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Zehntes Kapitel

Welchergestalt Bertrade von ihrem Bruder beschenkt wird.

Durch das Verschwinden unserer Frau Gräfin war ich herrenlos geworden auf dem Kastell zu Lectoure, und also war mein Gedanke, nun unverzüglich nach Le Saremonin den Frieden meines Klosters zurückzukehren.

Als ich aber von Bertrade Urlaub nehmen wollte, sah sie mich, in ihren Stuhl zurückgelehnt, erst längere Zeit schweigend an, wie abwesend. Und weil meine Augen sich senkten vor den ihrigen, fiel mein Blick auf ihre schmale weiße Hand, die über dem Löwenkopf des Sesselarms lässig niederhing und die mich, worüber ich erschrak wie über eine heimliche Gotteslästerung, an die Hand der heiligen Jungfrau erinnerte, auf einem Bild, das ein frommer Kastilianer über dem Frauenaltar unserer Klosterkirche zu Le Saremon gemalt hat – dasselbe, vor dem ich nicht ganz zwei Jahre zuvor die allerchristlichste Majestät unseres Herrn Ludwig im armen Pilgermäntelchen inbrünstig im Gebet sehen durfte, und vor dem ich in wenigen Tagen selber fromm und dankbar zu beten hoffte.

Es sollte anders kommen.

»Ich scheine Euch wenig zu gelten, daß Ihr von mir weggehen wollt,« kam es plötzlich mit fast harter Stimme über Bertradens schmale Lippen.

Und da ich in meiner Verwirrung keine Antwort fand –

»Ich mag Euch gern leiden,« fuhr sie fort, »ich bin jedenfalls an Euch gewöhnt. Ihr tut mir eine Freundschaft, wenn Ihr bei mir bleibt. Ich müßte mir einen andern Kaplan nehmen, der vielleicht ein unwissender Tölpel wäre; denn mein Bruder will, daß ich wie mit weltlichen so mit geistlichen Dienern nach Herkommen und Stand versehen sei. Außerdem hat mir Meister Gratian, unser Kanzler, gesagt, daß Ihr ihm zur Entzifferung von altem Geschrift, das seine schwachen Augen nicht mehr lesen können, schon einigemal unentbehrlich gewesen wäret.«

Das hatte allerdings Meister Gratian Favre auch mir gegenüber geäußert. Dennoch wagte ich dagegen einzuwenden, daß ich mich durch meine Gelübde des Rechtes begeben hätte, über mich selber von freien Stücken zu verfügen.

»Ich weiß, ich weiß,« rief Bertrade lebhaft, »also ich werde an Euren Pater Prior schreiben, den weinlustigen Dominum Guilbertum, daß er dazu sein Sprüchlein sage.«

Bei dieser Berufung auf meinen Obern blieb mir weiter nichts übrig, als mein Verhalten in dessen Entscheidung zu stellen. Auch schrieb Bertrade unverzüglich an unsern Pater Prior, der mir bald ein eigenhändiges, wenn auch kaum leserlich gekritzeltes Brieflein zugehen ließ, worin er es sich nicht versagen konnte, sein Gebot, der Jungherrin von Armagnac auch fürderhin zu Dienst und Willen zu sein, mit einigen lustigen Glossen seiner Art gar freundlich zu verbrämen, und auch scherzend seines Zipperleins zu gedenken, das ihm jetzt allnächtlich ein treuer Bettgenoß sei und ihm, so waren seine Worte, den Schlaf sicherer vom Leibe halte, als eine junge Buhle, sie wäre auch noch so schön, je vermöchte. Er ist ein treuer Verwalter seines Hauses immer gewesen und seinen Brüdern ein liebevoller Anwalt, unser guter Prior, aber von schalkhaften Späßen, Gott verzeih ihm, konnte er in seinem Leben nicht lassen.

Fügte ich mich also schweigend dem Gebot meines Obern und blieb auf Burg Lectoure, wo sich in der nächsten Zeit immer mehr ein üppiges und schwelgerisches Leben auftat und der Graf sich eine Hofhaltung einrichtete, gleich der eines großen Königs. Und gleich einer Königin wurde auch Bertrade gehalten in Schmuck und zahlreicher Dienerschaft, was sie aber nicht abhielt, ihrer alten Gewohnheit treu zu bleiben und allmorgendlich mit mir zusammen eine Stunde und länger ihrem geliebten Dichter zu widmen.

Zu denen, die zu ihrer Aufwartung bestellt waren, gehörte auch der junge Herr Gaston von St. Leu. Er war ihr vom Herrn Grafen zum dienenden Ritter bestellt worden, schien aber, wie ich bald zu bemerken glaubte, dieses Amt noch in einem andern Sinn zu verstehen, als dies von dem Herrn Grafen gemeint war, wie es sich nur allzu bald zu seinem großen Harm und Leidwesen zeigen sollte.

Herr Gaston von St. Leu war, wie ich schon angedeutet habe, ein jüngerer Sohn des Herrn Karl von Albret Grafen von Astarac, und jüngerer Bruder des derzeitigen Königs von Navarra. Seine Familie hatte ihn für den Dienst der Kirche bestimmt, und darum war er schon früh seinem Oheim, dem Abt von Moisac, zur Erziehung übergeben worden. Ader bei der Rückkehr des Grafen von Armagnac in seine Grafschaft ist er dann, gelockt von der abenteuerlichen Fama des königfeindlichen Vetters, aus der alten Abtei entflohen, um sich dem Geächteten und nun triumphierend Heimkehrenden begeistert anzuschließen und gegen Federspule und Skapulier das blanke Schwert und den stählernen Harnisch einzutauschen.

Und schnell hatte der Graf den anhänglichen Jüngling und Vetter lieb gewonnen, dessen Vater, als treuer Anhänger des Königs, zu seinen bösesten Feinden gehörte. Dem Grafen mußte die Gefolgschaft des armen Vetters eine um so größere Genugtuung sein, als er mit diesem Fang so glücklich war, wie das gemeine Volk sagt, nicht nur zwei, sondern drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich der heiligen Kirche einen zukünftigen Diener, seinem verhaßten Oheim, dem Herrn Karl von Albret, einen Sohn und dem König von Frankreich einen Anhänger abspenstig zu machen.

Besonders seit dem glückbegünstigten Fehdezug gegen den unseligen Grafen von Foix, wo der neugebackene Schildknappe sich auch gleich, und wahrscheinlich keineswegs im Spiel, die goldenen Sporen gewann, schien der Graf den jungen Herrn Gaston vor allen andern zu begünstigen, wie zur Genüge aus der bevorzugten Stellung zu ersehen ist, die er dem blutjungen Vetter bei der geliebten Schwester einräumte, wozu gar mancher den flaumbärtigen Jüngling aus mancherlei Gründen für wenig geeigenschaftet halten mochte.

Nichts verwunderliches aber mochte einstweilen dabei sein, daß der schlanke, blonde Ritter sich in seinem neuen dienstlichen Verhältnis an seine früheren skolaren Übungen erinnerte. In diesem Sinne geschah es, daß er seiner jungen Herrin, wie sonst auf der Jagd oder beim Ringelspiel, nun auch zu deren weniger ritterlichen, nämlich poetischen Vergnügungen seine Gesellschaft und seine Dienste anbot, die auch keineswegs abgelehnt wurden.

Wenn ich sage, seine Dienste anbot, so war das, wie so oft, nur eine Art zu reden. Denn mit dem Latein des jungen Ritters stand es nicht zum glänzendsten und war er darin mehr Schüler als seine Herrin selbsten.

Auch schien mir seine Liebe für Meister Virgilium fast ein wenig heuchlerisch. Er hatte bei unserem gemeinschaftlichen Lesen seine Augen wenig im Buch, wie auch, wenn ich so sagen kann, seine Gedanken. Wo er diese letzteren hatte, wüßt' ich nicht zu sagen, aber was die Augen anbelangt, so hätten diese, statt in den Schriftzügen aus gelbem Pergament, am liebsten nur immer in den stolzen Zügen auf seiner Herrin Angesicht gelesen, die ihm aber noch dunklere Rätsel aufzugeben schienen als die schwierigsten Stellen des Mantuaners.

Denn auch bei dieser Gelegenheit betrug sich Bertrade nicht so, wie wohl ein anderes Jungfräulein in ihrer Lage. Das offensichtliche Schmachten des Ritters erregte ihr weder Lust noch Unlust, war ihr weder ein Ärger noch eine Genugtuung oder gar eine Schadenfreude, vielmehr verriet nichts in ihrem Betragen, daß sie auch nur im geringsten darauf achte, so gleichmütig verhielt sie sich in ihrer stillen Heiterkeit und so sicher und ruhevoll, daß ich glauben mußte und fast heute noch glaube, sie sei ohne Ahnung geblieben vor dem heißen Begehren, das doch so sichtbar flammte in den blauen Augen des schönen Jünglings.

Nur wenn einmal der Graf hinzutrat, zog er sich in ein bescheidenes Betragen zurück und wagte nur verstohlen seine brennenden Blicke nach Bertrade hin ausschweifen zu lassen.

Denn wirklich geschah es um diese Zeit, daß der Herr Graf, der dennoch meine Person lange Zeit keines Blickes gewürdigt, einigemal herzutrat, während wir lesend in dem mehrfach genannten offenen Bogengang saßen. Und dann mußte ich erstaunen, wie lieblich und weich seine Stimme klingen konnte, wenn er seiner Schwester Lob spendete wegen ihrer Liebe zu den lateinischen Dichtern. Denn er selbst liebte die heidnische Poesie über alles, und man konnte erkennen, welch Vergnügen es ihm machte, uns öfter aus dem Gesang, wo wir gerade lasen, ganze Reihen von Versen aus dem Gedächtnis aufzusagen. Dennoch meinte er einmal, daß die Vorliebe der Mönche für den Mantuaner nicht darauf beruhe, daß sie seine wahren und großen Schönheiten fühlten, sondern auf echt mönchischen Deuteleien, weswegen sie denn auch den viel größeren Poeten, nämlich den Ovidium Nasonem, noch immerdar arg verketzerten und verleumdeten, dessen Fabeln doch unendlich mannigfaltiger seien und hundertmal reicher an ergötzlichen Einfällen und göttlichen Tollheiten.

»Auch mir«, sprach Herr Gaston niedergeschlagenen Blickes und wie in schalkisch knabenhafter Verschämtheit, »hat man zu Moisac das Buch des Ovidii schlecht gemacht als eine Sammlung zuchtloser Historien, die sich für einen christlichen Jungherrn nicht schicken.«

Der Herr von Armagnac aber, zu dem Pagen hinter sich gewendet, befahl: »Das rote Buch aus Venetia.« worauf der Herr Graf zum erstenmal und plötzlich an mich das Wort richtete:

»Kennst du das Metamorphoseon, Pfäfflein?«

Ich antwortete, daß ich das Such, einem Befehl des Vater Prior gehorchend, auf Bologneser Pergament selber abgeschrieben habe.

»Tod und Teufel,« versetzte der Graf, indem sich sein Gesicht zu spöttischer Grimasse verzog, »wozu schreibt ihr denn die alten Bücher ab, ihr Tröpfe, wenn doch niemand sie lesen soll? Und glaubt ihr gar, der stolze Herr Ovidius, der angebetete Liebling der vornehmsten und schönsten Römerinnen, habe seine lustigen Historien geschrieben für stinkende Faune in grobhärenen Kutten? Aber was hat euer Weinschlauch von Prior mit euren beschriebenen Pergamentblättern gemacht?«

»Er hat sie«, antwortete ich bescheiden, »in Sauleder binden und in die Libreria stellen lassen.«

»In Sauleder?« rief der Graf, »das mag für eure sogenannten Kirchenlehrer passend sein und ander mönchisch Geschrift. Aber den gloriosen Ovidium in Sauleder! Da seht her. So wissen die edlen Venetianer die Reliquie eines göttlichen Dichters zu fassen.«

Mit diesen Worten nahm der Herr Graf dem zurückgekehrten Pagen ein Buch ab, das dieser in beiden Händen wie das Venerabile vor sich hinhaltend herbeigebracht hatte. Es stak in einem mit grüner Seide überkleideten Futteral von Filz, und als es der Graf daraus hervorzog, war es ein Band in glattem Leder von schönster roter Farbe, die Ecken mit ornamentierten Goldplatten beschlagen, auf denen je drei dunkle Rubinen gleichsam die Nägelköpfe vorstellten, während die goldene Schließe – es gehörte auch ein goldener Schlüssel dazu – mit Edelsteinen der verschiedensten Farben besetzt war.

»Habt Ihr je«, wandte sich der Herr Graf an seinen Vetter, den jungen Ritter von St. Leu, »in Eurer Abtei zu Moisac, deren Abt doch für reicher gilt als im Altertum jener berühmte König von Lydien, habt Ihr je, frage ich, dort einen Bucheinband gesehen gleich diesem? Nur halbvermoderte Knochen von sogenannten Heiligen versteht man bei uns so kostbar zu fassen. Die Italiener allein ehren würdig die alten Poeten, wie sie auch tiefer als andere ihre Schönheiten mit lebendigem Gefühl zu erfassen und zu genießen vermögen.«

»Barbaren sind es, abendländische Barbaren,« sprach unvermutet eine fremde Stimme, die aus dem Grabe zu kommen schien.

Der Astrolog, der Mann im feuerfarbenen Talar mit dem breitbärtigen Gelbgesicht, hatte es gesprochen. Er war, von allen unbemerkt, hinter uns aufgetaucht, wie aus dem Boden emporgestiegen.

»Ich weiß, ich weiß,« antwortete darauf der Graf, um dessen Lippen es wie ein nachsichtiges Lächeln spielte, »aber in deinen Augen, Freund Palamedes, sind auch die Lateiner und ihre Poeten abendländische Barbaren.«

»In meinen und in den Augen eines jeden Griechen,« versetzte der Astrolog. »Rohe Soldaten waren diese Latiner, eine spätgekommene, dem Geist der Philosophie unzugängliche Rasse. Es gab eine Zeit, da wollten sie unsere Schüler sein; auf uns wirkte ihr Eifer im Lernen wie die Tölpelei von Bauern, deren angeborener bäurischer Geist sich trotz faltiger Gewänder nicht verstecken und verleugnen ließ.«

»Aber ihre Dichter«, rief unser Herr Graf fast hitzig, »sollst du mir nicht verachten, mein Palamedes, und sollst mir nicht schelten, nicht den zärtlichen Catullum und nicht diesen da, den Sänger und Sager der lieblichsten Geschichten von Göttern und Menschen.«

»Schelte ich die Kinder, daß sie Kinder sind?« versetzte das Gelbgesicht mit starrem Ernst. »Und Kindereien sind die Phantasiegebilde der Dichter. Wie sollte Palamedes von Dichtern reden. Nur ein einziger Sterblicher hat Dinge geschrieben, die es verdienen, daß der menschliche Geist sich ewig darein versenke, weil ihm alle Geheimnisse Himmels und der Erde aufgeschlossen waren. Nur Plato, der Göttliche, hat für Palamedes geschrieben.«

»Und nicht auch Euer großer Aristoteles,« fragte der Graf (aber an einem spöttischen Seitenblick, den er mir zuwarf, erkannte ich, daß er als ein Versucher sprach), »Euer großer Aristoteles,« fuhr er fort, »dem die Heutigen sogar göttliche Unfehlbarkeit zusprechen, als welche von vielen sogar selbst dem römischen Pontifex verweigert wird.«

»Palamedes redet nicht von Gewürzkrämern und Apothekern,« sprach der Astrolog feierlich, »und nicht von begrifflichen Haarspaltern und nicht von Steckenpferdreitern des Syllogismus, Palamedes redet allein von dem Einen, dem Großen, dem Göttlichen, von ihm, der nur für wenige geschrieben hat und dessen wahre Lehre, voll der tiefsten Geheimnisse, heute vielleicht niemand in ihrem rechten Sinne versteht außer Palamedes; denn dunkel sind die Worte des großen Plato, und seine Bildnisse und Gleichnisse sind tief wie Abgründe des Meeres, wo es am unergründlichsten ist. Und wie sollte er gar von unwissenden Mönchen verstanden werden, ihnen fehlt jeder Schlüssel zu der Pforte seiner Erkenntnis. Sie schwören darum auf Aristotelem, den Gemeinverständlichen, den Stammvater aller Skolarphilosophie und Magisterweisheit. Wohl bekomme es ihnen! Sie haben ja auch aus dem Märchenerzähler Virgilio, dessen Bücher hier liegen, einen Weisen gemacht. Sogar für einen großen Magier schreit das Volk ihn aus und nennt mit abergläubischem Entsetzen seinen Namen. Kindisch sind die Völker, und der große Haufen, das ist die große Dummheit. Für Kinder und das Volk hat dieser Virgilius geschrieben. Darum ist er in aller Mund, und verborgen ist diesem Säkulum der große Plato. Ich aber, Palamedes, ich sage Euch, ein leerer Schall ist jedes Wort der Erkenntnis, Er hätte es denn zuvor geprägt, und der Geheimlehre geheimste ist Blendwerk und hohler Humbug, sie habe denn ihre Quelle in Ihm, dem Göttlichen.«

Auf diese prahlerischen Worte hin und nach einem hochmütigen Kopfnicken gegen seinen Herrn, den Grafen, und unhörbar, wie er erschienen war, entfernte sich der unheimliche Geselle, dessen verächtlicher Ausfall gegen Aristotelem, auf den doch die größten Lehrer der Kirche sich berufen, offen den Erzketzer und Heretikus in ihm verrieten, wofür ich ihn immer gehalten habe.

Der Herr Graf aber hatte bereits das Buch der Verwandlungen des Ovidii aufgeschlagen vor Bertrade auf den Tisch gelegt und blätterte nun darin. Und zeigte der Schwester die kleinen Bildchen, die zwischen die goldenen Stäbe und Ranken der Initialen mit kunstreicher Hand gemalt, aber in dem, was sie vorstellten, derart waren, daß sie einer Jungfrau in Gegenwart eines jungen Ritters die Schamröte ins Gesicht treiben mußten.

Doch geschah es nicht also mit der Jungherrin von Armagnac.

Den jungen Herrn Gaston sah ich bei einigen dieser Bilder rot werden vor schämiger Verlegenheit, während hingegen Bertrade nur ein wenig rascher über solche hinwegblätterte und sich weniger dabei aufhielt als bei denen, wo nichts Anstößiges zu sehen war, worüber dem Grafen, der, aufrecht an ihrer Seite, sie heimlich beobachtete, ein seltsam Lächeln um die Mundwinkel zuckte.

»Soll ich Euch das Buch schenken?« fragte er dann plötzlich, »so könnt Ihr mit Eurem Kaplan hier nach Wahl und Gutdünken darin lesen.«

»O Herr,« antwortete Bertrade, »das wäre ein allzu kostbares Geschenk für mich.«

»Ein allzu geringes wollt Ihr sagen,« versetzte der Graf hastig. »Aber nehmt es an, mir zur Liebe.«

»Und wie kann ich Euch danken, Herr?«

»Keinen andern Dank«, sprach der Graf, »begehre ich als diesen«, und neigte sich über Bertrades Schulter und drückte lange seine Lippen auf die ihrigen, nicht achtend unserer Gegenwart, worüber es den jungen Herrn Gaston wieder rot überlief, aber so, wie wohl ein Mädchen erröten mag, das mit Gewalt geküßt wird; denn seine Augen bekamen dabei einen zornigen und bösen Blick, wie ich ihn nie an ihm gesehen hatte.


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