William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
William Shakespeare

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Fünfter Auftritt.

Regans Pallast.

Regan und der Hofmeister.

Regan. Sind meines Bruders Völker ausgerükt?

Hofmeister. Ja, Gnädige Frau.

Regan. Und er ist selbst in Person dabey?

Hofmeister. Ja und noch jemand, der mehr zu bedeuten hat; eure Schwester ist ein beßrer Soldat als er.

Regan. Lord Edmund sprach nicht mit eurer Lady, da sie zu Hause angekommen?

Hofmeister. Nein, Madame.

Regan. Was mag meiner Schwester Brief an ihn zu sagen haben?

Hofmeister. Ich weiß es nicht, Gnädige Frau.

Regan. Er ist in wichtigen Geschäften von hier abgegangen. Es war ein grosser Unverstand, dem Gloster nur die Augen, und nicht auch das Leben zu nehmen; wohin er kömmt, empört er alle Herzen wider uns. Edmund, denke ich, ist gegangen, aus Mitleiden über seinen elenden Zustand, seinem nächtlichen Leben ein Ende zu machen; und zugleich die Stärke der Feinde zu erkundigen.

Hofmeister. Ich muß ihn nothwendig aufsuchen, Gnädige Frau; um ihm meinen Brief einzuhändigen.

Regan. Unsere Truppen rüken morgen vor; bleibet bey uns; die Wege sind so unsicher – –

Hofmeister. Ich darf nicht, Madame; Mylady gab mir dieses Geschäfte auf meine Pflicht.

Regan. Was konnte sie dem Edmund zu schreiben haben? Konntet ihr ihr Geschäfte nicht etwann mündlich ausrichten? – – Vielleicht, etwas – – ich weiß nicht was – – Du sollt alle meine Gunst haben – – laß mich den Brief öffnen.

Hofmeister. Gnädige Frau, ich wollte lieber – –

Regan. Ich weiß, eure Lady liebt ihren Gemahl nicht; und bey ihrem lezten Hierseyn, warf sie zärtliche Blike, sehr deutlich redende Blike auf den edeln Edmund. Ich weiß, ihr seyd ihr Vertrauter – –

Hofmeister. Ich, Gnädige Frau?

Regan. Ich weiß was ich sage – – ihr seyd's – – ich weiß es; merkt euch also, was ich euch izt sagen will. Mein Gemahl ist todt; Edmund und ich haben uns miteinander besprochen; er schikt sich besser für meine Hand, als für eure Lady. Das übrige könnt ihr selbst schliessen. Wenn ihr ihn findet, so gebt ihm dieses, ich ersuche euch; und wenn ihr eurer Lady diese Nachrichten bringt, ich bitte, so rathet ihr, ihre Weisheit zurük zu ruffen. Hiemit lebet wohl. Wenn ihr etwann von diesem blinden Verräther hören solltet, so wißt, daß der eine reiche Belohnung zu erwarten hat, der ihm den Kopf abschneiden wird.

Hofmeister. Ich wollte ich träfe ihn an, Madame, ich wollte bald zeigen, was für eine Parthey ich halte.

Regan. Lebet wohl.

(Gehen ab.)


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