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[Vorwort]

Es ist gewiß eine übertreibende Verleumdung, wenn gesagt wird, daß die schönen Frauen nebst sich selbst – ihren Putz mit einbegriffen – nichts so sehr lieben als den Spiegel. Aber sie lieben ihn. Eine Art vielleicht ausgenommen.

Ein Tugendspiegel ist jedoch diese Geschichte nicht, sie ist ein weiblicher Schicksalsspiegel und das deutet freilich auch auf nichts Schmeichlerisches und Spielerisches, denn was man Schicksal nennt, hat immer ein ernstes und manchmal erschreckendes Gesicht. Er ist also kein Spiegel, der schmeichelt. Nur die einfache verdammte Wahrheit, ob sie nun angenehm sei oder nicht, spiegelt er. Wer herkömmliche beliebte Hirngespinste sehen will, weil die Wahrheit hart ist, der lasse ihn beiseite, er würde kaum von ihm befriedigt werden. Zwar einige Bedenklichkeiten und Selbstgefälligkeiten, die mit Vorsicht genommen werden müssen, spiegelt dieser Spiegel, aber ein heller und klarer Spiegel ist er trotzdem und lange nicht so nebelig und schwummrig wie die meisten, die sich dennoch großer Beliebtheit erfreuen. Und ganz merkwürdig zeitgemäß muten seine Spiegelungen an, darum hat ihn ein Liebhaber solcher Dinge, als er ihn unter altem Schutt vergraben fand, bedachtsam aufgehoben, als ein handlich und zierlich Gerätlein, hat ihn sauber geputzt von Staub und Spinnweben und auch dem verschnörkelten Rokokorahmen ein wenig mit neuer Versilberung nachgeholfen, das ist aber alles, was er daran getan hat.


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