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Fünfzehntes Kapitel

Was Don Palamedes von den Astrologen des Königs hält

Sogar die Ritter der nächtlichen Tafelrunde, diese Vasallen und Bedienstete des Grafen, haben sich, wenigstens ein Teil von ihnen, mutiger erwiesen als ich in meiner zitternden Feigheit.

Wohl wußten alle, mit Ausnahme derer, die dem Bischof das Geleit auf seiner Romfahrt gegeben hatten, wie es mit dem Grafen und Bertrade bestellt war. Dennoch fanden sich nun viele unter ihnen (das alles wurde mir später berichtet), insonderheit der greise Seneschall von Lanzère, der Kastellan von Montcuq, der junge Jürg von Savez, wie auch der Sire von Podensac, die über das vorgebliche Breve des Papstes erschrockene Gesichter machten trotz des Cypernweins und Hypokras, den sie nach dem Wein von den Hügeln der Gyonne reichlich genossen hatten. Die heimliche Sünde zwischen Bertrade und dem Grafen mochten sie stillschweigend zwar nicht billigen, aber so hingehen lassen, wie etwas, wovon sie nicht notwendig zu wissen brauchten.

Es war gewiß die grauenhafteste Sünde, die unter Christen und Heiden je erhört worden. Aber ebenso gewiß waren die Meisten sich so mancher sündhafter Greuel bewußt, bei sich oder bei andern, in frechem Trotz oder in beschämter Reue. Denn viel Heimliches geschieht, wovon die Welt nie erfährt – also daß wohl ein Jeder, wenn er sein Gewissen fragte, nur wenig Lust verspürte, sich zum Richter über seinen Oberherrn aufzuwerfen, der die Welt ohnedies längst an Ungeheuerliches gewöhnt hatte.

Und ein richtiges Gefühl ohne Zweifel war es von ihnen, daß sie das schändliche Werk, so lange es sich, seiner Schändlichkeit bewußt, in ein verhüllendes Dunkel versteckt hielt, für weniger schlimm und himmelschreiend erachteten, als das neue unerhörte Beginnen des Grafen.

Sie mochten nur zu oft schon ihre Christenpflicht und ihr Bewußtsein als Christen hintan gestellt haben in ihrer Ergebung gegen den souveränen Herrn, wofür sie den Grafen anerkannten; aber zu einem unaussprechlichen öffentlichen Ärgernis nun ihre öffentliche und ausgesprochene Zustimmung zu geben, davor schauderten sie zurück.

Kurz, es geschah, was der Graf, berauscht von jener herzoglichen Botschaft, jetzt am wenigsten erwartet hatte; er sah sich, zu seiner Verblüffung, erschrockenen, ja kalten und trotzigen Gesichtern gegenüber.

Die Wurmader seiner Schläfe begann anzuschwellen, und wild und unheimlich blickten seine Augen, in denen auf einmal, was immer auf Schlimmes deutete, das helle Weiß um die Pupillen seltsam hervortrat. Denn auch der Graf hatte sich seinen goldenen Mundbecher zweimal füllen lassen mit dem gewürzten Wein, der vor kurzem als ein Geschenk der Königin Katharina Cornaro in drei gewaltigen Fässern von der Insel Cypern her eingetroffen war.

An einem Augenzucken hing es, und der Graf hätte vielleicht in blinden Ausbrüchen seiner Zornwut das selber zur Unmöglichkeit gemacht, was er am andern Morgen in der Tat durch mich Armseligen in aller Stille und sozusagen heimlich vollführen ließ.

Aber da war es wieder recht unverkennbar, daß ihm in Gestalt des gelbgesichtigen Griechen sein leibhaftiger böser Dämon an der Seite saß zu seinem letztlichen Verderben.

»Herr,« sprach der Astrolog, »zürne nicht diesen Rittern, daß sie deinen kühnen Scherz nicht so schnell zu würdigen wissen.«

Und der Graf verstand und lenkte ein und wendete geschickt die Sache so, als habe er mit dieser päpstlichen Bulle nur das eine beweisen wollen, daß zu Rom für Geld alles zu haben sei, wie er es so oft hohnvoll behauptet habe.

Da erheiterten sich schnell alle Gesichter, und alles beglückwünschte den Grafen und den Bischof zu dem blasphemischen Streich, in welchem sie eine schreiende Bestätigung dessen sahen, was sie alle, diese Gegenköniglichen, für ausgemacht hielten in ihrer heillosen Verblendung, nämlich: daß der Papst zu Rom es nur darum mit dem König hielt (der doch gesalbt war mit dem heiligen Öl), weil dieser mit den von Adel und Volk erpreßten Geldern die päpstliche Unterstützung am teuersten bezahlen konnte.

Welche gottlose Betörung! Als ob auch nur die Möglichkeit denkbar sei, daß der Vater der Christenheit sich zur Sache der Rebellen schlagen könne, statt unbeirrt an der Seite des von Gott bestellten und gesalbten Königs zu stehen.

Dergestalt also hat es sich, wie mir, ich habe es schon gesagt, später von verschiedenen Personen berichtet wurde, an jenem Abend gefügt, daß der Graf sich entschloß, am andern Morgen in stiller Verschämtheit zu vollziehen, was er lieber zur Gelegenheit genommen hätte, um in heller Öffentlichkeit und weithin vernehmbar dem göttlichen und menschlichen Gesetz Hohn zu sprechen.

Nun aber wird der Leser dieser notgedrungenen Aufzeichnungen vor allem zu erfahren wünschen, was es mit der genannten römischen Urkunde für eine Bewandtnis hatte. Dies läßt sich in wenigen Worten sagen.

Mit sechzehn Jahren war seinerzeit der nachherige Graf und damalige Jungherr von Armagnac von seinem Vater auf die hohe Schule nach Bologna geschickt worden und hatte sich dort mit einem jungen französischen Edelmann befreundet, der auf jener Schule des geistlichen und weltlichen Rechtes oblag. Johann von Cambrai hieß er und war nun schon seit vielen Jahren Referendarius in der päpstlichen Kanzlei zu Rom.

Dieser leibhafte Ischarioth und Verräter an seinem Herrn hat dem Bischof des Grafen gegen eine hohe Summe Geldes jenes fälschliche Breve ausgeliefert, das er selbst mit frecher Hand verfertigt hatte.

Er hat aber damit nicht nur an seinem Herrn und Wohltäter, dem Heiligen Vater, einen argen Verrat geübt und meiner armen Seele den Fallstrick gelegt zu einer schrecklichen Sünde, er hat auch zugleich dem Grafen einen verderblichen Dienst erwiesen.

Denn von dem Tage seiner blutschänderischen Vermählung an suchte der Astrolog umsonst den bösen Stern seines Herrn zu besänftigen. Und so überraschend wie sein neues Glück zu aller Erstaunen in strahlendem Glanz aufgestiegen war, so unaufhaltsam sank es nun wieder.

Schon nach zwei Tagen, während er seine Herolde und berittenen Noten nach den ferneren Burgen seiner Grafschaft entsandte und auf dem Kastell zu Lectoure selber ein eifriges Rüsten betrieb zu dem angekündigten großen Unternehmen des Herzogs von Guyenne, traf ihn bereits der große Schlag, der zugleich Schlimmeres befürchten ließ.

Von der Burg zu Bordeaux traf abermals ein Bote ein mit einer Neuigkeit, die unglaublich schien. Sie war aber dennoch die Wahrheit.

Nämlich: die königliche Majestät von Frankreich und Karl von Burgund hatten sich nach Niederwerfung der Stadt Lüttich verständigt und waren in vollem Frieden auseinandergegangen, da der Burgunder jetzt seine Aufmerksamkeit auf Germanien richtete, wo er der Nachfolger des Kaisers Friedrich zu werden hoffte, der ihn fürs nächste in der Stadt Trier zum König von Burgund zu krönen versprochen hatte.

So war denn der Herr Ludwig, unser allerchristlichster König, schon vor fünf Tagen wieder bei seinem Heer in der Stadt Compiegne eingetroffen und jetzt auf dem Marsch gegen die Stadt Paris begriffen, wenn er nicht diesen Augenblick bereits in ihren Mauern weilte.

Damit aber waren nicht nur alle Pläne des rebellischen königlichen Bruders vereitelt, sondern auch der angedrohte Besuch des Königs am Herd des aquitanischen Aufruhrs in wenig erfreuliche Aussicht gerückt.

Und noch eine böse Sache war in dieser Nachricht berührt. Herr Karl von Guyenne war von seiner früheren Krankheit, einer febris quartana, aufs neue heftig angefallen worden. Die Ärzte hatten ihm zur Ader gelassen und eine bedrohliche Verderbnis des Blutes festgestellt. – – – –

Und nun war in der folgenden Zeit der Graf zumeist abwesend von Lectoure. Er besuchte der Reihe nach alle seine Städte und Burgen, überzeugte sich überall mit eigenem Augenschein vom guten Stand der Befestigungen und musterte die Besatzung, kurz, tat alles, was Klugheit und Vorsicht demjenigen nur raten können, der sich vor die Möglichkeit gestellt sieht, einen mächtigen Angriff abwehren zu müssen.

Dabei wollte er sich keinen Tag von Bertrade trennen, und sie begleitete ihn überall hin mit einem zahlreichen Gefolge, zu dem auch ich gehörte.

Auch den Bischof von Lectoure, der die geistlichen Angelegenheiten seiner Diözese seinem General-Vikar überließ, sah man auf diesen Fahrten stets an der Seite des Grafen und ebenso Don Palamedes, den griechischen Astrologen, von dem sich unser Herr so wenig trennen mochte wie von Bertrade.

Von diesen mannigfaltigen und mühseligen Fahrten hin und her bleibt mir aber einzig das Folgende zu berichten.

Am Tage vor der Geburt unseres Heilands waren wir gegen den Abend in der Stadt Nogaro auf der dortigen Burg eingetroffen, wo in der Halle des Palatiums zwei gewaltige Kaminfeuer brannten und wie überall, wo der Graf speiste, drei Tafeln gerichtet standen, die oberste mit Silbergeschirr und goldenen Bechern, und Flaschen von geschliffenem Kristall.

Aber der Graf tafelte nur kurz an diesem Abend und mit großer Mäßigkeit. Es ging still zu, aber nicht, weil es der heilige Abend war und die Nacht von unseres göttlichen Heilands menschlicher Geburtsstunde, daran schien niemand zu denken. Schon seit Wochen sah man den Grafen ernst und nachdenklich, die Sorgen einer bedrohlichen Zukunft mochten ihn mahnend umschweben, wenn er gleich nie davon sprach.

Statt dessen liebte er es, sich mit Don Palamedes in lateinischer Sprache über die geheimen Wissenschaften zu unterhalten, woran auch Bertrade neugierigen Geistes sich beteiligte, daß, wer sie hörte, nicht genug staunen konnte über ihre Reden.

Mir aber war es oft, als ob ich aus ihrem Munde nicht ihre, sondern eine fremde Stimme vernähme, welchergestalt es mir von neuem zur Gewißheit wurde, daß ein fremder Geist in ihr seine Wohnung aufgeschlagen habe und daß nicht sie es war, die da in fremden Zungen sprach, sondern der Dämon, der sie beherrschte und ihr Denken mißbrauchte wie ihren armen geschändeten Leib.

Und ich mußte unwillkürlich an jene andere Bertrade denken, genannt Bertrade von Armagnac-Montfort, die Gemahlin des Grafen Foulgues von Anjou, von welcher der gelehrte Sugerius, Abt von St. Denis, erzählt, daß sie sogar in öffentlichen Versammlungen vor Doktoren, Bischöfen und Erzbischöfen das Wort ergriffen habe, um über die tiefsten Geheimnisse der Religion mit ihnen zu streiten in unerhörten Zitaten aus den Kirchenlehrern wie auch aus den heidnischen Autoren, solchergestalt, daß die Einfältigen nicht anders glaubten, als der heilige Geist müsse aus ihr reden. Denn da sie von fast wunderbarer Schönheit des Leibes war und dazu eines reichen Temperaments und von überraschendem Witz in ihrer schmeichlerisch zierlichen Rede, auch heftigen und feurigen Blicks, wie dies alles der Abt Sugerius beschreibt, huldigte ihr das ganze alte Aquitanien. Und wahrlich war ein mächtiger Geist in ihrem Fleisch, aber nicht der heilige Geist Gottes, sondern ein Geist teuflischer Zauberei, wie sich nachher gezeigt hat, als sie nicht nur des unglücklichen Königs Philipp öffentliche Buhle ward, sondern auch den Königssohn Ludwig heimlich mit Hexerei bezauberte, ihren greisenhaften Gemahl aber wie einen hündischen Sklaven an der Kette hielt, den Bannflüchen dreier Konzilien Trotz bot und eine verderbliche Verwirrung brachte über das ganze Königreich.

Also nicht des lieblichen Wunders und großen Mysteriums im Stalle zu Bethlehem geschah an diesem Abend auf der Burg zu Nogaro in Worten Erwähnung, und weit ab von dem süßen Namen Jesus lagen die Namen, die in den Reden des Astrologen erklangen, wie Pythagoras und Plato, Plotinus und Porphyrus von Tyrus, und immer wieder Plato, den der Gelbgesichtige nie anders als den Göttlichen nannte.

Und immer noch neue Namen tauchten auf. Er sprach von wunderbaren Weltkräften, die er Äonen nannte, von einem angeblichen Weltbildner, Demiurgos, von dem Reich des Keroma und dem des Pleroma, von einem Weisen und König der ägyptischen Urzeit, genannt Hermes Trismagistos, der dreimal Große, von Esoterikern und Exoterikern, und endlich von dem Heresiarchen Vasilides und dem Alexandriner Valentinus, die beide die hermetische Philosophie des Plato mit dem Licht der orientalischen Weisheit, der Ägypter, der Syrier und alten Chaldäer wunderbar erleuchtet hätten.

Schwer war es, den Sinn seiner dunklen Worte zu fassen; wenn er aber verständlich wurde, da verlief sich seine rebellische Philosophie in die gottlosen Häresien jener Ur- und Erzketzer der ersten christlichen Zeit, die bei den Kirchenlehrern die Gnostiker genannt werden.

Der Graf brachte dann die Sprache auf die sogenannten »Ideen« des Plato, und Don Palamedes entgegnete, daß diese Lehre, die sublimste, die je einem menschlichen Geist entsprungen, fast immer nur gröblich mißverstanden worden sei, am gröblichsten und plumpsten von den Lehrern der christlichen Theologie, welche nichts anderes wäre als eine Lehre für den rohesten Pöbel.

Plato selber sei mit Absicht dunkel gewesen in Wort und Ausdruck und habe in verhüllenden Bildern gesprochen. So sei es möglich gewesen, daß jene sogenannte Theologie der Christen von ihm ihre Lehre entnommen habe, ihre Lehre von einem Reich außerweltlicher Geister. Die Dämonen aber, auf die Plato deute, seien innerweltlich wie wir selber, und seien nicht eingekerkert in die Zwangsjacke von Form, Gestalt und Gesicht; sie seien nicht vorstellbar und nur der höchsten und reinsten Denkkraft zugänglich.

»Nicht Phantasmagorien sind es,« so sprach er feierlich, »nicht Ausgeburten einer pöbelhaften Phantasie, nicht süße Engelslarven, noch erschreckende Teufelsfratzen, nicht geflügelte Vogelkarrikaturen und nicht geschwänzte und gehörnte Zweibeiner; Prinzipien sind es und lebendige Kräfte und wohnen in den Elementen. Keines Menschen Auge vermag sie zu sehen, aber wo Bewegung, wo ein Geschehen ist, da sind sie an der Arbeit. Ja, ganz unsichtbar sind sie, und doch zu erkennen aus dem Blick des Menschen wie aus dem Licht der Gestirne, die sie regieren, wie sie auch den Menschen regieren und beherrschen und in seinem Schicksal bestimmen. Aber das ist schwer zu fassen, und fast immer, wenn das menschliche Denken an diese hohen Dinge rührte, verunreinigte es sie bis zur Possenhaftigkeit. Und eine possenhafte Fratze haben die Menschen immer auch aus ihrem Gott gemacht, nicht zum wenigsten schon die ältesten christlichen Theologen, die doch die wunderbaren Bücher des Plato noch gekannt haben. Denn dunkel und schwerverständlich ist dieser geistige Sohn und Erbe des geheimnisreichen Pythagoras, und heute gar hat niemand den Schlüssel zu ihm als der, der zu Euch spricht, Palamedes von Paphos.«

»Aber ist es dem Menschen«, hörte ich Bertrade die Frage aufwerfen, »nicht ganz unmöglich, die trübende Phantasie von seinem Denken fern zu halten?«

»Dies ist in der Tat«, bestätigte der Astrolog, »dem gewöhnlichen Menschen unmöglich. Die ganze Geschichte des menschlichen Denkens beweist es.«

»Und hältst du das, mein Palamedes, für ein so großes Übel?« fragte der Graf.

»Was geht mich die gemeine Menschheit an?« sprach Palamedes in gereiztem Ton. »Eine Schmach ist es aber und ein Verbrechen, daß solche, die sich als Wissende ausgeben und sich den göttlichen Namen eines Magiers beilegen, von den Dämonen nicht anders reden, als ein unwissender Mönch von seinen Teufeln, und das Unvorstellbare, das Unnennbare und das Ungestaltbare auch wieder mit Namen, Formen und Farben bekleben, wie Knaben ihre Steckengäule, und alles wieder zur Fratze verzerren. Betrüger sind es, Scharlatane sind es und Vogelscheuchen des Pöbels, wenn sie auch von Königen gehalten werden, wie unter vielen andern jener Narnesische Schelm und Erzhalunke, der auf Plessis-les-Tours den König von Frankreich mit seinen unverschämten Lügen füttert, indem er sich zugleich zu seinem Hofnarren und Hanswurst erniedrigt. Dieser elende Marktschreier rühmt sich in seiner Großmäuligkeit, einen schwarzen, in Gold ausgelegten Aronstab vom König von Ungarn, ein silbernes Astrolabium vom Kaiser Friedrich und seinen Lendengürtel aus Pergament mit den aufgezeichneten Bildern des Zodiakus gar vom römischen Papst erhalten zu haben. Den König Matthias von Ungarn nennt er nicht anders als seinen geliebten Bruder, vom römischen Kaiser spricht er nicht anders als von seinem ergebenen Freund und ist doch nur ein Schlauch voll Unwissenheit, ein übertünchtes Grab, ein eiteriges Geschwür, ein Wanst voller Blähungen, ein geiler Bock, eine gefräßige Sau, kurz, ein stinkendes Luder.«

Ein ungewisses Lächeln umspielte die Mundwinkel des Grafen bei diesen groben Worten. Es war, wie wenn er sich zwar freute, daß der Astrolog der allerchristlichsten Majestät so schlecht gemacht wurde, und doch auch sich ein wenig schämte über die unflätige Art, wie dies geschah.

Doch schwieg er, indem er mit Daumen und Zeigefinger sich den Spitzbart glättete.

Auch Bertrades hochgezogene Brauen verrieten einen deutlichen Mißmut.

»Ihr sprecht so übel von den trübenden Bildern«, sagte sie, »und macht selber so üppigen Gebrauch davon.«

Der Gelbgesichtige wollte erwidern, aber der Bischof von Lectoure ließ ihn nicht zu Worte kommen. Dieser spendete lebhaften Beifall.

»Ein stinkendes Luder, ein faules Aas, nennt Ihr Euern Zunftgenossen beim König,« rief er, »kein Wunder, daß der Lug ihn um sich hat. Nichts riecht seine Nase lieber. Wenn nicht auf jedem Baum seines Parks von Plessis-les-Tours wenigstens zwanzig Gehenkte stinken, dünkt ihn die Luft nicht geheuer. Er zieht dann die Nase kraus: ›Gevatter Tristian‹, sagt er, ›es fängt an, schlecht hier zu riechen, sorge mir für neue Räucherkerzen.‹ Er meint damit die gehenkten Opfer. Wo er nicht auf Schritt und Tritt über einem Lappen von faulem Menschenfleisch ausglitscht, da dünkt ihn der Weg allzu hart.«

Der Bischof wurde unterbrochen. Ein Mann von der Wache meldete dem Grafen, sein Kanzler, Meister Gratian Favre, von Paris zurückgekehrt, sei eben auf der Burg angelangt.

»Aber das ist ja ein tolles lupus in fabula,« rief der Graf lebhaft erregt; »erscheint auch nicht der Wolf, so doch der Fuchs, der ihn umschnüffelt hat.«


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