William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
William Shakespeare

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Fünfter Aufzug.

Erster Auftritt.

Ein Lager.

Edmund, Regan, ein Edelmann und Soldaten.

Edmund (zum Edelmann.)
Erkundiget euch, ob der Herzog bey seinem lezten Entschluß verharret, oder ob er indeß sich durch irgend etwas bewegen lassen, einen andern Weg einzuschlagen? Er ist sehr wankelmüthig und mißbilligt jeden Augenblik was er im vorigen beliebt hatte. Bringt uns seinen standhaften Willen.

(Der Edelmann geht ab.)

Regan. Unsrer Schwester Mann ist ganz gewiß auf dem Wege, sich zu Grunde zu richten.

Edmund. Es ist möglich, Madame.

Regan. Nun, mein angenehmster Lord; ihr kennet die Gewogenheit die ich für euch habe. Sagt mir aufrichtig, liebet ihr meine Schwester nicht?

Edmund. Mit einer pflichtmässigen Liebe.

Regan. Aber habt ihr niemals – –Das Original ist hier kühner als die Uebersezung. Shakespear läßt Regan fragen: have you never found my brothers way to the fore-fended place?

Edmund. Nein, bey meiner Ehre, Madame.

Regan. Ich werde sie nimmermehr leiden können; mein liebster Lord, enthaltet euch aller Vertraulichkeit mit ihr.

Edmund. Fürchten Sie nichts; sie und der Herzog, ihr Gemahl – –

Der Herzog von Albanien, Gonerill und Soldaten treten auf.

Gonerill (für sich.)
Lieber wollt' ich die Schlacht verliehren als zugeben, daß diese Schwester mich von ihm trenne.

Albanien. Ich erfreue mich meine liebe Schwester, euch anzutreffen – – Sir, der König ist wie ich höre bey seiner Tochter angekommen, mit noch mehr andern, welche die Strenge unsrer Maaßregeln genöthigt hat, eine andre Partey zu nehmen. Wo ich kein ehrlicher Mann seyn kan, bin ich niemals tapfer. Frankreich thut einen Einfall in unser Land, in so ferne ist es billig ihn abzutreiben. Aber er führt die Sache des Königs und andrer, die, wie ich besorge, durch gerechte und höchstwichtige Ursachen wider uns aufgebracht worden – –

Edmund. Mylord, Sie sprechen sehr edel.

Regan. Was für eine Betrachtung ist das?

Gonerill. Laßt uns gegen den Feind uns vereinigen; von diesen Familien- und Privat-Händeln ist izt die Rede nicht.

Edmund. Ich werde Eurer Gnaden sogleich in dero Zelt aufwarten.

Albanien. Wir wollen uns daselbst mit unsern ältesten Kriegsmännern berathen, was zu thun sey.

Regan. Schwester, ihr geht ja mit uns?

Gonerill. Nein.

Regan. Das würde sich nicht wol schiken; ich bitte euch, geht mit uns.

Gonerill. O ho, ich verstehe das Räzel, ich will gehen.


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