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Achtes Kapitel

Die Herzogin von La Ferté

Indessen hinderten meine Besuche bei Frau von Vauvray mich nicht daran, immer der Befehle der Herzogin von La Ferté gewärtig zu sein. Ich verfolgte ihre Wege genau, um mich immer zu der Zeit im Kloster zu finden, wo die Möglichkeit bestand, daß sie kommen und mich holen könnte.

Es ist nicht wahrscheinlich, daß sie von meinen Besuchen bei anderen etwas erfahren hatte.

Und bald nach dem von dem Abbé Saint-Pierre entworfenen Plan in Hinsicht auf die Fürstin von Condé nahm sie mich wieder mit nach Sceaux, Herr von Malesieu begrüßte mich wie immer und ich sprach ihm von meiner Sorge, eine meiner bisherigen Lebensweise angemessene Stellung zu finden, sowie von meinen Hoffnungen in bezug auf das Fräulein von Clermont, der jüngsten Tochter der Fürstin von Condé. Er ging sofort darauf ein und versprach, mir aufs beste zu dienen und so schnell als es ihm möglich sei.

Eine Stunde nach diesem Gespräch kam er zu mir zurück mit folgender Nachricht. Für meine Sache arbeitend habe er eine andere erreicht, die er noch für besser halte.

Er habe bei der Herzogin von Maine um eine Empfehlung für mich bei der Fürstin von Condé gebeten, und sie habe darauf erwidert: »Aber mein Herr, wenn dieses Mädchen so viele Fähigkeiten besitzt, warum wollt Ihr sie meiner Nichte geben? Wäre es nicht besser, sie für mich zu behalten?« Herr von Malesieu habe geantwortet, daß sie nichts Besseres tun könne, als sich meiner zu bedienen und daß ich besonders seine Gemahlin, die die Gouvernante des Fräuleins von Maine war, in der Sorge um deren Erziehung unterstützen könne.

Die Herzogin von Maine habe darauf versetzt: Man müsse das mit dem Herzog von Maine vereinbaren und ihn zu dieser Vermehrung der Ausgaben zu überreden suchen.

Damals war also noch nicht die Rede von der Stelle, die ich später einnehmen sollte.

Der Vorschlag entsprach ganz meinen Wünschen und Hoffnungen und entzückte mich sehr. Ich dankte dem Herrn von Malesieu tausendmal und er meinte, es sei nur noch nötig, der Herzogin von La Ferté, der ich noch nichts gesagt hatte, von der Sache Mitteilung zu machen. Ich brauchte dies nicht einmal selber zu tun, die Herzogin von Maine habe die Absicht, selbst mit der Frau von La Ferté darüber zu sprechen und die Angelegenheit ins reine zu bringen.

Dies tat die Herzogin auch in der Tat, aber Frau von La Ferté wurde wütend bei diesem Vorschlag. Sie erklärte, sie würde niemals auf eine Person verzichten, die ihr das Leben angenehm machen sollte.

Die Herzogin von Maine erwiderte darauf, nach dem, was man ihr gesagt, habe sie geglaubt, man suche eine Stellung für mich, und sie habe daraus geschlossen, daß Frau von La Ferté mich nicht für sich behalten wolle.

Nachdem dann die Herzogin von La Ferté sich genügend beklagt hatte, endigte sie ihre Rede damit: Sie wolle mich nicht gegen meinen Willen behalten, aber sie wolle meinen Entschluß aus meinem eigenen Munde hören.

Dies teilte mir Herr von Malesieu mit, als er mich zum dritten Male an diesem Tage aufsuchte. Man kann sich meine Bestürzung denken.

»Heute abend müßt Ihr Euch erklären,« wiederholte Herr von Malesieu, »überlegt genau, was Ihr sagen wollt.«

»Ich bitte Euch, mein Herr,« versetzte ich darauf, »schreibt mir meine Antwort vor; Ihr habt diese ganze Verhandlung geführt, ich will Eure Ratschläge treu befolgen.«

Er war nun der Meinung, ich müsse der Herzogin von La Ferté sagen, daß ich ihr alles verdanke und sie als die Herrin meines Schicksals ansehen wolle.

Es wäre besser gewesen, ihr meine Gründe mitzuteilen, warum ich nicht in ihre Dienste treten wolle und sie um ihre Einwilligung zu der schwebenden Sache zu bitten; dies wäre offener gehandelt gewesen, und ich würde mir große Unannehmlichkeiten erspart haben; aber ich glaubte, es sei mein Bestes, mich leiten zu lassen.

Frau von La Ferté kam endlich des Abends auf ihr Zimmer, wo ich sie mit Angst erwartete, das Gewitter voraussehend, das sich über mir entladen sollte, und zu gleicher Zeit bekümmert darüber, daß ich mich im Unrecht wußte gegen eine Person, die mich mit Beweisen ihrer Freundschaft tatsächlich überschüttete.

Diesmal trat sie nicht mit ihren gewohnten Temperamentsausbrüchen in das Zimmer, sondern mit hochmütiger Kälte. Sie setzte sich ruhig und gelassen an ihren Tisch.

»Mit Erstaunen habe ich davon gehört, mein Fräulein,« so begann sie, »daß Ihr eine Stellung sucht; ich dachte, Ihr würdet auf mich zählen. Wenn Ihr es aber vorzieht, bei einer mächtigen Fürstin einzutreten, so dürfte das wenigstens nicht ohne meine Vermittlung geschehen. Vor allem jedoch muß ich wissen, was Ihr denkt und was Ihr tun wollt.«

»Alles, was Eurer Gnaden gefällt, verehrte Frau Herzogin,« antwortete ich. »Ich bin in Euren Händen, ich schulde Euch alles, verfügt über mich nach Eurem Gutdünken.«

»Da ich also Eure Herrin bin, mein Fräulein,« versetzte sie, »so werde ich Euch an niemanden abtreten, und ich werde Sorge tragen, daß es Euch zu gut bei mir gefällt, um nach etwas anderem auszuschauen.«

Dann schlug sie mir vor, sie wolle eine hübsche Wohnung in ihrem Hause für mich herrichten, ich sollte ganz meine eigene Herrin sein und ihr nur Gesellschaft leisten, wenn sie zu Hause sei. Wenn sie aber zu Hofe fahre, wolle sie mir einen Wagen zur Verfügung stellen, um alles zu unternehmen, wozu ich Lust hätte.

Diesen Lebensplan würde ich entzückend gefunden haben, wenn ich nicht die Kehrseite betrachtet hätte.

Aber ich wußte zu gut, daß meine Schwester zuerst ebenfalls auf dem Fuß einer begünstigten Gesellschafterin bei ihr gestanden und dann zur Kammerfrau degradiert worden war. Und schon aus der Heftigkeit ihrer Zuneigung zu mir schloß ich, daß diese von kurzer Dauer sein werde.

Am meisten aber erschreckte mich der Gedanke an die Eifersucht der ganzen Schar von Frauen, mit denen ich ihr Haus angefüllt sah; denn außer der Louisen, die an der Spitze stand, und meiner Schwester und den ihr untergebenen Kammerfrauen, wurde noch ein junges Mädchen im Hause erzogen, das man Sylvine nannte, schön wie die Sonne, das die Herzogin eines Tages auf dem Felde eines ihrer Landgüter aufgelesen hatte. Sie vergötterte diese Nymphe; nichts war ihr zu teuer, um sie zu schmücken und ihre Talente, besonders ihre wunderbare Stimme, auszubilden.

Aber, ich sah es voraus, selbst diese lebhafte Neigung würde die Herzogin in der Folge nicht davon abhalten, auch dieses Mädchen wie die anderen zu behandeln; denn so war es das unvermeidliche Los dieser Geschöpfe, das durchaus demjenigen glich, welches die Circe ihren Freiern zu bereiten Pflegte.

Was hätte ich tun sollen? Und mit welchen Mitteln konnte ich selber dieses Los vermeiden?

Als ich Herrn von Malesieu wieder traf, teilte er mir mit, alles sei verdorben. Die Herzogin von Maine wolle sich meinetwegen nicht mit der Herzogin von La Ferté, ihrer alten Freundin, entzweien, und wenn es mir nicht gelingen sollte, mich frei zu machen, sei nichts für mich zu hoffen.

Nun faßte ich den seltsamen Entschluß, ein Studium daraus zu machen, wie ich meiner Dame mißfallen könnte, die doch von mir so bezaubert schien, ja, die ich selbst herzlich liebte. Denn die vielen Beweise ihrer Freundschaft hatten mich lebhaft gerührt, auch konnte ich mir nicht leugnen, daß ich sie trotz ihrer großen Fehler außerordentlich liebenswürdig fand; und selbst für die unerquicklichen Verhältnisse in ihrem Hause gab es doch auch mancherlei Entschuldigungen.

Um zu verstehen, was es der Eigenliebe und Herzensgüte kostet, sich selber schlechter zu stellen als man ist, muß man dergleichen selbst empfunden haben, und das ist keine alltägliche Erfahrung.

Um diese Zeit reiste die Herzogin nach ihrem Herzogtum La Ferté, wobei ich sie begleiten mußte (oder durfte), und auf dieser Reise fand ich Gelegenheit, meinen sonderbaren Plan auszuführen.

Die Herzogin hatte nichts versäumt, mir die Reise angenehm zu machen. Da sie wußte, daß ich Fräulein von Grieu zärtlich liebte, lud sie auch diese zu dem Landausflug ein. Während der Fahrt fühlte ich mich unwohl und verstellte mich nicht wie sonst. Meinen verschiedensten Stimmungen gab ich mich ohne Scheu hin, und dies mußte ihr um so abstoßender vorkommen, als sie bisher von all dem nichts wahrgenommen hatte. Wenn ich etwas nicht nach meinem Geschmack fand, so widersprach ich schroff und sagte meine Gedanken frei heraus, ohne mich den ihrigen anzupassen; kurz, ich ließ mich vollständig gehen, und dies kostete mich mehr Anstrengung, als der Zwang zur Höflichkeit mir verursacht haben würde.

Die Herzogin war gekränkt, aber sie faßte nicht den von mir beabsichtigten Widerwillen gegen mich, und es wurde mir um so schwerer, mein Ziel zu erreichen, als ich sie noch nie so liebenswürdig und gut bei Laune gesehen hatte.

Auf dem Lande legte sie die stolze Miene, die sie in der höfischen Umgebung zur Schau trug, ganz ab.

Man lebte in der größten Vertraulichkeit mit ihr, die sie sogar so weit ausdehnte, daß sie sowohl ihre sämtlichen Dienstboten als auch die Lieferanten des Hauses, Bäcker, Metzger und andere an einem großen Tisch versammelte, um mit ihnen eine Art lansquenet zu spielen. Dabei sagte sie mir ins Ohr: Ich betrüge sie, aber sie bestehlen mich.

Wir blieben vierzehn Tage lang in La Ferté. Das ist ein schöner Ort und wir machten die herrlichsten Spaziergänge, das Fräulein von Grieu und ich. Auch fanden wir eine gute Bewirtung, trotzdem die Herzogin ihren Koch nicht mitgenommen hatte. Sie war nämlich gegen ihn erzürnt, weil er Spicknadeln von ihr verlangte.

»Schon wieder Spicknadeln?« hatte sie ausgerufen. »Man wird mit Spicknadeln noch alle vornehmen Familien zugrunde richten. Diese Spicknadeln haben dem Marschall von La Ferté schon zwölfhunderttausend Franken gekostet; ich will mir lieber von meinem Hausverwalter kochen lassen.«

Und so wurde es gemacht.

Auf der Heimreise überraschte sie mich mit der Mitteilung: Meine Wohnung bei ihr sei noch nicht bereit; sie wolle sie jetzt herrichten lassen, inzwischen solle ich noch in meinem Kloster bleiben, meine Pension werde sie bezahlen.

Mit Freuden willigte ich ein, immer in der Hoffnung, ein Aufschub würde eine günstige Lösung für mich bringen.

Und wirklich, die Furcht, ihre Louison zu kränken und noch einige andere Hindernisse veranlaßten die Herzogin, meine Aufnahme in ihrem Hause, die gegen Ende des Jahres stattfinden sollte, noch einmal hinauszuschieben. Um diese Zeit nämlich schrieb sie mir und bat mich um Briefkonzepte an den König und die Königin von Spanien, an Herrn von Vendôme und die Frau des Herzogs Des Ursins, denen sie zu einer gewonnenen Schlacht Glück wünschen wollte. Am Schluß ihres Briefes bemerkte sie, meine Pension für den Monat Januar würde bezahlt werden, da sie mich noch nicht bei sich im Hause haben könne, sie liebe mich aber darum nicht weniger.


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