Augen brechen, dich ihrer würdig machen könnten – – Stürme und Wetter über dich! daß nichts dich gegen die unheilbaren Wunden des Fluchs eines Vaters schüze! – – Ihr alten unmännlichen Augen, weint ihr schon wieder? Ich will euch ausreissen und wegwerffen, um mit dem Wasser das ihr verliehrt, Leim zu waschen. Ha! ist es dazu gekommen! So sey es dann: Ich habe eine andre Tochter, die, wie ich gewiß bin, zärtlich und hülfreich ist; wenn sie diß von dir hören wird, sie wird dein wolfisches Gesicht mit ihren Nägeln zerkrazen; du sollt finden, daß ich die Gestalt wieder annehmen werde, die ich, deiner Einbildung nach, auf ewig abgelegt habe.

(Lear und Gefolge gehen ab.)


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