Heinrich Seidel
Die goldene Zeit
Heinrich Seidel

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VII. Heimkehr.

Dannenberg hielt sich nicht mehr lange in Rolandshagen auf; er hatte Heimweh bekommen nach seiner stillen Stadtwohnung und nach seinen gewohnten Beschäftigungen. Als er zu allgemeinem Bedauern abreiste, überreichte ihm Martha ein Papier und sagte: »Hier ist etwas für Ihre Randow; es ist das Recept zu den ›Krammetsvögeln à la Oberstlieutenant‹; grüssen Sie sie von mir.« Marie, die sich vor den Schwestern durch allerlei Kunstfertigkeiten »auszeichnete, hatte ihm sehr zierlich auf weisser Seide, mit goldenen und farbigen Fäden, ein Lesezeichen für die »Gedichte von Konrad Dannenberg« gestickt; Lene aber, deren Herzchen noch immer von überquellender Dankbarkeit erfüllt war, lauerte ihm heimlich hinter der Thür auf und gab ihm einen Kuss mit auf den Weg, dessen holde Erinnerung die ganze Reise hindurch nicht von seinen Lippen wich.

Als er, in Berlin angekommen, seine alte Randow und seine von Sauberkeit glänzenden Räume begrüsste, auch der Obhut seiner Wirthschafterin eine Kiste mit Gravensteinern übergeben hatte, welche trotz der Verpackung die ganze Wohnung durchdufteten, sagte er zu der Alten: »Gold und Schätze bringe ich Ihnen nicht mit, liebe Randow, aber etwas Besseres, nämlich ein Recept. Hören Sie:

›Krammetsvögel à la Oberstlieutenant. Man brate die zurechtgemachten und mit Speckhemdchen versehenen Krammetsvögel etwa eine Viertelstunde lang scharf in Butter, löse sodann Brust und Kopf ab und zerstosse die Knochen, von welchen alles Fleisch sorgsam entfernt ist, in einem Mörser und koche von diesem Pulver eine Bouillon. Dann verarbeite man die Eingeweide und das abgelöste Fleisch, natürlich mit Ausnahme der Brüstchen, mit Pfeffer, Salz und Trüffeln zu einer feinen Farce, mische die Bouillon dazu, streiche dies auf Semmelscheiben, lege auf diese die Brüstchen und den Kopf, brate das Ganze nochmals in Butter über und bringe es möglichst warm zu Tische.‹ Verstanden, Frau Randow?«

»Jawoll, Herr Doctor! Und da liegt was drin, Herr Doctor!«

»Es zeugt von Ihrem hohen Verstande und von Ihrer ungewöhnlichen Begabung für die Kochkunst, Frau Randow, dass Sie dieses sofort empfinden. Also morgen Mittag um die gewöhnliche Zeit!«

»Jawoll, Herr Doctor!«

Aber diese materiellen Dinge waren nicht das Einzige, welches der Doctor von Rolandshagen zurückbrachte. Es findet sich in der zweiten Auflage der »Gedichte von Konrad Dannenberg,« welche ein Jahr nach den hier geschilderten Ereignissen erschien, ein kleines lyrisches Lied, dessen Ursprung wohl unzweifelhaft auf die Tage von Rolandshagen zurückzuführen ist. Es lautet also:

Sommerfäden.

Still im Herbsteslicht der Sonnen,
Stand der Blumen bunte Zier, –
Sommerfäden, leicht gesponnen,
Woben sich von Dir zu mir.

Und wir Beide schritten sinnig,
Sprachen wenig, – dachten viel, –
Nur die Augen, still und innig,
Gaben Deutung diesem Spiel.

Jene Tage sind verstoben,
Jene Blumen sind versäet . . . .
Sommerfäden, leicht gewoben,
Ach, wohin seit ihr verweht!

In dem schön gebundenen Exemplare der zweiten Auflage der »Gedichte von Konrad Dannenberg« ruhen bei diesem Liede ein zierlich in Gold und Seide gesticktes Lesezeichen, ein von wenig geübter weiblicher Hand geschriebenes Recept zur Bereitung von »Krammetsvögeln à la Oberstlieutenant« und ein von Künstlerhand ausgeführtes kleines Aquarell, drei Rosen an einem Zweige darstellend, friedlich beisammen.


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