Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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25. Der westfälische Friede.

Päpste II, Werke Bd. 38 S. 371-377.

So große Pläne, wie Gustav Adolf im Höhepunkte seiner Macht sie hegte, konnten nach dem frühen Tode dieses Fürsten freilich nicht ausgeführt werden, schon darum nicht, weil ja auch die Erfolge des Protestantismus sich keineswegs allein von eigner Macht herschrieben. Aber auch der Katholizismus vermochte, selbst als er sich besser zusammennahm, als Bayern sich wieder an den Kaiser schloß und auch Papst Urban VIII. aufs neue Subsidien zahlte, den Protestantismus nicht mehr zu überwältigen. Gar bald gelangte man wenigstens in Deutschland zu dieser Überzeugung; schon der Friede von Prag beruhte darauf. Der Kaiser ließ sein Restitutionsedikt fallen, der Kurfürst von Sachsen und die Staaten, welche ihm beitraten, gaben die Herstellung des Protestantismus in den Erblanden auf. Zwar widersetzte sich Papst Urban allem, was dem Restitutionsedikt zuwider beschlossen werden könnte, und in dem geistlichen Rate des Kaisers hatte er die Jesuiten, besonders den Pater Lamormain, der denn auch oft genug darüber belobt wurde »als ein würdiger Beichtvater, als ein Mann, der keine weltliche Rücksicht nehme«, auf seiner Seite; allein die Mehrheit war gegen ihn, die Kapuziner Quiroga und Valerian, die Kardinale Dittrichstein und Pazmany; sie behaupteten, wenn man die katholische Religion in den Erblanden rein erhalte, so könne man wohl Gewissensfreiheit im Reiche geben. Der Prager Friede ward in Wien von allen Kanzeln verkündigt; die Kapuziner rühmten sich ihres Anteils an diesem »ehrenvollen und heiligen« Werke und stellten besondere Feierlichkeiten dafür an; kaum konnte der Nuntius verhindern, daß man nicht ein Tedeum sang.

Indem Urban VIII., obwohl er tatsächlich so viel dazu beigetragen hatte, daß die Pläne des Katholizismus scheiterten, dennoch in der Theorie keinen Anspruch fallen lassen wollte, bewirkte er nur, daß das Papsttum eine Stellung außerhalb der lebendigen und wirksamen Interessen der Welt annahm. Wohl schickte der römische Stuhl auch ferner seine Gesandten zum Friedenskongresse; Chigi war geschickt und beliebt, er richtete doch nichts aus. Unter seinen Augen ward ein Friede geschlossen, wie ihn der römische Stuhl ausdrücklich verdammt hatte. Der Kurfürst von der Pfalz, alle verjagten Fürsten wurden hergestellt. Weit gefehlt, daß man an die Bestimmungen des Restitutionsediktes denken konnte, viele Stifter wurden geradezu säkularisiert und den Protestanten überlassen. Spanien entschloß sich, die Unabhängigkeit jener Rebellen gegen Papst und König, der Holländer, endlich anzuerkennen. Die Schweden behielten einen bedeutenden Teil des Reiches. Selbst den Frieden des Kaisers mit Frankreich konnte die Kurie nicht billigen, weil er Stipulationen über Metz, Toul und Verdun enthielt, durch die sie ihre Rechte gekränkt fand. Das Papsttum fand sich in der traurigen Notwendigkeit zu protestieren; die Grundsätze, die es nicht hatte geltendmachen können, wollte es wenigstens aussprechen. Aber schon hatte man dies vorausgesehen. Die geistlichen Bestimmungen des westfälischen Friedens wurden gleich mit der Erklärung eröffnet, daß man sich dabei an niemandes Widerspruch kehren wolle, er sei wer er wolle, von weltlichem oder geistlichem Stande. Durch den Frieden ward jener große Prozeß zwischen Protestanten und Katholiken, aber nun ganz anders als man in dem Restitutionsedikt versucht hatte, endlich zur Entscheidung gebracht. Der Katholizismus behauptete immer große Erwerbungen, indem das Jahr 1624 als Normaljahr, auf welches die Dinge zurückzuführen seien, angenommen wurde; dagegen bekam der protestantische Teil die ihm so unentbehrliche, so lange vorenthaltene Parität. Nach diesem Prinzip wurden alle Reichsverhältnisse geregelt.

Wie durfte man da so gar nicht mehr an Unternehmungen denken, wie sie früher gewagt worden und gelungen waren. Vielmehr wirkten die Resultate der deutschen Kämpfe unmittelbar auf die benachbarten Länder zurück. Obwohl der Kaiser in seinen Erblanden den Katholizismus aufrechtzuerhalten vermocht hatte, mußte er doch in Ungarn den Protestanten Zugeständnisse machen; im Jahre 1645 sah er sich genötigt, ihnen eine nicht geringe Zahl von Kirchen zurückzugeben. Und hätte nun wohl nach jenem Aufschwunge der Schweden zu universaler Bedeutung Polen jemals daran denken können, die alten Ansprüche an dieses Land zu erneuern? Wladislaw IV. ließ sogar von dem Bekehrungseifer seines Vaters ab und war den Dissidenten ein gnädiger König. Selbst in Frankreich begünstigte Richelieu die Hugenotten, nachdem sie ihrer politischen Selbständigkeit beraubt waren. Noch bei weitem mehr aber unterstützte er das protestantische Prinzip dadurch, daß er jener vorwaltenden katholischen Macht, der spanischen Monarchie, einen Krieg auf Leben und Tod zu machen fortfuhr, welcher sie in ihren Grundfesten erschütterte. Diese Entzweiung war die einzige, die der Papst so ganz ohne Skrupel hätte beilegen können. Während aber alle andern wirklich beseitigt wurden, blieb diese unausgetragen und zerrüttete unaufhörlich das Innere der katholischen Welt.

An dem Kriege gegen Spanien nahmen bis zum westfälischen Frieden die Holländer den glücklichsten Anteil; es war das goldene Zeitalter ihrer Macht, ihres Reichtums. Indem sie das Übergewicht im Orient erlangten, traten sie zugleich dem Fortgange der katholischen Mission daselbst gewaltig entgegen. Nur in England schien zuweilen der Katholizismus oder wenigstens eine Analogie seiner äußeren Formen Eingang finden zu wollen. Wir finden Abgeordnete des englischen Hofes in Rom, päpstliche Agenten in England; die Königin, der man zu Rom eine Art von amtlicher Anerkennung widmete, übte einen Einfluß auf ihren Gemahl, welcher sich auch auf die Religion erstrecken zu müssen schien; schon näherte man sich in mancherlei Zeremonien katholischen Gebräuchen. Jedoch aus alledem erfolgte auch hier das Gegenteil. Schwerlich ist Karl I. in seinem Herzen jemals von dem protestantischen Dogma abgewichen, aber schon die geringen Annäherungen zu dem katholischen Ritus, die er sich erlaubte, schlugen ihm zum Verderben aus. Es war als ob die heftige Aufregung, welche so langjährige, allgemeine, unablässige Angriffe in der protestantischen Welt überhaupt hervorgebracht, sich in den englischen Puritanern konzentriere. Vergebens suchte sich Irland ihrer Herrschaft zu entziehen und im katholischen Sinne zu organisieren; es wurde um so schwerer unterworfen. In der Aristokratie und den Gemeinen von England bildete sich eine Weltmacht aus, deren Erhebung die Wiederaufnahme des Protestantismus in Europa überhaupt bezeichnet.

Hierdurch sind nun dem Katholizismus auf ewig Schranken gesetzt. Er ist in bestimmte Grenzen gewiesen; an eine Welteroberung, wie er sie vorhatte, kann er niemals wieder im Ernste denken. Die geistige Entwicklung selbst hat eine Wendung genommen, die das unmöglich macht; das religiöse Element ist zurückgetreten, die politischen Rücksichten beherrschten die Welt.

Fragen wir nach der tieferen Ursache dieser Erscheinung, so würden wir Unrecht haben, sie allein in einer Verfluchung und Verkümmerung der geistlichen Antriebe zu suchen; ich denke, wir werden den Inhalt und die Bedeutung des Ereignisses anders fassen müssen. Einmal hatte der große geistliche Kampf seine Wirkung in den Gemütern vollbracht. In den früheren Zeiten war das Christentum mehr eine Sache der Überlieferung, der naiven Annahme des von Zweifeln unberührten Glaubens gewesen: jetzt war es eine Sache der Überzeugung, der bewußten Hingebung geworden. Von hoher Bedeutung ist es, daß man zwischen den verschiedenen Bekenntnissen zu wählen hatte, daß man verwerfen, abfallen, übertreten konnte. Die Person ward in Anspruch genommen, ihre freie Selbstbestimmung herausgefordert. Hierdurch geschah, daß die christlichen Ideen alles Leben und Denken noch tiefer und vollständiger durchdrangen.

Dazu kommt dann ein andres Moment. Wohl ist es wahr, daß das Überhandnehmen der innern Gegensätze die Einheit der Gesamtheit zerstört; aber es ist, wenn wir uns nicht täuschen, ein andres Gesetz des Lebens, daß sich damit doch auch zugleich eine höhere und größere Entwicklung vorbereitet. In dem Gedränge des allgemeinen Kampfes war die Religion nach den verschiedenen Abwandelungen ihrer dogmatischen Ausbildung von den Nationen ergriffen worden. Mit dem Gefühl der Nationalität hatte sich das Dogma verschmolzen, wie ein Besitz der Gemeinsamkeit, des Staates oder des Volkes. Mit den Waffen war es erkämpft, unter tausend Gefahren behauptet; in Fleisch und Blut war es übergegangen. Hierdurch ist es geschehen, daß sich die Staaten auf beiden Seiten zu großen kirchlich-politischen Individualitäten ausgebildet haben, schon auf der katholischen nach dem Maße der Ergebenheit gegen den römischen Stuhl, der Duldung oder Ausschließung der Nichtkatholiken, noch mehr aber bei den Protestanten, wo die Abweichung der symbolischen Bücher, die man beschwört, die Mischung des lutherischen und reformierten Bekenntnisses, die größere oder geringere Annäherung an die bischöfliche Verfassung ebenso viele in die Augen fallende Verschiedenheiten begründen. Es wird die erste Frage bei jedem Lande, welches die herrschende Religion daselbst ist. In mannigfaltigen Gestalten erscheint das Christentum; so groß auch die Gegensätze derselben sind, so kann kein Teil dem andern abstreiten, daß auch er den Grund des Glaubens besitze. Vielmehr sind die verschiedenen Formen durch Verträge und Friedensschlüsse, an denen alle Teil haben, Grundgesetze gleichsam einer allgemeinen Republik, gewährleistet. Es kann nicht mehr daran gedacht werden, das eine oder das andre Bekenntnis zu einer universalen Herrschaft zu erheben. Nur darauf kommt es an, wie jeder Staat, jedes Volk von seiner politisch-religiösen Grundlage aus seine Kräfte zu entwickeln vermögen wird; darauf beruht nunmehr die Zukunft der Welt.


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