Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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39. Staatsverwaltung König Friedrich Wilhelms I. von Preußen.

Preußische Geschichte III u. IV, Werke Bd. 27 u. 28 S. 160-183.

Wenn es unleugbar ist, daß die gesamte Administration den Zweck hatte die Armee zu erhalten und zu vermehren, so wäre derselbe doch nicht durch einseitig drückendes Gebot zu erreichen gewesen. Die Verwaltung Friedrich Wilhelms charakterisiert es, daß sie zugleich die natürlichen Hilfsquellen des Landes erschloß und seine Ertragsfähigkeit hob. Dabei eröffnete sich ihm ein weites Feld für sein eigentümliches Talent und eine dem Bedürfnis entsprechende Tätigkeit. Bei seines Vaters Tode, sagt er einmal, habe er nicht allein die Armee in ungenügendem Stande gefunden, sondern auch die Domänen verpfändet und zum Teil in Erbpacht ausgetan, die Finanzen einem Bankerott nahe, in allen Dingen eine unbeschreibliche Unordnung, überdies das Land Preußen durch eine verderbliche Seuche herabgebracht. Alledem abzuhelfen, und zwar in verhältnismäßig kurzer Zeit, erklärt er für sein Meisterstück.

Die Grundlage von allem war die landwirtschaftliche Einrichtung, namentlich der Domänen. Wir berührten schon, welchen Anteil er an dem Falle des Erbpachtsystems hatte;Als Kronprinz im Jahre 1710; s. Preußische Geschichte 1 u. 2, S. 466. er hielt es für eine seiner dringendsten Angelegenheiten, die bei seiner Thronbesteigung noch in den Händen der Erbpächter befindlichen Domänen sich wieder zuzueignen. Das Erbstandsgeld, das sie gezahlt, ließ er ihnen zurückgeben, aber sofort mit Sack und Pack sollten sie die Güter räumen, welche sein, des Königs, seien, deren Besitz ihm von Gott und Rechts wegen zugehöre. Die Gefahr dieses Versuches diente ihm zum Anlaß, eine alte Satzung des Hauses, nach welcher die von den Vorfahren angeerbten Lande nicht veräußert werden durften, in den stärksten Ausdrücken zu erneuern und auf alle Güter und Einkünfte auszudehnen, die seitdem erworben seien oder noch erworben werden würden.Edikt über die Unveräußerlichkeit der Domänen vom 13. August 1713. Der König führte überall die Zeitpacht zurück und genoß das Vergnügen, seine Einkünfte dabei sich noch mehren zu sehen. Die Pacht war immer auf sechs Jahre bestimmt, und er ordnete die strengste Aufsicht bei Erneuerung derselben an. Der Präsident der Provinzialkammer, unter welchem die Ämter stehen, soll sie bereisen sowie der Schnee schmilzt, nachsehen ob die Zahl und Beschaffenheit der Äcker mit dem Anschlag übereinkommt, diese nötigenfalls wieder ausmessen lassen und sich in Person eine so genaue Kenntnis verschaffen, daß er weder von den Pächtern noch etwa von seinen Räten betrogen werden kann. Für jede Verbesserung sollen Voranschläge gemacht und diese alsdann um keines Hellers Wert überschritten werden; der Pächter, der durch seine Kaution gebunden ist, soll niemals Zahlungsfrist erhalten. Die Hofkammer, die an der Erbpachtsache so vielen Anteil genommen, ward aufgelöst und eine allgemeine Direktion der Domänen eingerichtet, unter welcher sämtliche Amtskammern standen. Eine andre Art von Aufsicht, die alle Behörden durchsetzte und in einer mehr durch Furcht als durch Hoffnung angeregten Spannung hielt, führte der König selbst; für den Betrieb der Landwirtschaft hatte er nicht weniger Gaben als für den militärischen Dienst und sich ebensoviel besondere Kenntnis davon erworben.

Man hat damals gesagt, was man von Friedrich Wilhelm I. nicht erwarten sollte, eine Stelle aus einem alten griechischen Klassiker habe in dieser Beziehung einst in seiner Jugend großen Eindruck auf ihn gemacht, ein Kapitel Xenophons,Schrift über die Haushaltungskunst ÏÉ÷ïíïìé÷üò (Oikonomikos) 4, 5-11. Sie wird dem Kronprinzen in einer Übersetzung vorgelegt worden sein. worin es von dem persischen Könige heißt, er bekümmere sich ebensoviel um den Landbau wie um den Krieg, bereise die verschiedenen Landschaften seines Reiches oder lasse sie besuchen; nach dem Zustand, worin er sie finde, messe er Belohnung und Strafen ab. So lebte und webte auch er in dieser doppelten Richtung der Tätigkeit. Alle Jahre finden mir ihn von einer Provinz zur andern reisen. Was ihn dabei am meisten beschäftigt, ist die Verbesserung der Domänen, mit der er systematisch vorgeht, nicht in allen Provinzen zugleich, sondern in einer nach der andern. Er hat dabei, wie seine Aufzeichnungen zeigen, auch allenthalben die lokalen Interessen im Auge: in den östlichen Provinzen den Mangel an kleinen Städten, in Brandenburg die Regulierung des Forstwesens, namentlich den Verkauf des Holzes an die Holländer und Hamburger, um nicht etwa durch die Beamten selbst übervorteilt zu werden, im Magdeburgischen den Vertrieb des Salzes, die Erhöhung der Rente von den Kohlenbergwerken. Man sieht überall den sorgsamen und gebieterischen Hausherrn, der seine Erträge erhöhen will, ohne jedoch, wie er versichert, die Untertanen zu drücken, die er vielmehr in bessern Stand zu bringen sucht.

Den größten Wert legte er auf die Förderung der Manufaktur. Die allgemeine Überzeugung in Deutschland gegen Ende des 17. und im Anfang des 18. Jahrhunderts ging dahin, daß die tief herabgekommene deutsche Industrie ohne strenge Maßregeln vollends zugrunde gehen müsse. In den gelesensten Schriften klagt man, daß das Übergewicht der französischen Manufaktur der deutschen Nation die innerste Kraft des Lebens, d. h. die der Hervorbringung, entziehe, das Blut aus ihren Adern sauge. In der Mark Brandenburg sah man die traurigsten Beweise des Verfalls vor Augen. Die Tuche der Priegnitz und der Altmark, die bisher in Hamburg gefärbt und dann nach dem Norden verführt worden, fanden dort keinen Absatz mehr, weil sie den gestiegenen Ansprüchen nicht mehr genügten. Wie sollten sie die englische Konkurrenz auf den fremden Märkten aushalten, da sie ihr auf den einheimischen unterlagen? Von hohem Werte in dieser Hinsicht war die Einwanderung der französischen Flüchtlinge. Was bisher aus England oder aus Frankreich mit großen Kosten bezogen worden, wurde nun im eignen Lande hervorgebracht, sogar mit dem Erfolg, daß es wieder ausgeführt wurde. Friedrich Wilhelm war unendlich glücklich, daß das Geld im Lande bleibe; er sah die Manufakturen, nach dem Ausdruck des Paters VotaEin Jesuit im Dienste des Königs August II. von Polen, der öfter am preußische Hofe erschien; Preußische Geschichte 1 u. 2, S. 441. 457. wie ein ergiebiges Bergwerk an.

Sehr wahr, daß die Theorie, der er folgte, mit einer Überschätzung des baren Geldes zusammenhingt;Vgl. Colbert o. S. 197. allein abgesehen hiervon war es doch von der dringendsten Notwendigkeit, den gewerbtreibenden Teil der Bevölkerung dem Verderben zu entreißen, in den ersten Bedürfnissen des Lebens nicht ganz vom Ausland abhängig zu werden. Wer wollte es tadeln, daß man der fremden Arbeit eigenen Fleiß entgegensetzte und das Unentbehrliche selbst hervorzubringen suchte. Die deutsche Nation durfte die gewerbliche Tätigkeit nicht aufgeben, welche in früheren Jahrhunderten einen so wichtigen Bestandteil des städtischen Lebens ausgemacht hatte.

An seiner Stelle fand nun König Friedrich Wilhelm in dem Bedürfnis der Armee ein Mittel, die Manufaktur zu heben, indem er ihr eine umfassende Beschäftigung anwies. Er wollte, daß die Bekleidung der Armee ganz durch einheimischen Stoff beschafft würde. Einer der früheren Minister, der bei dem neuen König übrigens wenig in Gunst stand, erwarb sich doch das Verdienst, den Gedanken ausführbar zu machen. Noch war die einheimische Manufaktur gerade in diesem Punkt sehr mangelhaft. Jener Minister, der Generalempfänger Kraut, zog geschicktere Arbeiter heran und wußte den Preis der Wolle mit dem Gelde, das man aufzuwenden hatte, in Verhältnis zu bringen. Nach einiger Zeit gelang es zugleich feine und wohlfeine Tuche zu erzielen, welche nicht nur die ausländischen verdrängten, sondern auch selber Eingang in fremde Länder fanden. Bald zeigte sich mehr ein Mangel als ein Überfluß an Wolle; das Lagerhaus, so nannte man das Institut, beschäftigte Tausende von fleißigen Händen in Berlin und im ganzen Lande.

Friedrich Wilhelm hielt darüber, daß der Soldat allezeit in sauberer Kleidung einherging, jeder immer mit zwei Monturen versehen war. Bald aber legte er auch der Ritterschaft und den Untertanen als Pflicht auf, seinem und seiner Armee Beispiel hierin zu folgen, sich sowohl zur Bekleidung wie zu jedem andern Behuf nur einheimischer Wollwaren zu bedienen.Edikt, daß vom 1. Januar 1720 keine fremden Tücher noch andre außer Landes verfertigte wollene Waren getragen und gebrauchet werden sollen; Mylius V, 2 S. 318. R. ( Mylius, Corpus Constitutionum Marchicarum, 6 Teile, 1736.) Und nicht allein die fremden Produkte aus diesem Stoff verbot er, sondern auch die baumwollenen, denen das Land nichts Gleiches entgegenzusetzen hatte. Im November 1721 hat er verfügt, daß binnen acht Monaten niemand, weder vom männlichem noch von weiblichem Geschlecht, von hohem oder niederem Stande, auf dem Lande oder in den Städten, denn so pflegten seine Edikte die verschiedenen Kategorien der Beteiligten aufzuzählen, feine oder grobe Kattune tragen solle, bei einhundert Reichstaler fiskalischer Strafe. Er kannte die Mittel sich Gehorsam zu verschaffen, und sieben Jahre darauf versichert man uns, daß niemand mehr an die fremden Waren denke, überall seien sie durch wollene Landzeuge und Leinengewebe ersetzt. Das wäre aber unmöglich gewesen, wenn die Ausfuhr der Wolle, wobei dem einheimischen Gewerbe nur der schlechteste Teil übrig blieb, fortgedauert hätte. Die sogenannte Wollpragmatika des KönigsEdikt vom Jahre 1719. und viele erläuternde Edikte verbieten sie auf das strengste, suchen sie unmöglich zu machen. Man traf Einrichtungen, um den Verkauf der gefallenen Wolle bei der Akzise zu kontrollieren. Es konnte nicht an lebhaften Beschwerden fehlen; der König erwiderte, in Staatsangelegenheiten gehe das Heil des Ganzen dem Nutzen des einzelnen allemal vor.

Um aber nicht nach soviel empfindlichen Beschränkungen am Ende doch mit schlechter Arbeit heimgesucht zu werden, ordnete er eine scharfe Aufsicht über die Gewerbe an.Die Gewerbefreiheit ist in Preußen erst durch das Edikt vom 2. November 1810 eingeführt worden. Den Tuchmachern ward vorgeschrieben, wie die Wolle zu säubern, nach ihrer Beschaffenheit zu sondern, geschmeidig zu machen, zu kämmen sei, wieviel Stein zu jeder Art von Zeug verwandt werden müssen, nicht anders als wie einst Colbert den französischen Gewerken die ausführlichsten technischen Vorschriften gab.Französische Geschichte 3, 177.

Auch die preußischen Schaumeister schwuren, die Tücher, wenn sie vom Wirkstuhl, aus der Walke und aus der Färbe kommen, genau zu prüfen, die vorkommenden Mängel zu gebührender Bestrafung anzuzeigen. Dem Gildebrief der Garnweber ward eine Tabelle beigegeben, aus der ein jeder sehen könne, wieviel Ellen Linnen er von seinem Garn zu fordern habe. In den Jahren 1734-36 erhielten 63 Gewerke neue Gildebriefe, um allen eingerissenen Mißbrauchen zu steuern und jedem sein besonderes Gebiet anzuweisen. Auch die fünf Handwerke, die man auf dem Lande duldete, wurden durch beschränkende Gesetze an die städtischen Innungen gebunden. In den Städten aber untersuchte man nach der Zahl der Einwohner und der Summe des Verbrauches, wieviel Handwerker etwa in dem einen oder andern Zweige noch fehlen und daselbst ihre Nahrung finden möchten. Ausländern, welche sich dazu melden würden, bot man nicht unansehnliche Begünstigungen dar; Einheimische ließ man nur dann zu, wenn sie nachwiesen, daß sie in dem Ort ihres Aufenthaltes nicht zu bestehen vermöchten. Man organisierte gleichsam die Arbeit vom monarchischen Standpunkt.

Und kein Zweifel, daß diese Bemühungen im allgemeinen erfreulichen Erfolg hatten. Das Gewerbe selbst konnte in kurzem die Konkurrenz der Nachbarn aushalten; die blauen Tuche von Berlin erwarben sich einen gewissen Ruf in Europa. Ein wichtigerer Vorteil ist es, daß die städtische Bevölkerung in der Mark wieder an Bestand gewann. Nach den vorliegenden, freilich unvollständigen Listen kann man sie in den Jahren 1713 und 14 wohl nicht höher als 100 000 anschlagen, wovon gegen die Hälfte auf Berlin kommt; im Jahre 1723, von dem wir genau unterrichtet sind, zählte man in den märkischen Städten 137945, im Jahre 1738 206520 Einwohner. Die Bevölkerung war in diesen späteren Jahren um ein Drittel, in der ganzen Regierungszeit wahrscheinlich um die Hälfte gestiegen. In der Hauptstadt wuchs die Einwohnerzahl auf 80 000 an, ungerechnet die Garnison, welche 16000 Mann betrug. Es leuchtet ein, daß der gewerbtreibende Stand hierdurch eigentlich aufs neue begründet worden ist. Von der Armee darf man wohl sagen, daß ihr Bestehen diesen allmählichen Fortgang nicht nur nicht behindert, sondern gefördert hat. Ohne die Garnisonen wäre an den Ertrag der Verbrauchssteuer, auf dem das ganze Finanzsystem beruhte, nicht zu denken gewesen. Friedrich Wilhelm ließ dieselbe in der Hauptsache, wie er sie fand,Die Akzise war als Verbrauchssteuer in den Städten 1667 vom großen Kurfürsten eingeführt; die Landbewohner zahlten Kontribution nach dem von den märkischen Ständen 1666 zugestandenen Satze; Preußische Geschichte 1 u. 2, S. 278 ff. erhöhte aber den Steuersatz der ausländischen Waren zum Besten der inländischen Fabrikate. Er war hierzulande der erste, der Schutzzoll und Akzise in die enge Verbindung brachte, in welcher sie hernach geblieben sind. Er bekannte sich zu dem Grundsatz, das eben sei der Stein der Weisen, daß man das Geld im eigenen Lande zurückhalte. Ebensowenig würden, ohne den durch die Armee gesteigerten Verbrauch von Lebensmitteln, die Bauern ihre Kontribution haben bezahlen können. Nur mit Unrecht hätte sich der Adel über die Beschränkungen beklagt, die ihm auferlegt wurden.Dazu gehörte auch die Zahlung einer Steuer an Stelle des Lehnsdienstes 1717 eingeführt; 3 u. 4, S. 154 ff. Der steigende Verbrauch, der sonst nicht möglich gewesen wäre, kam doch wieder dem Landbau zustatten. Was man gesagt hat, daß kein Morgen Landes in England sei, der nicht aus dem Anwachs von London Vorteil ziehe, fand, wenngleich in geringerem Maßstab, auch hier Anwendung. Zunächst Mittel- und Uckermark mußten durch die Nähe von Berlin gewinnen; die Uckermark wird als die Kornkammer der Hauptstadt bezeichnet. Aber auch die andern Provinzen jenseit der Oder und Elbe fingen an, den Überschuß ihres Getreides daselbst abzusetzen. Was man bei dem Wollhandel verlor, ersetzte sich durch den Verkauf des Getreides wieder. Dieses durfte nie unter einen gewissen Marktpreis sinken. Wie oft hätte man in Königsberg oder in Tilsit, bei freier Zufuhr aus Polen, um 1/8 oder 1/6 Taler kaufen können, wofür man jetzt wenigstens 1/4 bezahlen mußte. Der nächste Grund war, daß der König seine Pächter nicht in den Fall kommen lassen wollte, zahlungsunfähig zu werden, aber die Anordnung kam allen Gutsbesitzern zustatten. Für die Städte und die Miliz ward dadurch gesorgt, daß man den Preis auch wieder nicht allzuhoch steigen ließ. In Zeiten von Mißwachs und Teuerung öffneten sich die königlichen Magazine, die in wohlfeilen Jahren gefüllt worden waren, und nicht selten erwies sich diese Fürsorge überaus segensreich. Im Jahre 1736 z.B., wo man in der Nachbarschaft, in Polen und Schlesien, das ganze Unheil einer Hungersnot aushalten mußte, empfanden die brandenburgischen Lande kein besonderes Ungemach. Der Bauer ward mit Korn zur Aussaat unterstützt, das er nach eingebrachter Ernte zurückerstattete. Das wohlgeordnete Staatswesen sollte sich über die Zufälligkeit der Anwendung menschlicher Kräfte und über die Schwankungen der Natur erheben.

Man hat es als den vornehmsten Grund betrachtet, warum die Alten sich so wenig wissenschaftlich mit finanziellen Fragen beschäftigt haben, daß es dabei darauf ankomme, aus immer ungleichen Einkünften die immer ungleichen Bedürfnisse zu bestreiten;Zitat aus der Einleitung zu Böckhs »Staatshaushaltung der Athener«. hier war vielmehr der Sinn, beide fortwährend gleichzuhalten und in gleichem Verhältnis miteinander zu entwickeln. Friedrich Wilhelm stiftete 1723 in dem GeneraldirektoriumDer volle Titel war: General-Ober-Finanz-Kriegs- und Domänendirektorium; es hat bis 1806 bestanden. eine Behörde, die vor allem auf die Erreichung dieses Zweckes hinarbeiten sollte. Man weiß, daß die nächste Veranlassung zur Gründung derselben in den Zwistigkeiten lag, die zwischen dem Kriegskommissariat, welches die Kriegsgefälle in den Städten und auf dem Lande, Akzise und Kontribution, verwaltete, und dem Finanzdirektorium, das die Bewirtschaftung der Domänen leitete, ausbrachen. Ihre Befugnisse, aus verschiedenem Ursprung herrührend, stießen nicht selten gegeneinander. In dem einen erschien der Fürst als großer Landbesitzer, seinem Adel gleichartig, in dem andern als allgemeiner Kriegsherr. Es kam vor, daß die Domänenkammern den Pächtern Zugeständnisse machten, die den Anordnungen des Kommissariats widersprachen, und Klagen gegen dasselbe, welche die Stande erhoben, mit unterzeichneten. Durch den allgemeinen Wetteifer im Dienste, den der Ernst und die Wachsamkeit des Königs erweckt hatte, ward das Übel erst recht zutage gebracht. Hierauf beschloß Friedrich Wilhelm, die beiden Behörden zu vereinigen. Bei einem einsamen Aufenthalt in Schönebeck im Dezember 1722 setzte er den Entwurf einer Instruktion in aller Ausführlichkeit mit eigener Hand auf; am 19. Januar 1723 wurde sie den Mitgliedern der beiden Kollegien bekannt gemacht. Zur Herstellung größerer Einheit wurden auch in den Provinzen Kammern und Kommissariat verbunden; für diese gab der König nach, daß der eine Beamte sich mehr dem einen, der andre mehr dem andern Zweige widmen möge; doch forderte er die genaueste Kenntnis derselben. Der Rat z. B., dem die Städte obliegen, soll deren Zustand in bezug auf Handel und Wandel, Armut und Nahrung, Bürger und Einwohner so genau kennen, wie ein Kapitän den Zustand seiner Kompagnie. Dagegen sollen die Mitglieder der höchsten Behörden mit beiden Zweigen vertraut sein, ebensowohl der Landwirtschaft wie dem Städtewesen. Hier waren immer mehrere Provinzen in eine Abteilung unter einem Minister vereinigt; die östlichen übernahm Grumbkow, die mittleren Kraut, die westlichen Kreuz und Görne; doch war für jede Abteilung ein besonderer Tag zum Vortrag bestimmt, dem dann auch die Minister der andern beiwohnten; für die gefaßten Beschlüsse waren sie insgesamt verantwortlich. Der König behielt sich das allgemeine Präsidium vor. Wie der Gedanke in seinem Kopfe Gestalt empfangen, so zeigte er sich unermüdlich tätig, ihn fruchtbar zu machen, überzeugt daß er dadurch die Wohlfahrt des Landes und die Macht seiner Krone auf sicherem Grunde befestige.

Nun erst war es möglich, den Staatshaushalt in Preußen systematisch zu ordnen. Schon war der Versuch einer Rechenkammer gemacht, die aber aus zwei Kollegien bestand, das eine für die Domänen, das andre für die Kriegsgefälle, diese wurden jetzt ebenfalls vereinigt und dem Generaldirektorium beigegeben. Die Zusammenstellung der General-Kassenrechnungen in genügender Form hatte nicht geringe Schwierigkeit; die erste ward im September 1724 zustande gebracht. Die Rechnungen reichten immer vom 1. Juni bis 31. Mai, und wenigstens die Summen der Beträge, wobei aber die beiden Kassen ferner geschieden blieben, finden sich seitdem in den Akten des Generaldirektoriums verzeichnet. Im Jahre 1724 schließt die Generaldomänenkasse ab mit nahe an 3 Millionen Talern, 1726 mit mehr als 3 ½, 1727 mit etwas über 4 Millionen, die Generalkriegskasse mit 3 800 000, 4 200 000, 4 600 000 Talern.Es folgen bei Ranke noch speziellere Zahlen über das Wachsen der Einkünfte, die hier übergangen sind.

Wäre die staatswirtschaftliche Grundlage, auf welcher diese Einnahmen beruhen, nicht zureichend gewesen, so würde man sie bald nicht mehr haben einbringen können; in der Tat aber finden wir sie in fortwährendem Anwachsen begriffen. Die ganze Ökonomie des Staatshaushalts war so eingerichtet, daß zu außerordentlichen Ausgaben immer Rat wurde.

In den ersten Jahren war die Schuld Friedrichs I. zu tilgen, der Pommersche Krieg zu führen; dann wurden große Güter gekauft, in zwei Jahren 1717-18 allein für 600 000 Taler. Von Juni 1720 bis Januar 1721 war man imstande, die zwei Millionen abzuführen, die zur Besitznahme von Pommern erfordert wurden;Zahlung an Schweden auf Grund des 1720 zu Stuckholm geschlossenen Friedens. indessen war schon das große Werk der Herstellung von Preußen begonnen. Hier hatte die Pest mehr als ein Drittel der Einwohner hingerafft; am meisten hatte sie in Litthauen gewütet, wo ihre volle drei Viertel der ohnehin nur spärlichen Bevölkerung erlegen waren; weit und breit überwuchsen die Ländereien mit Gesträuch und Unkraut. Dem entgegenzutreten hielt nun der König für eine seiner dringendsten Pflichten; in den Jahren 1721, 24, 26, 28, 31, 36 ist er selber in Preußen gewesen; er hat die Pläne entworfen und ihre Ausführung überwacht; Litthauen mußte gleichsam neu kolonisiert werden. Im Jahre 1722 langten, wie einst im 13. Jahrhundert, Schwaben, Franken, Niedersachen in guter Anzahl an; der König ließ sie auf seine Kosten von Halberstadt nach Stettin, von da zu Schiffe nach Königsberg bringen. Schon waren die Häuser erbaut, in die sie eingewiesen werden sollten; sie empfingen die Ackergeräte, wo denn der Halberstädter Pflug den einheimischen verdrängte. Die Anzahl dieser Kolonisten mochte sich um 1730 auf 17000 belaufen. Eine ungefähr gleiche machten die Salzburger aus, welche hier für ihre religiöse Überzeugung die erwünschte Freistätte fanden und nun dem Ganzen erst recht Charakter verliehen. Im Jahre 1736 zählte man schon 332 mit bäuerlichen Wirten neu besetzte Dörfer; der Boden erwies sich freigebiger, als man erwartete. Zugleich hatte Friedrich Wilhelm zehn wohlgelegene Marktflecken und Kirchdörfer mit Stadtrechten und Magistratspersonen versehen,Namentlich Gumbinnen, wo dem Könige ein Denkmal errichtet ist. wo man das gewonnene Getreide vertrieb, das aufgezogene Vieh mit den polnischen Grenznachbarn austauschte, auch nach kurmärkischer Weise in Wollenmanufakturen arbeitete, wo die Beamten für Regierung und Rechtspflege ihren Sitz nahmen und kleine Garnisonen einlagerten. Auch hierbei stand Leopold von Dessau dem König zur Seite. Von ihm aufgefordert, hat er einen ansehnlichen Teil der wüsten Ländereien erworben und mit Kolonisten von der mittleren Elbe her besetzt; zum Bau des prächtigen Schlosses, das er in BubainenIm Kreise Insterburg. errichten ließ, schickte er die Handwerker aus seinem Erblande. So erhob sich hier an den Grenzen der germanischen Welt eine neue Schöpfung. »Die Erde ist wieder angebaut,« sagt der Kronprinz in einem Briefe von 1739 an Voltaire, »das Land bevölkert; wir haben mehr Städte als jemals früher, und der Handel kommt in Blüte. Der König hat es weder an eigener Mühe noch an dem, was andre antreiben kann, fehlen lassen; keinen Aufwand hat er gespart; Hunderttausende denkender Wesen verdanken ihm ihr Dasein oder ihr Glück.« Auch noch andre Agrikulturunternehmungen hat der König in Ostpreußen versucht, oft freilich mit größerem Aufwände als Erfolg. Es machte ihn zuweilen unglücklich, wenn er bedachte, daß in den fünf Jahren 1722-27 über drei Millionen Taler nach Preußen gegangen, was er anderswo mit dem Gelde geschafft haben würde, und wie wenig dort damit ausgerichtet sei.

Doch wurden die übrigen Provinzen mit nichten verabsäumt. Im Jahre 1724 wurde auf einmal in zehn vorpommerschen Städten mit königlicher Beihilfe gebaut; Häuser und Tore erhoben sich in Stettin, der Hafen von Colberg, die Fährschanze von Anklam wurden instand gesetzt. Kleve und Mark empfingen Beihilfe zur Erweiterung der Städte Krefeld, Sonsbeck, Iserlohn und zum Behuf ihrer Wasserwerke und Salzsiedereien. Neuanbauende finden wir besonders zahlreich im Bezirk von Magdeburg, in dieser Stadt selbst, in Genthin, Schönebeck, Salze; eine pfälzische Kolonie ward daselbst angesiedelt. Bis 1732 sind überhaupt zwei Millionen auf Zivilbauten verwendet worden, welche jeder Provinz nach ihrem Bedürfnis zugute kamen. Wieviele Städte der Kurmark haben, besonders wenn ein Brandunglück eintrat, wie so häufig, zu besserem Aufbau unterstützt werden müssen! An andern Stellen wurden die Dämme verbessert, z. B. bei Spandau, Fehrbellin. Ein in seiner Art vortrefflich gelungenes Werk war die Urbarmachung des Havelländischen Luchs, wo die wilden Gewässer, die das Land sieben Meilen weit bedeckten, durch ein paar große Kanäle, mit vielen Binnengräben und mehr als dreißig ansehnlichen Dämmen, gebändigt und den Elementen der für eine holländische Musterwirtschaft eben geeignete Boden abgewonnen wurde.

So ward nun auch der Hauptstadt eine Sorgfalt ohnegleichen gewidmet. Die Friedrichsstadt, welche von Friedrich I. schon zu einem ansehnlichen Umfang gebracht war, wurde um die Hälfte erweitert. Die großen Plätze in der Mitte der Stadt und an den drei Toren, die schönsten Paläste in der Wilhelmsstraße, einige vortrefflich gelegen zwischen Hof und Park, mit geräumigen hohen Zimmern und großen Sälen, die das Maß nicht überschreiten und eine solide Wohlhabenheit atmen, die meisten mit weiten und schattigen Gartenanlagen versehen, sind das Werk dieser Zeiten. Im Gedächtnis der Menschen, das erduldete Leiden nicht leicht vergißt, sind besonders die Zwangsmaßregeln geblieben, die zur Erbauung der Straßen angewendet wurden, und bei dem ohnehin mit Mühseligkeiten erfüllten Dasein der meisten Menschen sind sie vielen ohne Zweifel unendlich beschwerlich gefallen; aber ebenso wahr ist, daß der König wieder mit eigener Anstrengung zu Hilfe kam. Viele Millionen von Mauersteinen, zuweilen auch Kalk und Holz sind den Anbauern geliefert worden. Zu gleicher Zeit wurde Potsdam um drei Viertel seines früheren Umfanges erweitert. Ganze Wälder wurden in die tiefen Moräste getrieben, um die Quarres darauf zu errichten, worin die Soldaten des großen Regiments Wohnung finden sollten: Häuser von derselben Höhe, Form und Farbe; jede Abwechselung wäre gleichsam Willkür gewesen, da der König allein baute und überall dasselbe Bedürfnis obwaltete. Dort in der Kirche, welche er für die Garnison errichtete, ließ er ein Gewölbe mit Marmor auslegen, darin er selber begraben sein wollte, in der Mitte seiner militärischen Stiftung, nicht bei seinen Altvordern im Dom zu Berlin.

Will man von der verwaltenden Tätigkeit Friedrich Wilhelms einen Begriff bekommen, so muß man die Akten ansehen, worin er den Eingaben seiner Behörden oder den Vorstellungen von Privatleuten seine Entscheidungen beigefügt hat. Zuweilen, wiewohl selten, sind sie ziemlich ausführlich; sie sind auf ungewöhnlich starkes blaugraues, doch für die Feder nicht unbequemes Papier hingeworfen, auf ganzen Bogen, in ungraden Linien, mit großen, kaum zu entziffernden Schriftzügen, in wildgewachsener Orthographie, regelloser Satzbildung, aber in der Sache zum Ziele treffend, gesund im Kern; auch die flüchtigsten Worte enthalten seinen Gedanken und Sinn. Mit Recht weist er einmal den Kronprinzen an, in seinen Marginalien die Landesverwaltung zu studieren. An den einzelnen Dingen entwickelte sich die Behandlung derselben, die mehr auf lebendigem Begriff als auf einem vorher angenommenen Grundsatz beruhte.

Manchmal machen seine Anordnungen den Eindruck des kleinlichen Zwanges, wie wenn er bei der Errichtung der Feueranstalten den Obrigkeiten befiehlt, die gefährlichen Feuerstellen abzuschaffen, wo es an Steinen fehlt, sie mit einer Lehmwand in nötiger Höhe zu umziehen und die von oben herabhängenden Hürden abnehmen zu lassen; sollte ein Beamter dies versäumen, so soll er gehalten sein, den entstehenden Schaden zu ersetzen; wer durch Verwahrlosung eine Feuersbrunst veranlaßt, soll mit Staupenschlag angesehen werden. In diesem Stil wird ferner das Abreißen der Stroh- und Schindeldächer in den Städten, das Anschaffen von Feuerhaken und Spritzen, das Aufstellen der Wachtmannschaften eingeschärft; überall ist die genaueste Anweisung und ernste Bedrohung verbunden. Dabei aber kann man nicht leugnen, daß die Sache von großer staatswirtschaftlicher Bedeutung war; der mühsam erworbene Besitz der Kultur, den die menschlichen Wohnungen ausmachen und enthalten, muß vor der verderblichen Gewalt der Elemente soviel wie möglich geschützt werden. Sollten dann alle Vorkehrungen erfolglos bleiben, so sorgt man wenigstens dafür, daß der einzelne nicht zugrunde gehe: die Anordnungen, die Friedrich Wilhelm zu gegenseitiger Versicherung aufstellte, gehören zu den ersten ihrer Art und enthalten die für die Sache wesentlichen Bestimmungen.Feuerordnung in den königlichen Residenzien 1727; Reglement wie es bei der in denen Residenzien aufgerichteten Sozietät mit den von denen Eigentümern der Häuser zu Ersetzung eines Feuerschadens aufzubringenden Beitrag zu halten 1718. R.

Nach allen Seiten hin übte er diese fürsorgende Aufmerksamkeit aus. Den Gesundheitsämtern, die er einrichtete, schreibt man zu, daß durch ihre Vorkehrungen ansteckende Krankheiten abgewandt worden seien; seine Almosenämter suchten die private Wohltätigkeit mit oder ohne den Willen der Menschen zu dem unumgänglich Erforderlichen herbeizuziehen.Medizinaledikt 1725; Verordnungen über Armenwesen und Bettelei 1725.

Aus den Standpunkt, den er einmal eingenommen, erklärt sich, wie er die Wissenschaften ansah. Man dürfte zwar nicht glauben, daß das einmal Gegründete unter seiner Regierung zurückgegangen sei; an den Universitäten wirkte eine Anzahl ausgezeichneter Professoren, wie Heineccius, Böhmer, Ludewig;Juristen in Halle; Just Henning Böhmer, Verfasser eines Lehrbuchs der Pandekten. die Gesellschaft der WissenschaftenDie von Friedrich I. 1700 gegründete Akademie. besaß in PottApotheker in Berlin, gestorben 1777; vgl. Kopp, Geschichte der Chemie. Braunschweig 1843-47. einen der größten Chemiker des Jahrhunderts, in FrischJoh. Leonhard Frisch, Rektor des Gymnasiums zum Grauen Kloster, verdient um die deutsche Sprachforschung. einen Philologen von seltenem Umfang des Wissens. Gunst und Förderung aber hatte sich nichts zu versprechen, als was zu dem öffentlichen Nutzen beitrug, und zwar dem unmittelbaren, wie ihn der König verstand. Bei der Gesellschaft der Wissenschaften schuf er ein neues Institut für medizinisch-chirurigische Studien,Das 1723 gegründete Friedrich Wilhems-Institut zur Ausbildung von Militärärzten. das der Armee erheblichen Vorteil geschafft hat; an der Universität Halle stiftete er, einen in diesen Zeiten öfter vorgetragenen Wunsch erfüllend, eine besondre Professur in Ökonomie-, Polizei- und Kameralsachen zur Bildung seiner Beamten und übertrug sie einem Gelehrten, der zugleich des Dienstes kundig war. Den Hallischen Juristen trug er auf, den Entwurf eines neuen Landrechts auszuarbeiten, und sehr bemerkenswert sind die Gesichtspunkte, die er ihnen angab.Ordre an die Juristenfakultät zu Halle, 18. Juni 1714. R. – Da die Professoren in Halle nichts zustande brachten, beauftragte der König einige Jahre später den Geh. Justizrat v. Cocceji, den er 1727 auch zum Justizminister ernannte. Dieser ließ sich zunächst die Hebung des Richterstandes und die Abkürzung der Prozesse angelegen sein; sein Gesetzbuch wurde 1748-51 als Corpus iuris Fridericianum veröffentlicht, aber nur zum Teil eingeführt. Nach Coccejis Tode hemmte der Siebenjährige Krieg das Gesetzgebungswerk; erst 1780 ernannte Friedrich der Große eine Kommission dafür; 1794 wurde das Allgemeine Preußische Landrecht veröffentlicht und eingeführt. Danach sollte das römische Recht aufrecht erhalten, aber von allem, was seinen Ursprung in der besondern Verfassung des alten römischen Staates habe, entkleidet, mit der gesunden Vernunft, der natürlichen Billigkeit und den heutigen Zuständen in Übereinstimmung gebracht werden; er wünschte namentlich den weitläufigen Prozessen abzuhelfen, die gesamten Rechtssatzungen dem gemeinen Manne verständlich gemacht zu sehen. Für das Kriminalrecht hielt er den einfachen Grundsatz fest: wer Blut vergieße, dessen Blut müsse wieder vergossen werden, damit kein Blut auf dem Lande bleibe. Er gehörte zu den Männern, deren Gesinnung sich durch das Alte Testament gebildet hat. Die theologische Gelehrsamkeit hielt er sehr hoch; er drang auf strenge Prüfungen, wodurch, wie schon sein Vater angeordnet hatte, der Einfluß der Kirchenpatrone bei Besetzung der Vakanzen eingeschränkt und geregelt wurde. Niemals sollte ein Sohn dem Vater in derselben Pfarrstelle folgen dürfen. Zugleich aber nahm er Bedacht, den Geistlichen keinen weltlichen Einfluß zuzugestehen, wohin ihr Trachten wohl auch unter den Protestanten gerichtet sei. Er hielt mit Strenge darüber, daß auf den Kanzeln von den streitigen Lehrsätzen, namentlich von der Gnadenwahl nicht die Rede sein dürfe, und wies die FiskaleBeamte bei den Verwaltungsbehörden, welche auf die Rechte des Fiskus (Staatskasse) und Beobachtung der Gesetze zu achten hatten. an, darauf acht zu haben. Die Prediger aller Parteien sollten die ihnen anvertrauten Seelen nur in der »Furcht des Herrn und dem wahren tätigen Christentum« unterweisen. Er machte sich eine Pflicht daraus, in vollkommener Toleranz voranzugehen. Als die Dreifaltigkeitskirche, die er für den neuen Stadtteil von Berlin gebaut, am vierzehnten Sonntag nach Trinitatis 1739 eröffnet wurde, brachte er selbst die silbernen Altargefäße mit, die der einen evangelischen Konfession so gut wie der andern zum Gebrauch dienen sollten; er hörte die beiden Einweihungsreden, am Morgen die reformierte, am Nachmittag kam er wieder, um auch der lutherischen Predigt beizuwohnen. Von den Jesuiten wollte er nichts hören, aber für den Gottesdienst der katholischen Einwohner von Berlin hat er ein besondres Haus eingeräumt. Für die Katholiken in seinen Regimentern billigte er nicht allein, sondern beförderte die Wirksamkeit einiger Dominikaner-Missionare; er hat sich die Namen derjenigen angeben lassen, welche in den herkömmlichen Zeiten nicht zur Beichte kamen. Er wußte wohl, daß ohne die allgemeinste religiöse Verpflichtung, die Heilighaltung des Eides, weder sein Staat noch sein Heer bestehen würden. Schützte er aber vermöge seines bischöflichen Amtes, so hielt er es auch wieder für sein Recht, in die äußeren Kirchenordnungen einzugreifen. Der Formen, Feiertage, Zeremonien waren ihm noch zuviel, und nicht ohne Gewaltsamkeit suchte er namentlich die letzten zu beschränken. In seinen Anordnungen atmet schon der dem Jahrhundert eigene Lehrgeist. Die Predigt wird dadurch noch mehr zur Hauptsache bei den gottesdienstlichen Zusammenkünften erhoben, als sie es schon war; im Sinne der Spenerschen SchulePhilipp Jakob Spener, geboren 1635 zu Rappoltsweiler im Elsaß, war zuerst Pfarrer in Frankfurt am Main, 1686-91 Oberhofprediger in Dresden, von 1691 bis zu seinem Tode 1705 Konsistorialrat und Propst zu St. Nikolai in Berlin.

ward die Katechisation eifrig anbefohlen. Bei einem Teile der Predigten sollte Luthers Katechismus zum fortlaufenden Text genommen, in andern nach der Reihe der Hauptstücke durch Sprüche erläutert, die Predigt öffentlich in den Kirchen durch Frage und Antwort wiederholt werden; der Taufe und dem Abendmahl sollte eine Unterweisung der daran teilnehmenden, auch der ältern Leute, in dieser Form vorangehen. Die christlichen Lehren sollten von allen und jedem begriffen, ein Gemeingut des Volkes werden.

In diesem Sinne suchte er nun auch den Schulunterricht zu befördern. Was nur zum Schmucke oder zur gelehrten Übung des Geistes dienen sollte, fand bei Friedrich Wilhelm keine Stätte, so wenig als einst die Rhetorik im Staate der Spartiaten; er sorgte für das Bedürfnis des gemeinen Mannes. In der Provinz Preußen sind unter ihm gegen tausend neue Schulen gestiftet worden; der Schulbesuch ward zur Pflicht gemacht.Edikt von 1717. Eine große Wirkung mußte es haben, daß er den Konfirmationsunterricht einführte und niemand dazu zu lassen gebot, der nicht lesen könne. Die Anhänger Speners, die das tätige Christentum predigten, wollten auch von anderm unfruchtbaren Unterricht nichts hören; sie kehrten zuerst die reale Seite desselben mit Entschiedenheit hervor.Aug. Herm. Francke gründete in Halle zuerst 1695 das Waisenhaus und die Bürgerschule, 1697 die lateinische Hauptschule; Christoph Semler gründete ebendaselbst 1708 die erste Realschule, die aber nur kurze Zeit bestand.

In dem Militärwaisenhaus, wo die »Zungen vieler hundert Kinder« für den König beteten, ward auch darin ein Anfang gemacht, der eine allgemeine Nachfolge fand.Joh. Julius Hecker, der 1726-29 in Halle Theologie studiert hatte, wurde 1735 Prediger und Schulinspektor am Militärwaisenhaus zu Potsdam, 1739 erster Prediger an der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin, später Oberkonsistorialrat; er gründete 1747 eine ökonomisch-matematische Realschule in Berlin, die bald von Friedrich dem Großen zur königlichen Realschule erhoben wurde. Wenn Bürger und Bauern in den Brandenburgischen Landen mehr und früher als anderswo zur Kultur des menschlichen Geschlechts herangezogen worden sind, so hat Friedrich Wilhelm I. den Grund dazu gelegt.

Es bedarf der Erinnerung nicht, daß wir uns hier nicht in einem Gemeinwesen befinden, wo freie Menschenkräfte sich durch eigenen Trieb naturgemäß entfalten. Alles ging von der höchsten Gewalt aus, die den Zweck begriffen hatte und die Mittel mit einseitigem Gebote vorschrieb. Jedermann weiß es, bei aller großartigen Richtung hatte der gesamte Zustand noch den Beigeschmack des Gewaltsamen und Drückenden. An den unbedingten Wert, den man dem Soldatenstande beimaß, knüpfte sich, so sehr man es zu vermeiden suchte, ein beschwerliches Übergreifen desselben in andre Sphären des Lebens. In den Städten übte der Steuerrat eine Autorität aus, vor der die Magistrate in Schatten traten; sie wurden oft nicht mehr gewählt, sondern gesetzt. Die Landräte, die zugleich Deputierte der LandschaftD.h. der in den einzelnen Landschaften (Kurmark, Neumark usw.) zusammentretenden Stände.

waren, wurden auf eine dieser unbequeme Weise von der Kammer abhängig. Nicht ohne Grund klagte der Adel überhaupt, daß er die Bescheidung der Kriegs- und Domänenkammern auch da hinnehmen müsse, wo diese ein dem seinen zuwiderlaufendes Interesse hätten. Eigentlichen Widerstand hat Friedrich Wilhelm darum doch nicht gefunden. Überhaupt hätten nur die Edelleute widerstreben können; diese aber erfüllten das Heer, das ihnen eine ihrem angeborenen Sinn entsprechende Lebensform darbot; sie konnten sich nicht ernstlich gegen eine Verfassung des Landes auflehnen, durch welche die Kriegsmacht, der sie mit Stolz angehörten, allein erhalten wurde.

Wenn man früge, ob der Staat, wie er nunmehr erschien, die einfache Verwirklichung des als notwendig Begriffenen, die nur so und nicht anders mögliche Ausführung der ursprünglichen Idee gewesen sei, so möchte ich das nicht bejahen. Es ist unleugbar, daß sich Konsumtionssteuer, Bewirtschaftung der Domänen, die Bewaffnung selbst hätte noch anders einrichten lassen; aber jeder Versuch dieser Art war gescheitert. Dann war in der Mitte der widereinander streitenden Elemente dieser energische Geist erschienen, der den allgemeinen Zweck, den mächtigen Nachbarn ein auf sich selbst beruhendes unangreifbares Staatswesen entgegenzusetzen, in bestimmter Form anschaute, die Mittel ihn zu erreichen mit dem treffenden Blicke des GeniusD.h. angeborener Begabung, vgl. o. S. 108 Anm. erkannte und ohne alle Rücksicht durchführte.

Erwerbung Vorpommerns 1 u. 2, 485-496. Fluchtversuch des Kronprinzen 3 u. 4, 106-122. Aussöhnung zwischen Vater und Sohn 3 u. 4, 122-134.


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