Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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29. Frankreichs Handel und Kolonialwesen unter Colbert.

Französische Geschichte III, Werke Bd. 10, S. 179 ff. 402 ff.

Colbert, der aus einer kaufmännischen Familie herstammte,Jean Baptiste Colbert, geboren 1619 in Reims, 1648 in der französischen Verwaltung angestellt, von Mazarin, der seine Tüchtigkeit erkannte, befördert, trat 1661 nach dem Sturze des Oberintendanten Fouquet an die Spitze der Finanzverwaltung. mag den Wert des Geldes und dessen effektiven Besitz zu hoch angeschlagen haben, aber er brachte sein merkantiles Bestreben mit dem Zwecke des Staates und dessen großen Interessen, dem Emporkommen des dritten Standes, der Einheit der Nation, ihrer Stellung in der Welt überhaupt in Verbindung. Mazarin und Fouquet hatten, wie bereits Richelieu, daran gedacht, den französischen Handel mit den entfernten Weltregionen durch große Kompagnien, an denen sie selbst mit ihrem Vermögen teilnehmen wollten, emporzubringen. Darauf kam nun, durch das Beispiel von England und Holland angetrieben, Colbert zurück; Ludwig XIV. war ganz dafür gewonnen. Wie die Edikte sagen, zur Größe der Nation und zum Ruhme des Königs schien es ihnen notwendig. Hätte es von dem französischen Handelsstand allein abgehangen, so würde die Sache nicht zustande gekommen sein. Die Intendanten der Schiffahrt können nicht genug klagen, wie wenig z. B. die Kaufleute in Marseille das allgemeine Wohl auch nur ihrer Stadt, geschweige des Reiches kümmere, wie sie durch Privatinteressen und gegenseitige Eifersucht einander und allem Guten im Wege stehen. Die Kompagnien sind nicht ein Werk des Handelsstandes, sondern des Staates; an ihren Aktien beteiligte sich die Regierung meistens zu einem Drittel oder bis zur Hälfte. Die übrigen wurden zum größeren Teile den geldbesitzenden Beamten gleichsam aufgenötigt. In den großen Kollegien sind die Subskriptionslisten mit dem Bemerken, daß der König die Beteiligung sämtlicher Mitglieder wünsche, vorgelegt, diese Verschreibungen sind dann in Gegenwart des Königs selbst eingereicht worden, der davon persönlich Kenntnis nahm. König Ludwig XIV. meinte damit eine große Pflicht zu erfüllen, denn die kommerzielle Tätigkeit sei dem Geiste der Nation angemessen und werde ihre Wohlfahrt befördern; er machte sogar die moralische Reflexion, daß dadurch der Untätigkeit, welche nur zum Laster führe, bei einer großen Anzahl ein Ende gemacht werde.

Es gehörte ganz zu dem System Colberts, wenn er die westindischen Kolonien, von denen die meisten zur Zeit der Fronde in Privathände übergegangen waren, aus denselben zurücknahm und einer neuen Kompagnie übergab, welche sie fortan besitzen und anbauen und in Handelsverbindung mit Frankreich bringen sollte. Richelieu hatte einst eine Kompagnie zum Handel mit dem nördlichen Amerika gestiftet, die doch nicht zu rechter Blüte gekommen war; auch deren Rechte wurden an die neue Kompagnie übertragen; sie sollte den ganzen amerikanischen Handel mit dem afrikanischen bis an das Kap vereinigen. Besonderen Gewinn haben ihre Handelsunternehmungen niemals abgeworfen; das Monopol, das sie einführte, störte vielmehr allenthalben den bereits in Gang gesetzten Verkehr. Vorteil für den Staat aber hat die Kompagnie ohne Zweifel gehabt; zur Behauptung der Kolonien ist sie sehr förderlich gewesen. Kanada erhob sich aus dem Zustand dem Schwäche und Gefährdung, in der es sich befand, durch die Unterstützung, die es nunmehr erhielt; die Antillen wurden wieder eng mit dem Mutterlands verbunden; Cayenne wurde aufs neue besetzt. Man dachte dem im Norden von Amerika entstehenden Neufrankreich ein andres in den Äquinoktialgegenden an die Seite zu setzen.

Die zweite große Kompagnie, die für den ostafrikanischen und hauptsächlich den ostindischen Handel gegründet wurde, machte ebensowenig vorteilhafte Geschäfte. Bei der Rückkehr der ersten Schiffe geriet ihre Existenz in Frage; aber Colbert war auf diese Verluste gefaßt, die so lange anhalten würden, bis der Handel in aller Form eingerichtet sei. Unter Führung zweier höchst befähigter, aber in stetem Streit miteinander begriffener Männer, Caron und Marcara, gelang das wirklich nach und nach. In Surate gewährte ein Ferman des Großmoguls den Franzosen ausnehmende Begünstigungen; in Mansulipatam erlangten sie größere Vorteile, als den Holländern bewilligt worden waren; sie dachten ihren Handel im Bunde mit den Portugiesen, die sich ihnen anschließen würden, bis nach China und Japan auszudehnen.

Eine nordische Kompagnie ward errichtet, hauptsächlich um an dem Handel der Ostsee direkten Anteil zu nehmen. In den Pächtern der Güter der Königin Christine, zu denen Gotland gehörte, einem Stockholmer Handelshause, regte sich die Idee, diese Insel wieder zum Mittelpunkt des baltischen Handels zu machen. Den Franzosen sollte erspart bleiben, nach Danzig, Riga, Narwa zu fahren; alle Waren des Nordostens sollten sich in Gotland sammeln und hier die französischen oder die englischen Handelsleute erwarten. Denn der Vermittlung der Holländer wollte man sich von allen Seiten entledigen.Aus diesem Projekt ist nichts rechtes geworden; Gotland kam nicht wieder empor. Der Ostseehandel blieb auch im 17. Jahrhundert in den Händen der deutschen Städte Lübeck, Stettin, Danzig, Königsberg und der Holländer, die schon im 15. Jahrhundert als Konkurrenten der deutschen Hanse in Dänemark und Livland Eingang gefunden hatten.

Wie in Amerika, Ostindien, dem Norden, so stießen die Franzosen auch auf dem Mittelmeer mit den Holländern zusammen, welche mit den Küsten des osmanischen Reiches einen sehr vorteilhaften Verkehr trieben, den vorteilhaftesten nach Smyrna, und eben in Livorno oder Portolongone eine kommerzielle Ansiedlung zu gründen vorhatten. Colbert setzte sich ihnen mit einer levantinischen Kompagnie entgegen, die von allen seinen Handelsgesellschaften den besten Fortgang gewann.

Die früheren Handelsmächte waren dadurch emporgekommen, daß sie den allgemeinen Verkehr von einem Hafen, einer Küste, einem Lande zu den andern vermittelten; wie die italienischen Republiken, so die deutsche Hanse. Holland übertraf, absorbierte sie alle, indem es die Vermittlung zwischen den verschiedenen Weltteilen übernahm. Der Sinn der Franzosen war es nicht und konnte es nicht sein, hierin mit ihnen zu wetteifern, die Waren einer Zone nach der andern zu tragen. Sie wollten vor allem sich selbst von dem Zwischenhandel ihrer Nachbarn befreien, den Gewinn, der diesen aus dem Verkehr mit französischen Produkten erwuchs, für sich selbst ziehen; in der Entwicklung der kommerziellen Kräfte sahen sie auch jetzt einen Hebel ihrer politischen Macht.

Mit gewaltiger Hand griff der Staat in die Bahnen des freien Handels ein, um die kommerziellen Kräfte des Landes von der Herrschaft zu befreien, welche eine andre Nation, die dadurch politisch mächtig wurde, über sie ausübte, und denselben eine konzentrische Richtung nach dem Innern des Reiches zu verleihen. Wer wollte eine allgemein gültige Theorie der Handelspolitik daran knüpfen? Aber es war ein Standpunkt, welcher die Welt Jahrhunderte lang beherrschen sollte, großartig ergriffen und behauptet.

Ein Denkmal der umfassenden Bestrebungen dieser Zeit ist der Kanal des Südens.Erbaut in den Jahren 1666-1680. Der bloße Gedanke, einfach in einem einfachen Wort ausgesprochen, das Mittelmeer mit dem atlantischen Ozean durch einen Kanal zu verbinden, war fähig, den Ehrgeiz des Genius und der Tatkraft anzuregen. Man bildete sich wohl ein, daß in Zukunft große Seeschiffe ihren Weg von Osten nach Westen durch Languedoc nehmen, die Beschwerlichkeiten der Meerenge von Gibraltar den Seefahrern erspart werden würden. Ein Beamter italienischer Herkunft, Namens Riquet, der sich von den Senkungen des schwarzen Gebirges und der Pyrenäen die genaueste Kunde verschaffte, unaufhörlich, wo er sich auch befinden mochte, über die Ausführung brütend, kam endlich, es soll in St. Germain gewesen sein, auf den entscheidenden Gedanken, in welchem die Möglichkeit lag das Werk zu vollziehen. Die Provinzialstände von Languedoc, unfähig von dem Unausführbaren, das ihnen vorher vorgeschlagen worden, das Ausführbare und Echte zu unterscheiden, wiesen seine Vorschläge von sich. Colbert dagegen erkannte ihren Wert, schaffte das erforderliche Geld herbei und stellte die Privatinteressen des Unternehmers sicher, der nun mit doppeltem Eifer an die Arbeit ging. Wie andre große Dinge gelang auch dieses durch die einfachsten Mittel. Die benachbarten Bäche wurden nach der Stelle geleitet, von welcher die Gewässer nach beiden Seiten ihren Lauf nehmen und den Kanal nähren. Riquet ward von einem jungen Mann unterstützt, der die Kanalbauten von Haarlem zu seinem besonderen Studium gemacht hatte. Die überschwenglichen Erwartungen, die man an das Unternehmen knüpfte, wurden nicht erfüllt, aber für den inneren Verkehr von Frankreich, namentlich der benachbarten ackerbauenden und industriellen Distrikte, für das Leben von Languedoc ist das Werk von unschätzbarem Wert. Dem König wurde es zur größten Ehre gerechnet: von den Römern sei nicht einmal daran gedacht, von Karl dem Großen und denjenigen der Vorweser des Königs, die er am höchsten anschlug, Franz I. und Heinrich IV., beabsichtigt, sei es nun unter seinen Auspizien zustande gebracht worden. »Der König sprach,« sagt Corneille, »die Berge wichen«. Er erschien als der Herr von Land und Meer.

Wenn es wahr ist, daß Colbert durch seine Ratschläge zum Kriege gegen Holland angetrieben hat, so hat er dafür schwer gebüßt. Er könnte es nur in der Hoffnung getan haben, die französische Marine vollends von dem Übergewicht der Holländer zu befreien, und wäre der Friede gleich nach den ersten großen Schlägen geschlossen worden, so würde ohne Zweifel sein finanzielles System gefördert worden sein. Aber daß der Krieg so viele Jahre dauerte und sich so umfassend gestaltete, brachte dasselbe notwendig in Unordnung. Schon war die Verwaltung überaus schwierig geworden, als ihm der König die Notwendigkeit zu erkennen gab, eine außerordentliche Einnahme von jährlich 60 Millionen für den Krieg herbeizuschaffen. Darin lag der Widerstreit zwischen Louvois und Colbert, daß jener keine andre Rücksicht kannte als seine Kriegsbedürfnisse, dieser die Finanzen und die allgemeine Wohlfahrt im Auge behielt. Colbert, hören wir, sei bedeutet worden: sollte er die Herbeischaffung dieser Summe für untunlich halten, so wisse man schon einen andern, der das unternehmen werde. Er würde vielleicht für seinen staatswirtschaftlichen Ruf am besten gesorgt haben, wenn er, woran er dachte, sich zurückgezogen hätte. Aber seine Familie beschwor ihn, das nicht zu tun; ihn selbst, versichern seine Freunde, habe noch mehr das Bewußtsein bewogen, daß er allein fähig sein werde, das Land aus der gefährlichen Lage, in die es durch die Fortsetzung des Krieges gerate, zu retten. Und gewiß, in der Mitte der Kriegsbedrängnisse durfte er König und Land nicht verlassen.

Er hat vermittelt, daß die Ausgabe, die sich im Jahre 1670 auf 77 Millionen belief, 1679 auf 131 Millionen ansteigen konnte. Wie wäre das aber möglich gewesen, ohne daß er das ihm prinzipiell Verhaßte hätte tun oder dulden müssen? Colbert kannte recht wohl die Geheimnisse des Kredits und hat ihn durch einige Anordnungen gefördert; ihn anzuspannen trug er deshalb Bedenken, weil er fürchtete, die Leichtigkeit ihn zu benutzen werde zu unerträglichen Mißbräuchen und Unordnungen führen. Dennoch mußte er zu Anleihen schreiten, und zwar auf Zinsen von einer ihm verhaßten Höhe (von achthalb Prozent), deren Negoziation gleichwohl nicht ohne große Verluste von statten ging. Neue Taxen, Schaffung von Ämtern, mit allerlei drückenden fiskalischen Maßregeln waren nicht zu vermeiden. Und zugleich ward es für die Einbringung der Auflage, namentlich der Taille,Steuer, um den Sold der Truppen aufzubringen, zuerst 1439 erhoben; Französische Geschichte 1, 47. nachteilig, daß die Truppen mit nicht zurückhaltender Gewalttätigkeit im Lande lagerten oder es von einer Grenze zur andern durchzogen. Die Besoldungen waren bisher regelmäßig in den bestimmten Terminen erfolgt; damit hatte es jetzt ein Ende, das Jahr der Pensionen fing an, zu 18 Monaten gerechnet zu werden. Die Schatzmeister der öffentlichen Bauten, die in der Regel Überschüsse verrechnet hatten, baten um Vorschuß; denn alles eingehende Geld brauchte man unmittelbar für den Krieg. Man bemerkte, daß Colbert, der sonst freudig bei der Arbeit war und sich im Gefühl einer befriedigenden Tätigkeit wohl die Hände rieb, wenn er daran ging, jetzt dagegen Verstimmung und Unmut an den Tag legte.

Nach dem Frieden von Nimwegen, als die gemachten Aufwendungen vollends liquidiert wurden, sind die Ausgaben noch höher gestiegen; überdies aber blieb die Armee auf dem Kriegsfuß, ungeheure Kosten machten die Bauten der Festungswerke. Noch ist nichts zutage gekommen, woraus sich ein Widerspruch dieses Ministers gegen die Verfolgung der Reformierten mit Bestimmtheit ergäbe. An der engen Verbindung zwischen Krone und Klerus, die dadurch befördert wurde, war auch ihm viel gelegen, und zum Äußersten kam es ja bei seinen Lebzeiten nicht. Er scheint den Erfolg des eingeschlagenen Verfahrens so wenig wie andre vorausgesehen, um die eigentlich religiöse Frage sich soviel nicht bekümmert zu haben. Aber daran kann kein Zweifel sein, daß er den Eintrag in den Finanzen, der schon damals aus den Drangsalen erwuchs, die man den Reformierten antat, aufs schmerzlichste empfand; für die Geldverwaltung lag eine neue Schwierigkeit darin. Dennoch gelang es ihm, das Gleichgewicht zwischen Ausgabe und Einnahme für das Jahr 1683 ziemlich wiederherzustellen; der schwersten Zinszahlungen wußte er das Land glücklich wieder zu entledigen.

Dem Kriege zum Trotz war der Handel, namentlich der levantische, in Aufnahme geblieben, die Manufakturen fanden in aller Welt reichliche Nachfrage. Der starke Ausgangszoll, mit dem sie belegt waren, und der der königlichen Kasse wohl zustatten kam, hinderte ihren Vertrieb nicht. Wie die Landmacht ward auch die Seemacht, und zwar diese unter Colberts eigener Aufsicht, in einen Achtung gebietenden Zustand gebracht. Bei seinem Eintritt in die Verwaltung der Marine hatte er nur 30 Kriegsfahrzeuge, darunter drei vom ersten Rang vorgefunden; im Jahre 1683 waren 32 Kriegsschiffe ersten Ranges in See, mit den noch im Bau begriffenen zählte Frankreich überhaupt 267 Kriegsfahrzeuge, mehr als irgend eine Macht der Welt.

Für die Bauten der königlichen Schlösser in Fontainebleau, Chambord, St. Germain und ihre Kosten schaffte er Rat. Versailles, das eben damals instand gesetzt wurde, um vom Hofe bezogen werden zu können, hat in den fünf Friedensjahren 40 Millionen Livres gekostet. An diesen Bau von Versailles knüpfte sich der Tod oder, wenn man will, die Katastrophe Colberts. Die von einem spätern Schriftsteller herrührenden Nachrichten von einem tadelnden Wort, das der König wegen der großen Kosten einiger Teile des Baues, z. B. des großen Gitters am Eingang, im Vergleich mit den Festungsbauten von Louvois an ihn gerichtet haben soll, wage ich nicht zu wiederholen. Aber ganz ohne Grund sind sie nicht. Auch der brandenburgische Gesandte weiß, daß ein Verdruß Colberts über jenen Bau zu seinem Tode beigetragen; er habe sich über die Arbeiter erzürnt, durch deren Nachlässigkeit die Brüstung eines neuen und schönen Zimmers zusammengebrochen sei. Der venetianische Gesandte meldet seiner Signorie das Ereignis, über das er besser als andre unterrichtet zu sein behauptet, folgendergestalt: Nicht über Colbert selbst, aber über dessen jungen Sohn Armois, welcher zu des Vaters Nachfolger bestimmt die Aufsicht über den Bau von Versailles führte, habe sich der König gegen Colbert beschwert; er habe gesagt, er wisse nicht wie es zugehe, daß er trotz seines großen Geldaufwandes schlechter als jeder andre bedient werde; Bald darauf, als Colbert wegen der Zahlung einer Summe Schwierigkeiten erhoben, habe ihm der König seine Verwunderung ausgesprochen, daß er ihn in solchen Dingen hartnäckig finde und ihn bitten müsse; das sei nicht der Fall mit Louvois, dem brauche er seine Wünsche nur anzudeuten, so seien sie schon ausgeführt. Colbert, von dem wir wissen, wie ganz er von der königlichen Gnade abhing, habe diesen Beweis der Ungunst, diese Bevorzugung seines Nebenbuhlers nicht ertragen können, er habe seinen Sturz vorauszusehen gemeint und sei darüber in eine tödliche Krankheit gefallen. Man habe ihm geraten, dem König über die Sache zu schreiben, ihm seine Verdienste in Erinnerung zu bringen; er habe jedoch davon nichts hören mögen, zu sterben sei ihm nicht unlieb gewesen. Mit Gewißheit weiß man, daß der König in seiner Krankheit an ihn schrieb; Colbert, der sich seinem Ende nahe fühlte, wollte den Brief nicht lesen, er wollte sich nur noch mit seinem Gott beschäftigen. Er starb im September 1683.

Hat aber Colbert nicht bis zuletzt die volle Gnade des Königs behauptet, so hat ihn das Volk, das in der Strenge seiner Staatsverwaltung eine willkürliche Bedrückung sah und an den Reichtümern, die seine Familie sammelte, Ärgernis nahm, mit bitterem Haß verfolgt. Die Leiche mußte mit militärischem Geleit nach der Grabkapelle geschafft werden, die heftig erregte Menge hätte sie sonst in Stücke gerissen. Man ließ sich nicht abhalten, Pasquille an dieser Kapelle anzuschlagen. Vierzehn Tage hörte man von nichts als Schmähreden gegen den Verstorbenen.

Ein Menschenleben voll Größe, Ernst und Schicksal. Eine für die Welt bedeutende, gleichsam angeborene Geistesrichtung und Gabe, ihr Raum zu verschaffen; auf den ersten Stationen des Dienstes Leistungen, die sich förderlich, unentbehrlich erweisen, und eine unerschütterliche Ergebenheit, die sich Vertrauen gewinnt; hierauf mutiges Vorgehen gegen einen Feind, der die höchste Stelle besitzt,Fouquet, Oberintendant der Finanzen unter Mazarin; s. Französische Geschichte 3, 158-165. jedoch einen verderblichen Weg eingeschlagen hat, bis es endlich gelingt, denselben zu stürzen; nunmehr die Gründung eines neuen Systems, durchgreifende rücksichtslose Reformen, nicht allein bedeutend für den Augenblick, sondern für alle Jahrhunderte. Alle Anstrengungen, die gemacht und andern zugemutet, die Gewaltsamkeiten, die nicht vermieden werden, erscheinen durch die Aussichten eines universalen Gedeihens, die sich daran knüpfen, der Wohlfahrt des Volkes und der Größe des Staates gerechtfertigt, erträglich, bis dann aus den Gegensätzen der Welt Verwicklungen hervorgehen, welche ein ruhiges Verfolgen des vorgesteckten Zieles unmöglich machen. Das Schicksal will, daß dieselben nicht ohne eigenen Anteil eintreten; der Rückschlag der Erfolge nötigt den Staatsmann, in den Verlegenheiten des Augenblicks fast zu dem Gegenteil von dem zu schreiten, was er ursprünglich beabsichtigte; dann erfüllt sich alles mit dornenvollem Mißvergnügen. Niemand erkennt mehr die Absicht, die große Idee; die Ordnung erscheint nur noch als Gewalt und Eigenmacht; sie entrüstet die Menge, für die man sorgen, den Fürsten, dessen Sache man führen wollte; am wenigsten genügt man sich selbst: bis zuletzt irgendein Vorteil, der das Herz ergreift, die schon gebrochene Existenz, vollends niederwirft und das Los der Sterblichen sich an ihr erfüllt.

Glücklich, wenn die ergriffene Idee die Sympathien der Nachwelt, eine FiberD. h. Faser; vgl. Cic. Cato maior 15, 51: herbescentem viriditatem, quae nixa fibris stirpium sensim adolescit. ihres Lebens berührt, wie das der Fall Colberts lange Zeit hindurch war; dann reinigt sich das Andenken von den Schlacken des Moments zur Anerkennung dessen, was das Wesen war. Der Name, mit der Idee zusammenfallend, erhebt sich in stolzer Einsamkeit aus der Nacht der Jahrhunderte; auch nachfolgende Veränderungen der Meinung können ihn nicht herabziehen.


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