William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
William Shakespeare

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Zweyter Auftritt.

(Das Ungewitter daurt immer fort.)

Lear und der Narr treten auf.

Lear. Blaset ihr Winde, und zersprengt eure Baken, wüthet, blaset! Ihr Wolkenbrüche und Orkane, speyet Wasser aus bis ihr unsre Glokenthürme überschwemmt und ihre Hahnen ersäuft habet. Ihr schweflichten, meine Gedanken ausrichtenden Blize, senget mein weisses Haupt; und du allerschütternder Donner, schlage die dike Ründe der Welt platt, zerbrich die Form der Natur, und zerstüke auf einmal alle die ursprünglichen Keime, woraus der undankbare Mensch entsteht.

Narr. O Nonkel, Hofweyhwasser in einem trocknen Haus ist besser als Regenwasser vor der Thüre. Guter Nonkel, hinein, und bitte deine Töchter um ihren Segen; das ist eine Nacht, die weder mit Gescheidten noch mit Narren Mitleiden hat.

Lear. Brause und lärme nur so laut du kanst, spey Feuer, ströme Regen; weder Regen noch Wind, Donner noch Blize sind meine Töchter; ich beschuldige euch keiner Unfreundlichkeit, ihr Elemente; ich gab euch keine Königreiche, ich nannte euch nie meine Kinder, ihr seyd mir keinen Gehorsam schuldig. So laßt denn euer entsezliches Vergnügen fallen – – Hier steh ich, euer Gegner, ein armer, entkräfteter, schwacher, und verachteter alter Mann! Und doch seyd ihr nur knechtische Diener, die, in Verständniß mit zwo verderblichen Töchtern eure donnernde Schlachtordnungen gegen einen so alten und weissen Kopf aufführet – – oh! oh! es ist niederträchtig.

Narr. Wer ein Haus hat, worein er seinen Kopfsteken kan, hat einen guten Helm – – – – Wer sein Herz zu seinem Zehen macht, wird über Hüner-Augen schreyen und nicht schlaffen können; denn es ist noch nie kein hübsches Mädchen gewesen, die nicht Gesichter in einen Spiegel gemacht hätte.


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