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Eilftes Kapitel

Eine unglückliche Brautwerbung

Schon seit einigen Wochen war es mir aufgefallen, daß der Bastardbruder unseres Grafen, der Bischof von Lectoure, nicht mehr auf der Burg gesehen wurde, während er doch vorher fast keinen Tag an der gräflichen Abendtafel gefehlt hatte. Und immer im vollen bischöflichen Ornat war er erschienen, zu dem dann sein von Narben entstelltes Kriegergesicht mit der eingeschlagenen Zahnlücke und den vorstehenden Fangzähnen unter der verschrumpften Oberlippe in schreiendem Widerspruch standen.

Wahrlich, ich sehnte mich nicht nach diesem Anblick; dennoch fragte ich eines Morgens Bertrade nach dem Grund der bischöflichen Unsichtbarkeit.

Sie verwunderte sich sehr, daß ich von der Sache nichts wußte, nämlich, daß der Bischof im Auftrag des Herrn Grafen und von zahlreichem ritterlichen Gefolge begleitet, eine Reise nach Rom angetreten habe, um persönlich beim päpstlichen Stuhl seine Bestätigung zu betreiben, die ihm eine Versammlung französischer Bischöfe zu Toulouse versagt hatte.

Nun, dachte ich bei mir, der Gestrenge muß die römische Kurie wohl für so unwissend halten, als er selber in theologischen und juristischen Materien sein mag, wenn er sich von diesem Unternehmen einen Erfolg versprechen kann.

Der Herr Bischof von Lectoure, wie er nun hier einmal hieß, war aber gar nicht so dumm, und seine Romreise war in einer Absicht unternommen, worauf gewiß niemand geraten hätte, am wenigsten ich selber, der doch nachher in dieser Sache eine so unglückliche Rolle spielen sollte.

Noch einen andern Vorfall sah ich erst durch die später eintretenden Ereignisse in seinem wahren Licht, während er für jetzt gleichfalls keinen Verdacht in mir weckte.

An einem dieser Tage verließ ich spät am Abend, da es schon dunkelte, die Kapelle, wo ich die Laudes und andere Stundengebete ad Vesperas et Completoria in Stille für mich gesprochen hatte. Ich wollte auf meine Kammer steigen, und mein Weg führte mich an dem gewölbten Gemach vorüber, wo sich das gräfliche Archivium befand und unser Herr Graf auch einen Teil seiner Bücherei verwahrte.

Dieser Ort, sonst fast immer wohl versperrt, war mir dennoch nicht unbekannt, da ich mich darin dem rotbärtigen Meister Gratian schon einige Mal im Entziffern alter Urkunden behilflich erwiesen hatte.

Aus den Stimmen, die jetzt aus dem Innern des Gewölbes mein Ohr trafen, konnte ich abnehmen, daß die Türe nur unvollkommen geschlossen sein mußte. Da wollte ich, meine Schritte beschleunigend, vorüber eilen, aber in heftigem Zorn hervorgestoßene Worte des Herrn Grafen erschreckten mich dergestalt, daß ich wie gelähmt innehielt.

»Einem Bettler«, so rief der Graf, »soll ich die Schwester geben, die einst eine Königin werden sollte im stolzen Albion.«

Eine gedämpfte Stimme antwortete, die ich nicht zu erkennen vermochte und deren Worte mir nicht verständlich wurden. Aber noch lauter als zuvor erscholl darauf des Grafen Rede.

»Was soll mir Euer königliches Blut,« rief er mit bebender Stimme, »wo habt Ihr Euer Reich, Eure Städte und Burgen und wo Eure Völker, die Euch zinsen, und Eure Ritter und Eurn Heerbann?«

Und nach einem Augenblick der Stille in ruhigerem Ton:

»Nein, kleiner Vetter, diesen Traum schlage dir aus dem Kopf, wenn ich nicht glauben soll, daß dir in dem Räderwerk deines Gehirns eine Schraube losgegangen ist.«

Und wieder hörte ich gedämpfte Gegenrede, wie bittend und flehend; nicht verstand ich die Worte, aber die Stimme klang mir nicht mehr fremd, es war die des Herrn Gaston von St. Leu.

Nur wenige Atemlängen hörte der Graf ihm zu, und dann fielen seltsame und rätselhafte Worte, hinter denen ich damals vergeblich nach einem Verstand suchte, bis dann eines Tages das Ungeheuerliche mir in grellem Licht vor Augen stand.

»Schweiget,« herrschte der Herr Graf den Ritter an, »Ihr wißt nicht, was Ihr redet. Ja,« fügte er dann sanfter hinzu, »laß es genug sein, Gaston, mein Kind. Denn das bist du, ein Kindskopf. Ich müßte dich sonst für toll erklären. Nennen wir's kindlichen Unverstand, der noch nichts begreift von den harten Notwendigkeiten der Welt. Und wenn du erst ahntest, was noch verborgen ist, du müßtest schaudern darüber, was du dir herausnahmst, von mir zu verlangen. In den Boden zu versinken vor meinem Blick, müßtest du wünschen. Danke Gott für deine kindliche Blindheit.«

»Herr, Ihr irrt Euch,« sprach jetzt der Ritter mit erhobener Stimme.

»Was meint Ihr?« der Graf zornig dagegen.

Und der Ritter festen Tons: »Ich war nicht blind; ich weiß, was ich von Euch begehre und daß es mehr ist als Eure Schwester.«

»Schaut mir den Vetter,« hörte ich jetzt mit kaltem Lachen den Grafen entgegnen, »er möchte nicht der dumme Knabe sein. Aber ich glaube gar, er nimmt seine Tollheit für Tapferkeit. Nun, bedanke dich bei deinem Stern, er hieß dich eine glückliche Stunde wählen, ich bin guter Laune heute. Aber höre dies, mein Söhnchen – – –«

Weiter konnte ich hier den Herrn Grafen nicht verstehen, er sprach so leis, als ob er dem Herrn Gaston seine Worte ins Ohr flüstere.

Auch was der junge Ritter hierauf erwiderte, gelangte nicht zu meinem Verständnis.

Erst als der Herr Graf von neuem seine Stimme erhob, wurde mir die Rede abermals verständlich, wenigstens den Worten, wenn auch nicht dem Sinn nach.

»O du weggelaufenes Schülerlein,« rief er, »den warnenden Engel willst du spielen. Meinen Schutzengel gar. Deine Frechheit ist groß. Soll ich dich durch meine Häscher deinem Vater zuführen lassen, daß er dir die Rute gebe, du entkuttetes Dreiviertelsmönchlein.«

Die Antwort des Herrn Gaston war mir unhörbar, um so lauter die Entgegnung des Grafen.

»Du wagst es, «rief er in grimmigem Zorn; »hinaus von mir! Soll ich dir die Hundepeitsche geben? Hinaus, sage ich, und laß dich nicht mehr blicken vor meinen Augen. Du bist ein richtiger Albret, ich hätte es bedenken sollen. Geh! Geh! Lauf, was du laufen kannst, lauf zu meinem Feinde, Bube. Zu dem Lutzen lauf, dem gekrönten Patron aller Überläufer und räudigen Hunde! Tod und Teufel! Hinaus, wenn ich nicht den Wärtel des Bärenzwingers rufen soll.«

Und ich sah Herrn Gaston aus der Türe schwanken.

Sein Aussehen konnte ich nicht bemerken, aber sein Gang, den schmalen Estrich hinunter, war der eines Menschen, dem ein Schlag das Gehirn betäubt hat.

Ich stand noch einen Augenblick, zitternd an allen Gliedern, dann setzte ich, unsichern Trittes, meinen Weg fort und gelangte, unbemerkt von unserm Herrn, aber krank im Gemüt, auf meine Kammer.

Und wahrlich, Gott mußte mich mit Blindheit geschlagen haben, daß ich den wahren Sinn dieses schrecklichen Auftritts nicht zu fassen vermochte, so deutlich er sich doch in fast grauenhaften Worten aussprach.

Den Tag darauf fügte es sich, daß ich mit Bertrade in dem Metamorphoseon die Geschichte des von Apollo mißhandelten Marsyas las:

»Wie er auch schrie, Apoll zog über die Glieder die Haut ihm,
Und nichts war, als Wunde, zu sehn; Blut rieselte ringsum.«

Nach diesen Worten hielt Bertrade inne und sah mich an.

»Was denkt Ihr, Herrin,« fragte ich.

»Ich denke,« antwortete sie, »daß die Götter böser sind als die Menschen. Der arme Marsyas hat, und noch dazu ohne es zu wollen, den Gott in seiner kleinlichen Musikereitelkeit verletzt, und dafür diese entsetzliche Strafe. Was würdet Ihr dazu sagen, wenn mein Bruder den Ritter von St. Leu also behandelt oder ihm von unseren Bären hätte das Fell über die Ohren ziehen lassen, die damit umzugehen wissen.«

Ganz entsetzt über so harte und grausame Worte starrte ich Bertrade sprachlos ins Gesicht.

»Nun ja,« sagte Bertrade ruhig, »er würde durch seine abscheuliche Felonie eine solche Behandlung eher verdient haben als der sanfte Marsyas mit seinem unschuldigen Flötengeblase.«

O Gott, dachte ich bei mir, die Ahnungslose! So hat ihr niemand gesagt, daß der Ritter sie liebte und zu seiner Gemahlin verlangte? Oder wäre es möglich, daß sie, gleich ihrem Bruder, darin ein Verbrechen erblicken könnte?

»Aber wie ich sehe,« sprach die Jungherrin weiter, »wißt Ihr noch gar nichts. Nämlich, Herr Gaston von St. Leu ist diese Nacht heimlich aus dem Kastell und der Stadt entwichen, und mein Bruder zweifelt nicht, daß er zum König geritten ist, um treulos seinen Wohltäter zu verraten.«

Sie ist wirklich ahnungslos, mußte ich denken; der Graf hat sie in Unwissenheit gelassen.

»Aber mein Bruder«, nahm Bertrade abermals das Wort, »zürnt mehr sich selber als dem Ritter. Er hätte es wissen können, sagt er, daß die von Albret es ohne Ausnahme mit dem König halten, und königlich sein, das heißt todfeind sein dem Blut von Armagnac.«

»Welch unglückselige Verwirrung,« rief ich aus, »und ist denn nicht der König die von Gott gesetzte Obrigkeit für alle?«

»Nicht weiter,« rief Bertrade und sah mich streng und herrisch an mit gerunzelter Stirne und aufgeworfenen Lippen.

Doch wie immer – und damit hatte sie mich von je bestochen – verflog ihr Grimm, rasch, wie er gekommen.

»In solchen Dingen«, sprach sie begütigend, »seid Ihr wie ein Kind. Lassen wir also die Politik, ich weiß, daß Ihr sie garstig findet.«

Und damit rückte sie das schöne Buch zurecht, dieses Prachtgeschenk ihres Bruders aus Venetia, und schickte sich an, weiter zu lesen.

»Grausig entblößt lag Muskel und Nerv, und die bläulichen Adern
Schützender Hülle beraubt – – –«

Doch Bertrade unterbrach sich.

»Kennt Ihr die Geschichte«, fragte sie, »des Herrn Jakob von Armagnac, Grafen von La Manche und Herzogs von Nemours?«

Ich kannte sie nicht.

»O Mönchlein,« rief sie, fast schon wieder aufflammend im Zorn, »wo waret Ihr verkrochen, und habt Ihr im Grabe gelebt, daß Euch allein die Fama nichts berichtet hat von dem entsetzlichen Schicksal unseren Herrn Vetters, von dessen grausamen Martern durch alle Lande Frankreichs in einem Jahr mehr gesprochen worden ist als in hundert Jahren von den Leiden jenes Christus, der doch als Gott verehrt und angebetet wird. So höret denn, Ihr Mensch des unterirdischen Lebens; hört und schaudert:

»In der großen Stadt Paris, weit draußen in einer Vorstadt, die nach St. Anton benannt ist, erhebt sich eine dick ummauerte, viel getürmte Veste, man heißt sie die Bastille oder die Burg von St. Anton. Darin, tief in einem der untersten Verließe, sitzt ein noch junger Mann, aber schneeweiß von Haar, eingesperrt in einen engen eisernen Käfig, so eng und niedrig, daß der Elende, der darin schmachtet, weder am Boden sich ausstrecken, noch zu aufrechter Haltung sich emporrichten kann.

»Sagt, ist das nicht eine graziöse Erfindung? Aber obwohl seiner würdig, ist sie doch nicht dem Gehirn des Lutz entsprungen, wie die gepanzerte Pallas Athene der Stirne des Zeus, sondern der Bube eines Schneiders bei der Stadt Poitiers, der sich heut Kardinal Balue nennt, ist der verdienstvolle Erfinder dieser sinnreichen Maschine.

»Und also der Elende, der darin schmachtet, kann sich weder am Boden ausstrecken, noch zu aufrechter Haltung emporrichten. Noch dazu sind ihm Arme und Beine angeschmiedet, und keine andere Stellung ist ihm möglich, als die eines Tiers auf allen Vieren. Und Tag und Nacht ist er also eingegittert, und jeden Morgen, so will es die heuchlerische Frömmigkeit dessen, der sich König von Frankreich nennt, muß ein Priester dem Gefangenen, wie zum Hohn, die Messe lesen vor dem Käfig und einen Psalm sprechen, worauf dem Unglückseligen in einem Hundenapf sein Futter gereicht wird.

»Doch, das muß man sagen, immerdar bleibt der Gebeugte nicht in seinem Stangengitter. Von zwei Monaten zu zwei Monaten wird er für drei Stunden herausgeholt. Und zu welchem Geschäft, meint Ihr? Zu keinem andern, als daß ihm die Daumenschrauben angelegt und seine Hände und Füße mit Nägeln durchbohrt und die Glieder ihm gereckt werden mit Stricken, die über Rollen laufen, und alles, um ihn dahin zu bringen, ein Verbrechen zu gestehen, das er nie begangen hat.

»Und niemand anders ist der also Gemarterte, als mein und meines Bruders leiblicher Vetter, Jakob von Armagnac, in seiner frühen Kinderzeit der Gespiel und Bettgenoß dessen, der sich heut den König von Frankreich nennt.

»Und nicht nur die unschuldsvollen kindlichen Freuden hat er mit dem Königskind brüderlich geteilt, er war auch sein treuer Gefährte in den Tagen der Verbannung, als auf dem jungen Prinzen der Zorn des Königs lastete. Und wohl hat der Lutz nach König Karls Tode seinen alten Freund hoch erhoben, hat ihn zum Grafen von La Marche, zum Herzog von Nemours, zum Pair von Frankreich und zum Statthalter von Isle de France gemacht.

»Das tat er, weil er als junger Regent noch nicht wagen durfte, anders zu handeln, als wie es alle Welt von ihm erwartete.

»Er hat aber den Freund nur erhöht, um ihn bald darauf desto tiefer zu stürzen. Als dieser eines Tages zusammen mit Eleonore, seiner Gemahlin, von Nemours aufbrach, um sich zu dem ausgeschriebenen großen Gerichtstag nach seiner Statthalterschaft zu verfügen, wurde er an der Grenze seines Herzogtums von königlichen Kriegsleuten angehalten und zum Gefangenen gemacht. Die Herzogin Eleonore erschrak darüber so sehr, daß sie in eine hitzige Krankheit verfiel, der sie schon in wenigen Tagen erlag. Sie war aus dem Hause Bourbon und eine Base des Königs. Der Herzog aber wurde nach der Dauphince gebracht und bei der Stadt Vienne in der Burg Pierrescie in unterirdische Kerker geworfen. Schon damals ist ihm in wenigen Tagen das Haar erbleicht.

»Ludwig von Frankreich aber (wie er genannt wird) drängelte seit dieser Zeit unausgesetzt sein Pariser Parlament und verschmähte kein noch so niedriges Mittel, die Richter dieses obersten Gerichtshofs dahin zu bringen, das Todesurteil über den Herzog zu verhängen, auf welchem dennoch keine andere Schuld lastet, als daß er seinem Vetter, meinem Bruder, während dessen Verbannung in ferner Fremde einigen Beistand leistete.

»Wenn an dem Herzog eine hinreichende Schuld gefunden werden könnte, hätte ihn das Parlament, das heute mehr in der Gewalt des Königs ist als je, längst verurteilt. Dieser Widerstand des Parlaments ist ein glänzender Beweis für die Unschuld des Mißhandelten.

»Aber freilich, der Lutz wird nicht eher ruhen, als bis er seinen Kindheitsgespielen aufs Schaffot gebracht hat.

»Einstweilen, wenn ihn seine Geschäfte nach Paris führen, verfehlt er niemals, dem Bettfreund seiner Jugend seinen Besuch abzustatten in seinem Kerkerloch, wo er dann vor den Käfig des Gefangenen tritt, den er anredet mit den alten süßen Namen der Freundschaft und ihn erinnert in scherzhafter Rede an gemeinsame Knaben- und Jünglingsstreiche, also sein Herz in teuflischer Freude erlabend an dem Jammer des Erbarmungswürdigen, von dem er darauf nie anders weggeht, als mit einem beißenden Hohnwort auf den Lippen.

»Und das, meint Ihr, sei – wie habt Ihr Euch ausgedrückt? – die von Gott gesetzte Obrigkeit für alle! Ich aber sage dir, Mönch, du spottest deines Gottes und mißbrauchst ärgerlich seinen Namen, indem du ihn mit solchen Dingen in Zusammenhang bringst.«

Hier schwieg Bertrade und hielt den Blick ihrer großen mandelförmigen Augen starr auf mich gerichtet.

Mit ihren schmalen, aber zornvoll ausgeworfenen Lippen und den scharfgezeichneten und weitgespannten schwarzen Bögen über ihren Augenhöhlen erinnerte sie mich lebhafter als je an das Antlitz jenes Bildes, das nicht in Farben aufgetragen, aber von farbigen Steinwürfeln zusammengesetzt im Refektorium unserer Brüder zu Noisac in die Wand gemauert war und eine byzantinische Prinzessin vorstellen sollte.

Von ihr erzählte man, daß sie auf dem ehelichen Lager mit ihrem Buhlen zusammen, einem zarten Knaben, noch fast im Kindesalter, von ihrem Gemahl ertappt und mit eigenen Händen erdrosselt worden sei.

Ich vermochte Bertrade nichts zu antworten. Schaudernd saß ich mit zu Boden gerichteten Augen. Sie aber erhob sich heftigen Rucks, ergriff das goldbeschlagene venetianische Buch, das sie langsam schloß, und mit den Worten: »In vieles mischt Ihr den Namen Eures Gottes, wo er nicht hingehört,« schritt sie hochaufgerichteten Hauptes aus dem Saal.

Wenn ich aber nicht zu antworten vermocht hatte, so lag das nicht daran, daß ich nichts gegen ihre Erzählung vorzubringen gewußt hatte; es drängten sich mir, im Gegenteil, der Widerreden und Gegenargumente nur zu viele in den Sinn, so daß ich nicht imstande war, sie leichthin zum Ausdruck zu bringen. Besonders mußte ich der Reden gedenken, die mir ehemals über den Vater jenes Jakobus von Armagnac und Herzogs von Nemours zu Ohren gekommen waren und welche diesem, als dem Erzieher und Gouverneur des Herrn Ludwig, alle Schuld beimaßen an der Auflehnung des jungen Prinzen gegen seinen königlichen Herrn, so daß demnach auch der Samen dieses Verbrechens, womit der königliche Sproß sein Leben befleckte, von dem Blut von Armagnac ausgegangen wäre, dem Herd und sozusagen Brüteofen alles Aufruhrs und Rebellentums dieser unglückseligen Zeiten.

Doch zu meinem eigenen Unheil dachte ich damals nicht weiter, und erst als das kommende Ungeheuerliche mir vor Augen stand, sah ich den Zusammenhang. Und begriff, was ich mir damals schon hätte sagen müssen, daß eine so wilde Empörung, wie die des ganzen Hauses Armagnac, gegen die von Gott gesetzten äußeren Gewalten, zuletzt zur Auflehnung auch gegen alle übrige Ordnung Gottes des Allerhöchsten führen muß, als insbesondere zur Verachtung und Verhöhnung der ewigen Sittengesetze und göttlichen Gebote, worauf die Welt allein beruhen kann wie ein von Menschenhand aufgeführter Bau auf seinen Fundamenten und Grundpfeilern.


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