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Zwanzigstes Kapitel

Ihr Gefängnis wird immer lichtvoller

Ich habe bereits erwähnt, daß Herr von Maisonrouge an jenem Tage abwesend war, so blieb ich fürs nächste ganz ohne Tröstung. Denn trotz dem Unrecht, in dem ich mich gegen ihn fühlte, hoffte ich dennoch alles von ihm, und ich täuschte mich nur darin, daß sein Betragen meine Erwartung weit übertraf.

Er kam noch am Abend kurz nach seiner Heimkehr zu mir. Der Gouverneur hatte ihn bereits von dem Vorgefallenen in Kenntnis gesetzt, und das zarte Mitgefühl, das er für meinen Zustand hegte, ließ in seinem Herzen weder Groll noch Rachsucht aufkommen; oder aber er überwand diese Gefühle so gut, daß ich kein Anzeichen davon bemerkte. Ich sah ihn vielmehr tiefbetrübt über das Unglück, das mir zugestoßen war, und er versicherte mir, daß er aus ganzer Seele alles für mich tun wolle, was mir zum Troste gereichen könne.

Da mochte ich ihm den Zustand meines Herzens und mein wahres Verhältnis zu Herrn von Le Mesnil nicht länger verbergen, in der Ueberzeugung, die große Bitterkeit, die mein Geständnis für ihn einschloß, müßte durch die Beweise meiner Achtung und meines Vertrauens versüßt werden. Und weit entfernt von der Annahme, ihm eine neue Wunde zu schlagen, glaubte ich durch ein offenes Bekennen dessen, was er schon wußte, für sein gekränktes Herz das einzige Heilmittel gefunden zu haben, das mir zur Verfügung stand. Ich entschloß mich also zu einer offenen Aussprache.

Nachdem ich ihm freimütig alles gestanden hatte, blieb er einige Zeit lang wie in den Abgrund seiner eigenen verwirrten Gefühle versunken.

Er hatte sich beim Beginn meiner Rede auf einen Stuhl niedergelassen, dem einen von den zweien, die sich überhaupt vorfanden, und in dieser Stellung verharrte er mit tief auf die Brust niedergesunkenem Haupt. So erinnerte mich sein dichtes Kraushaar mehr als je an einen Mohrenkopf und doch war seine Gemütsart sanfter und zarter als die irgendeines Mannes, den ich je gekannt habe. Endlich richtete er sich mühsam in die Höhe. Auf seinem Gesicht lag jetzt der Ausdruck von Wohlwollen und schmerzlicher Teilnähme.

»Meine liebe Freundin,« begann er, »Ihr wißt, daß ich Euch ganz ergeben bin, ich will Euch auch die unzweifelhaftesten Beweise dafür geben, aber Ihr müßt mir sagen, welches Eure Abmachungen mit Herrn von Le Mesnil sind. Wenn er die Absicht hat, Euer Schicksal glücklicher zu gestalten – das meine wäre nicht so würdig, Euch angeboten zu werden – so bin ich bereit, ohne Rückhalt alles zu tun, was zu Eurem Glücke oder auch nur zu Eurer Befriedigung beitragen kann. Wenn Herr von Le Mesnil aber kein anderes Ziel verfolgt, als Euch gefallen zu wollen, so wäre es weder Eurer noch meiner würdig, durch meine Vermittlung einen Verkehr mit ihm zu erhalten; vielmehr dürftet Ihr, zu Eurem eigenen Besten, an nichts anderes denken als Euch von ihm loszulösen.«

Und als ich ihn hierüber beruhigt:

»Aber warum mir das verbergen?« sprach er vorwurfsvoll, »mir, den man Euren Vormund nennt (meine Freunde hatten ihm diesen Titel gegeben), der nichts so leidenschaftlich wünscht als Euer Wohlergehen? Warum mir diese Aussichten verheimlichen?«

Man mag sich denken, wie mir seine Fragen in die Seele schnitten. Ich fühlte, daß ich mich nur schlecht rechtfertigen konnte.

»Ihr dürft mir das nicht zur Last legen,« antwortete ich; »dieses Geheimnis in mir verschlossen zu halten, hat mich viel gekostet, aber man hat es durchaus von mir verlangt, und heute noch zögerte ich, es Euch zu offenbaren, wenn nicht alles, was ich Eurer Freundschaft und Eurer Ehre schulde, mich unabweisbar dazu gezwungen hätte.«

»Aber«, rief er aus, »der Chevalier von Le Mesnil kann doch nicht glauben, daß ich seine Absichten mißbilligen, oder fürchten, daß ich sie durchkreuzen werde? Doch sprechen wir davon nicht weiter. Ueberlegen wir, was ich tun kann, um Euch Eurem Kummer zu entreißen.«

»Vor allem«, sprach ich, »bin ich gegen Euren Gouverneur empört, weil er ein solches Aufsehen gemacht hat. Die Gefangenen sind ganz Auge, ganz Ohr, und es ist also kein Zweifel, daß nicht jedermann die Ausquartierung des Herrn von Le Mesnil erfahren hat und auf meine Kosten falsch auslegt. Gebt, bitte, dem Gouverneur zu verstehen, daß ich Grund habe, mich zu beklagen, da er mich zum Stoff einer Geschichte gemacht hat, die nicht untersucht worden ist und mir großes Unrecht zufügen kann. Sagt ihm, ich wünsche ihn zu sprechen und bewegt ihn, zu diesem Zweck hierherzukommen.«

Ich fühlte wohl, daß ich viel verlangte, aber ich dachte, es ginge in einem hin.

»Ich gehe sofort,« antwortete Maisonrouge, »und ich will auch den Chevalier von Le Mesnil aufsuchen, und Euch Bericht erstatten über alles, was ihn betrifft. Betrübt Euch nicht weiter und zählt auf mich.«

Als er mich verlassen, fiel ich von neuem in die Verzweiflung zurück, aus der die Notwendigkeit, sprechen zu müssen, mich herausgerissen hatte.

Die Schmerzen, die ich empfand, und alle diejenigen, die ich fürchtete, preßten mir so das Herz zusammen, daß ich kaum atmen konnte. Die arme Rondel tat, was sie vermochte, um mich mit weisen Reden und vergeblichen Hoffnungen zu trösten. Ich hörte nichts als den verwirrten Tumult der Leidenschaften, die mich bewegten.

Die Schrecken der Finsternis scheinen den Gegenständen unserer Qual eine erhöhte Kraft zu verleihen; als der Tag anbrach, verschaffte ich mir einige Erleichterung – wenn es eine war –, indem ich einen Brief an Herrn von Le Mesnil zu schreiben begann, den ich ihm doch nicht zukommen lassen konnte. Sogar einen zweiten schrieb ich ihm in diesem traurigen Zustand. Beide Briefe erhielt er erst lange Zeit danach.

Und erst am dritten Tag sah ich den Leutnant wieder. Er teilte mir mit, daß der Chevalier von Le Mesnil in der Erbitterung über die unwürdige Behandlung eine sehr lebhafte Auseinandersetzung mit dem Gouverneur gehabt und diesen noch mehr gegen sich aufgebracht habe. Mit aller Schonung und in den milderndsten Ausdrücken übermittelte er mir diese betrübende Nachricht, aber verkannte nicht, welche neuen Unannehmlichkeiten Herrn von Le Mesnil aus dem ärgerlichen Zusammenstoß erwachsen mußten.

Was mich aber über alles betrübte, war dies: der Leutnant erzählte mir, Herr Le Blanc, der Kriegsminister, habe im Augenblick unserer Katastrophe die Erlaubnis überbracht, den Chevalier von Le Mesnil in Gesellschaft des Herzogs von Richelieu, einzuschließen, dem man, auf die dringende Fürsprache einer Prinzessin hin, nämlich des Fräuleins von Valois, der Tochter des Regenten, die Gefangenschaft auf jede Weise erleichtern wolle; außerdem sollte es beiden, dem Herrn von Richelieu und dem Chevalier von Le Mesnil, gestattet sein, abwechselnd mit dem Marquis von Pompadour und dem Grafen von Laval bei dem Gouverneur zu speisen. Aber nun habe der Gouverneur, ohne dem Minister etwas davon mitzuteilen, den Entschluß gefaßt, Herrn von Le Mesnil diese Erlaubnis aus eigener Machtvollkommenheit vorzuenthalten.

Ich geriet hierüber abermals in die größte Verzweiflung; denn in dem eigentümlichen Zustand meines Herzens maß ich mir selber alle Schuld zu an dem Unglück des geliebten Mannes, und ich bat den Königsleutnant fußfällig, doch alles zu tun, was in seiner Macht stünde, um den Chevalier mit dem Gouverneur auszusöhnen. Er versprach mir alles, aber mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Einstweilen unterrichtete er mich von dem Kummer des Herrn von Le Mesnil, von dem Zustand seiner Gesundheit und allem, was ihn betraf, mit peinlicher Genauigkeit. Und als ich schon nicht mehr daran dachte, kündigte er mir plötzlich den Besuch des Gouverneurs an. Er riet mir, ich solle dem Herrn Gouverneur meine gerechte Empörung merken lassen, aber mit der Schonung, die bei Leuten, von denen man abhängt, notwendig ist.

Die Unterredung mit dem Gouverneur fand am Tage danach statt, leider mit wenig Erfolg. Dieser Herr, ein eisgrauer Bär, anerkannte nur die Gesetze des Kerkers, er fand, daß ich dankbar sein müsse, bei einer so großen Freiheit, die ich mir genommen, mit einer so gelinden Behandlung davongekommen zu sein.

Und nach einigen ähnlichen Aussprüchen von seiner Seite trennten wir uns, nur sehr mäßig voneinander erbaut.

Der Leutnant dagegen verdoppelte seine Aufmerksamkeit gegen mich. Nicht zufrieden mit dem, was er schon für mich getan, dachte er mir einen neuen Trost zu verschaffen, indem er den Chevalier einen Brief schreiben ließ, den er mir überbrachte. Diese außergewöhnliche Handlung bei einem liebenden und eifersüchtigen Manne überraschte mich sehr. Es wäre genug gewesen, sagte ich ihm, daß er mir Nachrichten von Herrn von Le Mesnil überbracht habe; noch mehr zu tun, könne ich nicht von ihm erwarten.

»Nein,« erwiderte er, »Ihr werdet beruhigter sein durch das Zeugnis seiner eigenen Handschrift als durch alles, was ich Euch hätte mitteilen können. Antwortet ihm, ich werde auch Euren Brief gern besorgen.«

Dann sagte er mir, daß er an der Versöhnung zwischen dem Gouverneur und Herrn von Le Mesnil arbeite und daß alles im besten Gange sei. In der Tat erfuhr ich bald darauf, die Versöhnung habe stattgefunden und Herr von Le Mesnil sei in den vollen Genuß der ihm vom Hof gewährten Vergünstigungen eingetreten. Er speiste ein über den andern Tag an der Tafel des Gouverneurs mit dem Herzog von Richelieu und verbrachte auch sonst einen großen Teil des Tages bei diesem angenehmen Mitgefangenen.

Auf dem Wege zum Gouverneur mußte Herr von Le Mesnil an meinem Zimmer vorüber, und die Möglichkeit, mir ohne die Vermittlung einer fremden Hand Nachrichten zukommen zu lassen, bildete eine zu große Versuchung für ihn.

Er ließ ein Briefchen fallen, das die immer auf der Lauer liegende Rondel aufraffte, und in welchem er mich inständig bat, ihm auf demselben Wege zu antworten. Zwar fühlte ich einen großen Widerwillen dagegen, weniger aus Furcht vor diesem gewagten Unternehmen, als aus einer Art von schlechtem Gewissen gegen meinen würdigen Freund, den Königsleutnant. Denn dieser heimliche Verkehr erschien mir wie ein Verrat an Herrn von Maisonrouge und ein Verbrechen gegen die ihm schuldige Dankbarkeit. Trotzdem gab ich nach, verführt durch die Leidenschaft, die alle unsere Tugenden schwächt und die uns um so mehr verhaßt sein müßte, als sie uns vor uns selber verächtlich macht.

Auf solche leidige Betrachtungen brachte mich Herr von Le Mesnil selber, freilich ohne es zu wollen. Er entdeckte mir unvorsichtigerweise sein Vorhaben, eine große Summe Geldes, die ihm zugekommen, à fonds perdu anzulegen. Dieser Plan aber schien mir der Absicht unserer Verbindung ganz entgegengesetzt, und zum erstenmal schlich sich ein Verdacht an seine Ehrlichkeit in meine Seele. Ich gab dem in einigen Briefen lebhaften Ausdruck, und da er mich noch nicht verlieren wollte, hielt er es für klug, seinen Plan zu ändern, um mich zu beruhigen. Er gab mir von neuem die heiligsten Versicherungen und ich glaubte ihm. Ach, was glaubt man nicht, wenn man gern glauben möchte!

Durch den Ankauf eines kleinen Landgutes anstatt des fonds perdu, wozu er Neigung gezeigt – diese Geschäfte besorgte der Sekretär des Gouverneurs –, wurde vollends mein altes Vertrauen wiederhergestellt und mein einziger Schmerz bildete die noch immer dauernde Trennung von ihm, die mir um so fühlbarer wurde, als eine Menge mir ganz gleichgültiger Leute freien Zutritt zu mir hatten. Ich selber war jenen Personen nicht so gleichgültig und das steigerte noch meine Ungeduld.

Zu dieser Zeit wurde der Marschall von Richelieu aus der Haft entlassen. Er durfte freilich für unschuldig gelten; doch gab es noch andere Gründe zu seiner Freilassung.

Die vornehmen Gefangenen genossen außer anderen Vergünstigungen auch diese, sich täglich zwei Stunden in freier Luft zu bewegen, sei es in einem der inneren Höfe, oder auf der ebenen Dachterrasse des Schlosses. Zur Stunde nun (gewöhnlich vor dem Mittagstisch), wenn sich der Herzog von Richelieu dort oben aufhielt, sah man die am Schloß vorüberführende Straße der Vorstadt von Sankt Anton ganz mit Karossen erfüllt und diese besetzt mit den vornehmsten Damen des Hofes, darunter vor allen das Fräulein von Valois, die eigene Tochter des Regenten, wie auch das Fräulein von Charolois, die Tochter des Fürsten von Condé, und viele andere von ähnlichem Rang, die dem Herzog mit ihren Tüchlein winkten oder ihm Handküsse zuwarfen. Dieser Andrang seiner zahlreichen Verehrerinnen vermehrte sich von Tag zu Tag. Und so würde es der Regent mit allen schönen Damen des Hofes verdorben haben – und er war bekanntlich kein Damenverächter –, wenn er den Tausendsassa von Marschall und Herzog nicht schleunigst freigegeben hätte.

Der Herzog von Richelieu wurde also entlassen, und das hatte zur Folge, daß Herr von Le Mesnil nun täglich, es geschah dem Marquis von Pompadour zuliebe, bei dem Gouverneur speiste und auch außer Tafel seine ganze Zeit in Gesellschaft des Herrn Marquis verbringen durfte. Auch der Graf von Laval wurde mit in diese Begünstigung eingeschlossen.

Da, eines Tages, als ich es gerade am wenigsten erwartete, trat Herr von Le Mesnil ohne alle Zeichen von Vorsicht in mein Zimmer.

Ich erschrak, aber er beruhigte mich und brachte mir die Mitteilung eines sehr freudigen Ereignisses, nämlich, daß es mir künftig erlaubt sei, an der Gesellschaft der obengenannten Gefangenen teilzunehmen. Diese Nachricht erfüllte mich mit großer Freude, trotz der traurigen und bitteren Stimmung, in die mich der Tod meiner Schwester mit den ihn begleitenden Umständen versetzt hatte. Zur Schande der Natur muß ich gestehen, daß die Stimme des Blutes schweigt, wenn zur selben Zeit die Stimme der Leidenschaft in uns spricht.

Die Herren von Pompadour und von Laval kamen einige Augenblicke danach, um mir ebenfalls über die Erweiterung und, wie sie sich ausdrückten, die Bereicherung und Verschönerung ihres Zirkels ihre Freude auszudrücken.

Herr von Maisonrouge war an diesem Tage nach Vincennes zur Tafel geladen. Er kam nach seiner Rückkehr zu mir, ohne zu wissen, welche Gunst dem Chevalier von Le Mesnil gewährt worden. Im Augenblick, als er ins Zimmer trat und eine so gute Gesellschaft mit allen Zeichen der Berechtigung bei mir sah, blieb er, einen Augenblick lang, wie vorn Blitz getroffen, wortlos und ohne Bewegung. Sein Schmerz rührte mich und ich eilte auf ihn zu. Da raffte er sich zusammen und zog sich unter höflichen Entschuldigungen zurück.

Am andern Tage kam er zu mir. Ich fand ihn ganz verändert und voll Traurigkeit.

»Ihr habt mich nun nicht mehr nötig,« sagte er, »so werdet Ihr es für gut finden, daß ich nur noch zu Euch komme, wenn der Wohlanstand es erfordert oder ich Euch einen Dienst leisten kann.«

»Warum mich verlassen, mein lieber Freund,« antwortete ich, »glaubt Ihr, daß es etwas gäbe, was mich für Euren Verlust entschädigen könnte? Wenn aber der Verkehr mit den anderen sich mit dem Euren nicht verträgt, so will ich lieber auf jene verzichten.«

»Nein,« erwiderte er, »ich will Euch um nichts berauben. Ohne Vorbehalt habe ich Euch meine volle Ergebenheit zu beweisen gesucht; möge der Mann, der für Euch das Glück bedeutet, Euch ebenso treu und ergeben sein wie ich.«

Mit diesen bitteren Worten – ich bekam später Gelegenheit, daran zu denken – verließ er mich.

Wir gingen nun täglich zur Mittagstafel zum Gouverneur und nach Tisch spielte ich eine Partie Hombre mit den Herren von Pompadour und von Laval, wobei Le Mesnil mir Ratschläge erteilte. Manchmal wurde die Partie auch anders eingeteilt. Nach Beendigung des Spieles kehrten wir zu uns zurück. Der Chevalier von Le Mesnil folgte mir auf dem Fuß. Ehe wir zur Abendmahlzeit gingen, die wir ebenfalls bei dem Gouverneur einnahmen, versammelte sich die Gesellschaft bei mir. Am Morgen aber trat Herr von Le Mesnil wieder als erster bei mir ein, und wir verließen uns fast nie.

Ich wünschte mir keine andere Freiheit mehr, als die ich jetzt genoß. Es schien mir, als ob es keine Welt mehr gäbe außerhalb dem Bereich dieser Mauern, und wirklich, diese Tage bildeten die einzige glückliche Zeit meines Lebens. Hätte ich je geglaubt, daß mich in der Bastille das Glück erwarten sollte, das sich in der ganzen übrigen Welt nicht von mir finden ließ.

Ich liebte den Mann, von dem ich mich vollkommen geliebt glaubte, und ohne Furcht überließ ich mich den Gefühlen, die meine Vernunft billigte und deren Ziel mir gesichert schien. Eher hätte ich den Einsturz des Himmels gefürchtet, als eine Veränderung im Herzen des Herrn von Le Mesnil.

Die Leichtigkeit, mit der wir uns nun sehen konnten und die Länge unserer Unterhaltungen gaben uns Veranlassung, auch von gleichgültigen Dingen zu sprechen. So zeigte er mir, um mich zu ergötzen, ganz lächerliche Briefe von einer seiner Verwandten, die er auf Umwegen erhielt und deren Schreiberin, wie er sagte, noch viel verrückter sei als ihre Briefe. Sie wohnte auf ihren Gütern im Anjou ganz in der Nachbarschaft der seinigen. Ich gab wenig acht auf das, was er mir über sie sagte, und ich dachte nicht daran, daß ich mit einer solchen Person jemals etwas zu schaffen haben könnte.


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