Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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15. Die Bauten der Päpste des 16. Jahrhunderts in Rom

Päpste I, Werke Bd. 37, S. 307 ff.

Man kennt die Pracht und Größe des antiken Rom; aus Trümmern und Erzählungen hat man es sich mannigfaltig zu vergegenwärtigen gesucht. Auch das Mittelalter verdiente wohl einmal einen ähnlichen Fleiß.Dieser Wunsch ist erfüllt worden durch das Werk von Ferd. Gregorovius, Die Stadt Rom im Mittelalter. 8 Bde. Stuttgart 1859-73. Herrlich war auch dies mittlere Rom mit der Majestät seiner Basiliken, dem Dienst seiner Grotten und Katakomben, den Patriarchien des Papstes, in denen die Denkmäler des frühesten Christentums aufbewahrt wurden, dem noch immer prächtigen Kaiserpalast, der den deutschen Königen gehörte, den befestigten Burgen; welche sich in der Mitte so vieler Gewalten unabhängige Geschlechter trotzig eingerichtet hatten.

Während der Abwesenheit der Päpste in Avignon war dies mittlere Rom ebenso verfallen, wie das antike längst in Trümmern lag. Als Eugen IV. im Jahre 1443 nach Rom zurückkehrte, war es eine Stadt der Kuhhirten geworden; die Einwohner unterschieden sich nicht von den Bauern und Hirten der Landschaft. Man hatte längst die Hügel verlassen; in der Ebene, an den Beugungen der Tiber wohnte man. Auf den engen Straßen gab es kein Pflaster; durch Balkone und Bogen, welche Haus an Haus stützten, waren sie noch mehr verdunkelt; man sah das Vieh wie auf dem Dorfe herumlaufen. Von S. Sylvester bis an die Porta del Popolo war alles Garten und Sumpf; man jagte da wilde Enten. An das Altertum war beinahe auch die Erinnerung verschwunden. Das Kapitol war der Berg der Ziegen, das Forum Romanum das Feld der Kühe geworden;Monte Caprino, Campo Vaccino, noch heute geläufige Namen. an einige Monumente, die noch übrig waren, knüpfte man die seltsamsten Sagen. Die Peterskirche war in Gefahr zusammenzustürzen.

Als endlich Nikolaus V. die Obedienz der gesamten Christenheit wiedergewonnen, faßte er, reich geworden durch die Beiträge der zum Jubiläum strömenden Pilgrime, den Gedanken, Rom dergestalt mit Gebäuden zu schmücken, daß jedermann mit der Anschauung erfüllt werde, dies sei die Hauptstadt der Welt. Es war aber dies nicht das Werk eines einzigen Mannes; die folgenden Päpste haben jahrhundertelang daran mitgearbeitet.

Unter Julius II. wurde die untere Stadt an den Ufern der Tiber, wohin sie sich gezogen, völlig erneuert. Nachdem Sixtus IV. die beiden Teile jenseit und diesseit des Flusses durch jene solide einfache Brücke von Travertino, die noch heute seinen Namen führt, besser verbunden hatte, baute man zu beiden Seiten mit dem größten Eifer. Jenseits begnügte sich Julius nicht mit dem Unternehmen der Peterskirche, die unter ihm mächtig emporstieg; er erneuerte auch den Vatikanischen Palast. In der Vertiefung zwischen dem alten Bau und dem Landhause Innozenz VIII., dem Belvedere, legte er die Loggien an, eins der wohlerfundensten Werke, die es geben mag. Unfern von da wetteiferten seine Vettern, die Riari, und sein Schatzmeister Agostino Chigi, wer von beiden ein schöneres Haus aufrichten würde. Ohne Zweifel behielt Chigi den Preis, das seine ist die Farnesia, bewundernswürdig schon in der Anlage, von Raphaels Hand aber unvergleichlich ausgeschmückt. Diesseit verdanken wir Julius II. die Vollendung der Cancelleria mit ihrem Cortile, das in reinen, glücklich geworfenen Verhältnissen ausgeführt ist, dem schönsten Gehöfte der Welt.

Seine Kardinale und Barone strebten ihm nach: Farnese, dessen Palast sich durch seinen großartigen Eingang den Ruf des vollkommensten unter den römischen Palästen erworben hat; Franz de Rio, der von dem seinen rühmte, er werde stehen bis die Schildkröte die Erde durchwandle. Mit allen Schätzen der Literatur und Kunst ward das Haus der Medici erfüllt; auch die Orsini schmückten ihren Palast auf Campofiore innen und außen mit Statuen und Bildwerken aus. Den Denkmalen dieser schönen Zeit, in der man dem Altertum gleichzukommen versuchte, um Campofiore und den farnesischen Platz her, widmet der Fremde nicht immer die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Es war Wetteifer, Genius, Blüte, ein allgemeiner Wohlstand. Da das Volk zunahm, baute man sich auf dem Campo Marzo, um das Mausoleum des Augustus an. Unter Leo X. entwickelte sich dies noch mehr, aber schon Julius hatte Gelegenheit, jenseit die Lungara, gegenüber diesseit die Strada Julia zu ziehen. Man sieht noch die Inschrift, in der ihn die Konservatoren rühmen, daß er neue Straßen abgemessen und eröffnet habe, »der Majestät der neuerworbenen Herrschaft gemäß«.

Durch die Pest, die Eroberung (1526) sank die Volksmenge wieder; die Bewegungen unter Paul IV. fügten der Stadt aufs neue großen Schaden zu. Erst nachher nahm sie sich wieder auf; mit dem erneuten Gehorsam der katholischen Welt stieg auch die Anzahl der Einwohner. Schon Pius IV. dachte darauf, die verlassenen Hügel wieder anzubauen. Auf dem Capitolin gründete er den Palast der Konservatoren,Dadurch kam die großartige Anlage Michelangelos zum Abschluß, der schon unter Paul III. um 1545 die große zum Kapitol hinaufführende Treppe erbaut hat. auf dem Viminal erhob ihm Michelangelo aus den Trümmern der diocletianischen Thermen die Kirche S. Maria degli Angeli; die Porta Pia auf dem Quirinal trägt noch heute sein Abzeichen. Auch Gregor XIII. baute hier; es waren dies aber vergebliche Bemühungen, so lange die Hügel des Wassers entbehrten. Eben hier tritt Sixtus V. hervor; es hat ihm vor allen übrigen Päpsten in der Stadt ein ruhmvolles Andenken gestiftet, daß er das Bedürfnis ins Auge faßte und das mangelnde Wasser in kolossalen Aquädukten herbeizuführen beschloß. Er tat es, wie er sagt, »damit diese Hügel, noch zu christlichen Zeiten durch Basiliken verherrlicht, ausgezeichnet durch gesunde Luft, anmutige Lage, angenehme Aussicht wieder bewohnt werden mögen. Darum«, fügt er hinzu, »haben wir uns durch keine Schwierigkeiten, keine Unkosten abschrecken lassen.« In der Tat sagte er den Architekten von allem Anfang, er wolle ein Werk, das sich mit der alten Pracht des kaiserlichen Rom messen könne. Zweiundzwanzig (römische) Meilen weit, von dem Agro Colonna her, führte er, allen Hindernissen zum Trotz, die Aqua Martia, zum Teil unter der Erde, zum Teil auf hohen Bogen, nach Rom (1585). Mit großer Genugtuung sah endlich der Papst den Strahl dieses Wassers sich in seine Vigna ergießen; er führte es weiter nach S. Susanna auf den Quirinal, er nannte es nach seinem Eigennamen Aqua Felice;Er hieß Felice Peretti, geboren 1521 als Sohn eines armen Bauern bei Ankona. Er trat früh in den Franziskanerorden, zeichnete sich durch Begabung und Eifer aus, wurde in Rom bekannt durch die Fastenpredigten, wurde Prior des Franziskanerklosters in Venedig, dann Generalvikar des Ordens, 1570 Kardinal, 1585 zum Papst gewählt, nannte er sich Sixtus V., ordnete die Verwaltung des Kirchenstaates, trat dem Unwesen der Räuber streng entgegen, starb 1590. Ranke nennt ihn (Bd. 2, S. 143) einen gewaltigen Kirchenfürsten, welcher der Meinung lebte, daß ihm eine direkte Gewalt über alle Erde verliehen sei. mit nicht geringem Selbstgefühl ließ er bei der Fontäne Moses abbilden, wie beim Schlag seines Stabes das Wasser aus dem Felsen strömt. Für jene Gegend und die ganze Stadt war dies ein großer Vorteil; die Aqua Felice gibt in 24 Stunden 20 537 Kubikmeter Wasser und speist 27 Fontänen.

Wirklich fing man hierauf an, die Höhen wieder anzubauen. Durch besondere Privilegien lud Sixtus dazu ein. Er ebnete den Boden bei Trinita de Monti und legte den Grund zu der Treppe am spanischen Platz, welche die nächste Verbindung von der unteren Stadt nach dieser Anhöhe bildet. Hier legte er Via Felice und Borgo Felice an; er eröffnete die Straßen, die noch heute nach S. Maria Maggiore führen, von allen Seiten; er hatte die Absicht, alle Basiliken durch breite und große Wege mit dieser zu verbinden. Die Poeten rühmen, Rom verdoppele sich gleichsam und suche seine alten Wohnungen wieder auf.

Jedoch war es diese Anbauung der Höhen nicht allein, wodurch sich Sixtus V. von den früheren Päpsten unterschied; er faßte zugleich Absichten, die den älteren gerade entgegenliefen. Mit einer Art von Religion betrachtete man unter Leo X. die Trümmer des alten Rom, man nahm mit Entzücken den göttlichen Funken des antiken Geistes an ihnen wahr. Wie ließ sich jener Papst die Erhaltung derselben empfohlen sein, »dessen, was von der alten Mutter des Ruhms und der Größe von Italien noch allein übrig geblieben!« Von diesem Geiste war Sixtus V. himmelweit entfernt; für die Schönheit der Überreste des Altertums hatte dieser Franziskaner keinen Sinn. Das Septizonium des Severus, ein höchst merkwürdiges Werk, das sich durch alle Stürme so vieler Jahrhunderte bis auf ihn erhalten, fand keine Gnade vor seinen Augen, er zerstörte es von Grund aus und brachte einige Säulen davon nach St. Peter. Er war ebenso heftig im Zerstören als eifrig im Bauen; jedermann fürchtete, er werde auch darin kein Maß finden. Man höre, was der Kardinal von Santa Severina erzählt; es würde unglaublich scheinen, wenn er es nicht selbst erlebt hätte. »Da man sah,« sagt er, »daß sich der Papst ganz und gar zur Zerstörung der römischen Altertümer hinneigte, so kamen eines Tages eine Anzahl römischer Edelleute zu mir und baten mich, das meine zu tun, um S. Heiligkeit von einem so ausschweifenden Gedanken abzubringen.« An den Kardinal wandten sie sich, der damals ohne Zweifel selbst als der größte Zelot anzusehen war; Kardinal Colonna schloß sich an ihn an. Der Papst antwortete ihnen, er wolle die häßlichen Antiquitäten wegschaffen, die übrigen aber, die dies bedürften, restaurieren. Man denke, was ihm häßlich vorkommen mochte! Er hatte die Absicht, das Grab der Cäcilia Metella, schon damals den einzigen bedeutenden Rest der republikanischen Zeiten, ein bewundernswürdiges, erhabenes Denkmal, geradehin zu zerstören. Wie viel mag unter ihm zugrunde gegangen sein! Konnte er sich doch kaum entschließen, den Laokoon und den belvederischen Apoll im Vatikan zu dulden. Die antiken Bildsäulen, mit denen die römischen Bürger das Kapitol geschmückt hatten, litt er nicht daselbst; er erklärte, er werde das Kapitol zerstören, wenn man sie nicht entferne. Es war ein Jupiter tonans, zwischen Minerva und Apoll. Die beiden mußten in der Tat entfernt werden, nur die Minerva ward geduldet; aber Sixtus wollte, daß sie Rom und zwar das christliche bedeuten solle; er nahm ihr den Speer, den sie trug, und gab ihr ein ungeheures Kreuz in die Hände. In diesem Sinne restaurierte er die Säulen des Trajan und Antonin; auch jener ließ er die Urne wegnehmen, welche, wie man sagte, die Asche des Kaisers enthielt; er widmete sie dem Apostel Petrus, die andere dem Apostel Paulus, deren Bildsäulen seitdem in dieser luftigen Höhe über den Häusern der Menschen einander gegenüberstehen. Er meinte damit dem christlichen Glauben einen Triumph über das Heidentum zu verschaffen.

Die Aufstellung des Obelisken vor S. Peter lag ihm darum so sehr am Herzen, weil er »die Monumente des Unglaubens an dem nämlichen Orte dem Kreuze unterworfen zu sehen wünschte, wo einst die Christen den Kreuzestod erleiden mußten«. In der Tat ein großartiges Unternehmen, das er aber ganz auf seine Weise ausführte, mit einer sonderbaren Mischung von Gewaltsamkeit, Größe, Pomp und zelotischem Wesen.Die ausführliche Beschreibung, wie man 1586 den Obelisken von seiner Stelle, bei der Sakristei der alten Peterskirche, hinweghob und dann auf dem Platze vor der neuen Kirche aufstellte, ist bei Ranke, S. 313 f., nachzulesen. Sonderbar lautet die Inschrift, in der er sich rühmt, er habe dies Denkmal den Kaisern August und Tiberius entrissen und dem heiligsten Kreuze gewidmet. Er ließ ein Kreuz darauf errichten, in das ein Stück Holz von dem angeblich wahren Kreuze Christi eingeschlossen war. Dies drückt seine ganze Gesinnung aus; die Monumente des Heidentums sollten selber zur Verherrlichung des Kreuzes dienen.

Mit ganzer Seele widmete er sich seinen Bauten. Ein Hirtenknabe, in Garten und Feld aufgewachsen, liebte er die Städte. Von einer Villegiatura wollte er nichts wissen; er sagte, seine Erholung sei, viele Dächer zu sehen. Ich verstehe, seine Bauunternehmungen machten ihm das größte Vergnügen. Viele tausend Hände waren unaufhörlich beschäftigt; keine Schwierigkeit schreckte ihn ab. Noch immer fehlte die Kuppel an S. Peter, die Baumeister forderten zehn Jahre zu ihrer Vollendung. Sixtus wollte sein Geld dazu hergeben, doch an dem Werke auch selber noch seine Augen weiden. Er stellte 600 Arbeiter an, auch die Nacht ließ er nicht feiern; im 22. Monate wurde man fertig. Nur erlebte er nicht, daß das bleierne Dach gelegt wurde.

Aber auch in Werken dieser Art setzte er seiner Gewaltsamkeit keine Grenzen. Die Überbleibsel des päpstlichen Patriarchium bei dem Lateran, die noch keineswegs geringfügig und ausnehmend merkwürdig waren, Altertümer der Würde, die er selbst bekleidete, ließ er ohne Erbarmen niederreißen, um an Stelle derselben seinen Lateranpalast zu errichten, den man nicht einmal brauchte, und der sich nur als eins der ersten Beispiele der einförmigen Regelmäßigkeit moderner Architektur eine sehr zweideutige Aufmerksamkeit erworben hat. Wie so ganz hatte sich das Verhältnis geändert, in welchem man zu dem Altertum stand. Man wetteiferte früher und auch jetzt mit demselben, aber früher suchte man es in der Schönheit und Anmut der Form zu erreichen, jetzt bemühte man sich, in massenhaften Unternehmungen ihm gleichzukommen oder es zu überbieten. Früher verehrte man in dem geringsten Denkmal eine Spur antiken Geistes, jetzt hätte man diese Spuren lieber vertilgt. Man folgte einer Idee, die man allein gelten ließ, neben der man keine andere anerkannte. Es ist die nämliche, die sich in der Kirche die Herrschaft erworben, die den Staat zu einem Organ der Kirche gemacht hat. Diese Idee des modernen Katholizismus durchdringt alle Adern des Lebens in seinen verschiedensten Richtungen. Denn man darf nicht etwa glauben, nur der Papst sei von diesem Geist beherrscht worden; in jedem Zweige tut sich am Ende des 16. Jahrhunderts eine Richtung hervor, derjenigen entgegengesetzt, welche den Anfang desselben bezeichnete.


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