William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
William Shakespeare

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Zwölfter Auftritt.

Gonerill tritt auf.

Lear. Wer legte meinen Diener in den Stok? Regan, ich habe gute Hoffnung, du wußtest nichts davon – – Wer kömmt hier? O ihr Himmel! wenn ihr alte Leute liebet, wenn eure sanfte väterliche Regierung den Gehorsam heiliget, wenn ihr selbst alt seyd,König Lear deutet hier auf die alte heidnische Theologie, welche lehrt, daß Coelus oder Uranus (der Himmel) von seinem Sohn Saturnus abgesezt worden, der sich wider seinen alten Vater auflehnte, und ihn durch Gewalt der Waffen austrieb. Da sein Fall demjenigen, worinn Lear sich befindet, so ähnlich war, so war es natürlich, sich bey diesem Anlas an ihn zu wenden. so macht meine Sache zur eurigen, sendet herab und nehmet meine Partey! Schämt euch nicht, auf diesen eisgrauen Bart zu sehen – – O Regan, du nimmst sie bey der Hand?

Gonerill. Und warum nicht bey der Hand, Sir? Was hab ich gesündiget? Nicht alles ist Verbrechen, was Unbesonnenheit tadelt, und Aberwiz so benennt.

Lear. O! meine Seiten! ihr seyd zu hart! Könnt ihr noch halten? – – Wie kam mein Mann in den Stok?

Cornwall. Ich ließ ihn hineinsezen, Sir; aber seine unordentliche Aufführung verdiente eine noch geringere Beförderung.

Lear. Ihr? Ihr thatet es?

Regan. Ich bitte euch, Vater, erkennet doch eure Schwäche – – Wenn ihr bis zum Verfluß ihres Monats mit meiner Schwester wieder umkehren, und mit Abdankung der Helfte euers Gefolges, bey ihr wohnen wollet, so kommet dann zu mir. Izt bin ich nicht zu Hause, und nicht mit so vielem versehen, als zu eurer Unterhaltung nöthig ist.

Lear. Zu ihr zurük kehren, und fünfzig Mann abdanken? Nein, eher will ich allen Aufenthalt unter einem Dach abschwören, lieber gegen die Anfälle der Luft kämpfen, und ein Geselle des Wolfs und der Eule seyn; so grausam auch ein solcher Zustand ist – – Mit ihr zurük kehren? Eben so leicht könnte ich dazu gebracht werden, vor den Thron des feurigen Franzosen, der unsre Jüngste ohne Erbgut nahm, niederzuknien, und wie ein armer Schildknappe um eine Ritterzehrung zu betteln – – Mit ihr zurük kehren? Ueberrede mich lieber ein Sclav und Karren-Gaul von diesem verfluchten Hofschranzen zu seyn. – –

(Er deutet auf den Hofmeister.)

Gonerill. Es steht in euerm Belieben, Sir.

Lear. Ich bitte dich, Tochter, treib mich nicht zum Wahnwiz. Ich will dich nicht beunruhigen, mein Kind. Lebe wohl! Wir wollen nicht mehr zusammen kommen, einander nicht mehr sehen. Aber du bist doch mein Fleisch, mein Blut, meine Tochter – – oder vielmehr ein Schaden der in meinem Fleisch ist, und den ich wider Willen mein nennen muß; du bist ein Geschwär, eine Pestbeule, eine aufgeschwollene Blatter in meinem vergifteten Blute. Doch ich will dich nicht schelten. Die Schaam mag kommen wenn sie will, ich ruffe ihr nicht; ich bitte den Donnerer nicht, dich zu schlagen, und erzähle dem allesrichtenden Jupiter keine Geschichten von dir: Bessre dich wenn du kanst, und wenn es dir gelegen ist. Ich kan Geduld haben, ich kan bey Regan bleiben, ich und meine hundert Ritter.

Regan. Nicht vollkommen so; ich habe izt nicht für euch gesorgt, ich bin nicht darauf versehen, euch gehörig zu empfangen; gebt meiner Schwester Gehör. Leute die mit Passionen urtheilen, könnten sich begnügen zu denken, ihr seyd alt, und so – – Aber sie weiß, was sie thut.

Lear. Ist das wohl gesprochen?

Regan. Ich darf es behaupten, Sir. Was? fünfzig Begleiter? Ist es nicht genug? Wozu braucht ihr mehr? Ja, wozu so viele? Da beydes, Ueberlast und Gefahr, gegen eine so grosse Anzahl reden. Wie könnten so viel Leute in einem Hause unter zweyerley Befehl Friede halten? Es ist schwer, es ist ganz unmöglich.

Gonerill. Könntet Ihr, Mylord, dann nicht von unsern Bedienten zugleich bedient werden?

Regan. Warum nicht, Mylord – – wenn sie alsdann etwann saumselig seyn sollten, so könnten wir sie zur Gebühr weisen. Wenn Ihr zu mir kommen wollet, (denn nun merke ich, was die Sache auf sich hat,) so bitte ich nicht mehr als fünf und zwanzig mitzubringen; denn ich werde nicht mehr als fünf und zwanzigen Plaz und Versorgung geben.

Lear. Ich gab euch alles – –

Regan. Und ihr gabet es zu rechter Zeit.

Lear. Machte euch zu meinen Beschirmern, meinen Pflegern, mit dem einzigen Vorbehalt einer solchen Anzahl; muß ich mit fünf und zwanzig zu euch kommen? Regan, sagtet ihr so?

Regan. Und sag es noch einmal, Mylord, ich werde nicht mehr aufnehmen.

Lear. Diese runzlichten Geschöpfe sehen doch noch ganz hübsch aus, wenn sie neben andern stehen, die noch runzlichter sind. Nicht der schlimmste zu seyn, verdient einigen Grad von Lob; (zu Gonerill) ich will mit dir gehen, deine Fünfzig sind doch noch einmal so viel als fünf und zwanzig, und du liebst mich um die Helfte nicht so wenig als sie.

Gonerill. Höret mich, Mylord, wozu braucht ihr fünf und zwanzig, zehen oder fünf, euch in ein Haus zu folgen, wo zweymal so viel Befehl haben, euch aufzuwarten?

Regan.Wozu braucht ihr nur einen einzigen?

Lear. O! philosophiert nicht über das was man nicht braucht, oder die elendesten Bettler haben in ihrer grösten Dürftigkeit noch Ueberfluß. Gestehet der Natur nicht mehr zu, als die Natur bedarf, so ist des Menschen Leben so wohlfeil als des Viehes. Du bist eine Lady; wenn warm gekleidet gehen schon Pracht ist, so wirf deine Kleider weg, die Natur bedarf nicht was du zur Pracht trägst, da es dich schwerlich warm halten kan; aber was die wahre Nothdurft betrift – Ihr Himmel! Gebt mir die Geduld die ich vonnöthen habe. Ihr seht mich hier, ihr Götter, einen armen alten Mann, von Gram so gedrükt als von Jahren: Wenn ihr es seyd, die dieser Töchter Herzen wider ihren Vater empören – – o so treibet euer grausames Spiel nicht so weit, mich zahm wie einen Thoren dulden zu machen. Rühret mich mit edelm Zorn! o laßt nicht weibische Waffen, Wassertropfen, meine männliche Wange befleken! – – Nein! Ihr unnatürlichen Unholden, ich will solche Raache an euch beyden nehmen, daß alle Welt – – ich will solche Dinge thun – – die meine Seele sich selbst noch nicht gestehen darf

        –         –         –         Nescio quid ferox
Decrevit animus intus & nondum sibi audet fateri.
Seneca in Med.
– – Dinge, worüber der Erdboden sich entsezen soll. – – Ihr denkt, ich soll weinen? Nein, ich will nicht weinen – – ob ich gleich Ursache genug zum Weinen habe. – – Eh soll diß Herz in tausend Stüke brechen eh ich weinen will – – O Narr, ich werde wahnsinnig werden – –

(Lear, Gloster, Kent und Narr gehen ab.)


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