William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
William Shakespeare

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Eilfter Auftritt.

Cornwall, Regan, Gloster und Bediente, zu den vorigen.

Lear. Ich wünsche euch beyden einen guten Morgen.

Cornwall. Euer Gnaden sind willkommen.

(Kent wird losgemacht.)

Regan. Ich bin erfreut Eu. Hoheit zu sehen.

Lear. Regan, ich denke, ihr seyd es, ich weiß die Ursachen warum ich es denke; wenn du nicht erfreut wärest, ich wollte mich im Grab von deiner Mutter als einer Ehebrecherin scheiden.
    Zu Kent.
O! seid ihr frey? Ein andermal hievon. Geliebte Regan, deine Schwester ist nichts: O Regan, sie hat ihre Undankbarkeit gleich einem Geyer hier (er zeigt auf sein Herz) angefesselt, an meinem Herzen zu nagen. Ich kan kaum mit dir reden; du kanst nicht glauben, mit was für einer ausgearteten Bosheit – – o Regan! – –

Regan. Ich bitte euch, Mylord, habet Geduld; ich hoffe, ihr wisset weniger ihren Werth zu schäzen, als sie ihre Pflicht zu vergessen.

Lear. Sagst du? Wie ist das?

Regan. Ich kan nicht denken, meine Schwester sollte nur im mindesten ihre Schuldigkeit beyseite sezen. Wenn sie vielleicht die Ausschweiffungen eurer Begleiter eingeschränkt hat, so geschah es aus solch einem Grund, und zu einem so heilsamen Zwek, daß sie gegen allem Tadel gesichert ist.

Lear. Meine Flüche über sie! – –

Regan. O Sir, ihr seyd alt, die Natur steht bey euch auf der äussersten Grenze ihres Gebiets. Ihr solltet euch durch einen Verstand leiten lassen, der besser zu unterscheiden wüßte was euch anständig ist, als ihr selbst; ich bitte euch also, Mylord, kehret zu meiner Schwester zurük, sagt, ihr habet ihr Unrecht gethan – –

Lear. Sie um Verzeihung zu bitten? Merkt ihr auch, wie wol sich das schiken wird? Liebste Tochter, ich bekenne daß ich alt bin, Alter ist unvermöglich, ich bitte dich auf meinen Knien, daß du mir Kleider, Unterhalt und Bette zukommen lassen wollest.

Regan. O Sir, nichts weiter; das sind Launen, die nicht auszustehen sind; kehret ihr zu meiner Schwester zurük.

Lear. Nimmermehr, Regan. Sie hat mich um die Helfte meines Gefolgs geschwächt, mich mit schwarzen Bliken angesehen, mich mit ihrer Zunge, recht wie eine Natter, ins Herz gestochen. Alle aufgehäuften Raachen des Himmels fallen auf ihren undankbaren Kopf. Schlaget, ihr anstekenden Lüfte, ihre jungen Beine mit Lahmheit – –

Cornwall. Pfui, Sir, Pfui!

Lear. Ihr durchdringenden Blize, schiesset eure blendenden Flammen in ihre hochmüthigen Augen! Steket ihre Schönheit an ihr aus Sümpfen gesaugte Nebel, von der mächtigen Sonn emporgezogen zu fallen, und ihren Stolz zu versengen.

Regan. O! ihr gütigen Götter! – – So werdet ihr mir wünschen, wenn der rasche Humor regiert.

Lear. Nein, Regan, du sollt niemals meinen Fluch haben; deine zärtliche Natur wird dich nicht in Härtigkeit ausarten lassen; ihre Augen sind scharf; die deinen erquiken und brennen nicht. Du bist nicht fähig mir mein Vergnügen zu mißgönnen, mein Gefolg zu vermindern, ein hastiges Wort übel auszulegen, mir an meinem Unterhalt abzubrechen, und den Riegel gegen meine Ankunft zu stossen. Du kennst die Pflichten der Natur besser, das Band der Kindschaft, die Geseze der Höflichkeit, und die Forderungen der Dankbarkeit. Du hast noch nicht vergessen, daß ich dir die Helfte meines Königreichs geschenkt habe.

Regan. Guter Sir, zur Hauptsache – –

(Man hört Trompeten.)

Lear. Wer legte meinen Mann in den Stok?

Der Haushofmeister kommt.

Cornwall. Was für Trompeten sind das?

Regan. Meiner Schwester, ohne Zweifel; ihr Brief sagt, daß sie bald hier seyn wolle. Ist eure Lady gekommen?

Lear. Diß ist ein Sclave, dessen leicht-geborgter Hochmuth in der wankelmüthigen Gnade seiner Gebieterin wohnt. Fort, Schurke, aus meinem Gesicht!

Cornwall. Was meynten Euer Gnaden hiemit?


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