Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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34. Oliver Cromwell.

Englische Geschichte IV, Werke Bd. 17 S. 99-110. 202-204.

Oliver Cromwell war nicht ohne Studien; er hat sich eine Zeitlang in einem College im Cambridge aufgehalten. Besonderen Einfluß haben sie nicht auf ihn ausgeübt. Durch den Tod seines Vaters fast allzufrüh selbständig geworden, hatte er eine Epoche, wo er sich den Zerstreuungen einer vergnügungssüchtigen, tobenden und verschwenderischen Jugend hingab. Die erste ernste Einwirkung, die wir an ihm wahrnehmen, rührte von den Lehren des strengen Puritanismus her, der damals von einem jener Lecturer, welche man allerorten der herrschenden Kirche entgegensetzte, namens Beard, in HuntingdonCromwells Geburtsort, an der Ouse unweit Bedford. gepredigt wurde. Wir finden ihn dann in den gewaltsamen Agitationen des Gemüts, welche den Übergang von weltlicher Verwilderung zu religiöser Vertiefung und Umkehr bezeichnen. Nur in den separatistischen Kongregationen, dem vollkommensten Ausdruck der gläubigen Gemeinschaft, fand er Befriedigung.

Mit dieser Gesinnung verband sich in ihm wie in so vielen andern politische Opposition gegen die Regierungsweise Karls I. Bei Cromwell erscheint sie zunächst in lokalen Angelegenheiten. Unter anderm widersetzte er sich der Absicht der Regierung, die Stadtverfassung von Huntingdon zu verändern. Allenthalben auf größere Stabilität Bedacht nehmend wollte dieselbe statt der jährlichen Wahlen zum Gemeinderat Wahlen auf Lebenslang einführen; Cromwell stand an der Spitze derer, welche die liberalere Form jährlicher Wahlen behaupteten; er verfuhr dabei mit so ungewohnter Rücksichtslosigkeit, daß man ihn deshalb zur Verantwortung gezogen hat. Bei dem Geschäft der Austrocknung der benachbarten Marschen verfocht er mit gleichem Eifer das Recht der Stadt, welches man dabei für verletzt hielt. Große Erfolge ließen sich davon nicht erwarten, noch ward er selbst davon befriedigt; er gehörte zu denen, welche daran dachten, ihre Idee von bürgerlicher und religiöser Freiheit jenseit des Weltmeeres zu verwirklichen, als die Dinge in England eine Wendung nahmen, von der sich ein Umschlag auch im Mutterlande erwarten ließ. Bei dem Ansehen, in welchem seine Familie stand, und seiner persönlichen Haltung konnte es ihm nicht fehlen, bei den Wahlen im Herbst 1640 durchzudringen. Soviel man weiß, hatte er noch die besondere Empfehlung seines Vetters John Hampden für sich; er trat als Mitglied für Cambridge ein.

Wäre es in dem Parlament auf regelmäßige Debatten gekommen, so würde Cromwell, der schon in den ersten Jahren Karls I. Parlamentsmitglied gewesen war ohne bemerkt zu werden, auch in diesem keine Rolle gespielt haben. Er fiel durch seine Erscheinung – vernachlässigte Kleidung, entflammte Gesichtsfarbe, landmannähnliche Haltung – fast als Sonderling auf. Mit schneidender Stimme brachte er Bemerkungen vor, durch welche die bestehende Verfassung des Staates verletzt wurde, und bei denen man einmal den Antrag machte, ihn an die Barre des Hauses zu verweisen, um sich zu entschuldigen. Eben darin aber, daß endlich durchgreifende Veränderungen erreichbar schienen, lag für Cromwell der Beweggrund seines lebendigen Anteils an den parlamentarischen Verhandlungen. Zu den leitenden Männern der Versammlung gehörte er nicht; in der Debatte konnte er nicht glänzen, dazu fehlte es ihm an momentaner Beweglichkeit des Geistes und einer auf eine größere Anzahl Menschen von mannigfaltigen Stimmungen wirksamen Redegabe. Wie sehr aber irrt man, wenn man meint, er sei damals ohne Bedeutung und Einfluß geblieben!

Wir kennen die Forderungen des Parlaments, durch welche in der zweiten Hälfte des Jahres 1641 eine Aussöhnung mit dem König unmöglich wurde. Cromwell hat den größten Anteil an der Aufstellung derselben. Von ihm und Haslerigh ist die Bill ausgegangen, welche Aufhebung des Episkopalsystems von Grund aus forderte; zuerst Cromwell hat darauf angetragen, daß der Oberbefehlshaber über die Miliz des Landes nicht wie bisher durch den König, sondern durch das Parlament gesetzt werden solle, und zwar auf so lange dieses selbst bestimme, also ohne dem König das Recht der Absetzung zu lassen; ein Verlangen, das einen Monat später von Haslerigh zu einem Umfange erweitert wurde, daß sich daran der Streit über das Recht des militärischen Oberbefehls entzündete. So war es auch Cromwell, der den Antrag auf Enterung des Lord Bristol aus dem Rate des Königs einbrachte; wir sahen, wie diese Absicht, auf Digby ausgedehnt, vornehmlich dazu beitrug, den König zu jenem Eingriff in die parlamentarische UnabhängigkeitVersuch, fünf Mitglieder der Opposition im Parlament zu verhaften; Englische Geschichte 3, 107. zu bewegen, der den Bruch unmittelbar herbeiführte.

Impulse und Anregungen konstituieren aber noch lange kein öffentliches Leben; für Cromwell eröffnete sich eine seinen eigentümlichen Talenten entsprechende Laufbahn erst, als man von den Windungen der Kontroverse zum Waffenkampfe überging.

Eigentlich sind es drei große Handlungen, durch welche er seine persönliche Macht begründet hat; sie tragen alle das Gepräge erzwungener Abwehr, energischen Entschlusses und einer Vorbereitung, die eher das Gegenteil erwarten ließ. Die erste ist die Umbildung der Armee in den Jahren 1644/45. Es war der Moment, in welchem Cromwell trotz der Verdienste, die er sich bei Marstonmoor erworben, oder vielmehr infolge derselben, da sie ihm einen so großen Anhang verschafften, von der schottisch-presbyterianischen Kombination, an der die vornehmsten Männer des Staates und des Heeres Anteil nahmen, zugrunde gerichtet werden sollte.Ebd. S. 203. In dieser Gefahr führte er die Selbstentäußerungsakte durch; sie enthielt das entscheidende Mittel, die Großen von der Armee zu entfernen und sie sowie andre seiner Gegner ihres vornehmsten Einflusses zu berauben. Es ist schon auffallend und anstößig, daß ein religiöses Motiv dazu dienen mußte eine Parteimaßregel zu empfehlen und zur Ausführung zu bringen; wie viel mehr, daß sie nur auf einen Mann keine Anwendung fand, nämlich eben auf ihn, von dem sie ausgegangen war. Ob das von vornherein seine bewußte Absicht war, wer will es entscheiden? Es gibt eine Voraussicht dessen was von selber folgt, die eher Vorgefühl als Absicht zu nennen ist.

Die großen exzeptionellen Stellungen in der Welt werden überhaupt nicht allmählich erworben; mehr durch instinktartiges Gefühl als durch Berechnung mag sie der Ehrgeiz ins Auge fassen; im Moment der Entscheidung bieten sie sich ihm plötzlich dar und werden dann mit einem Male in Besitz genommen. Durch den Sieg von Naseby wurde Cromwell Meister von England. Wer hätte es wagen können, ihn einer Illegalität zu zeihen, indem er von Sieg zu Sieg fortschritt und den großen Streit entschied, in welchem die Nation mit allem ihrem Tun und Denken begriffen war. Er war nicht General der Armee und im Parlament nichts weiter als ein Mitglied, aber er beherrschte die eine durch das Verdienst, das er um sie hatte, und sein persönliches Ansehen, und übte dadurch auf das andre einen maßgebenden Einfluß aus. Seine Position ward durch die zwiefache Grundlage, die sie hatte, von einer unvergleichlichen Stärke. Er war mit einem Schlage der mächtigste Mann von England geworden.

Ihrer Natur nach strebt eine Autorität wie diese nach einer vollen freien Entwicklung, welche ihr die von ihr herabgedrückten, aber noch nicht eigentlich überwundenen Elemente ebenso notwendig bestreiten. Die Presbyterianer und der König trachteten sich gegen ihn zu vereinigen; es ist der zweite große Moment in Cromwells nunmehriger Laufbahn, wie er sie auseinanderhielt und darnach beide vollends niederwarf. Mit den eifrigen Presbyterianern, die in ihm ihren geschworenen Feind erblickten, hätte er sich nimmermehr verständigen können; leichter erschien ein Einverständnis mit dem König, dessen Ideen über religiöse Toleranz seinen Forderungen entgegenkamen. Cromwell zeigte ihm Sympathien, machte ihm Versprechungen, flößte im Vertrauen ein, trat mit ihm in eifrige Unterhandlung. Zum Abschluß aber gehörte zweierlei; einmal mußte die Armee mit der Annäherung einverstanden sein, und sodann hätte ihr der König nicht allein Sicherheit vor jeder Reaktion, sondern auch Fortdauer ihrer bevorzugten Stellung im Lande bewilligen müssen. Aber der Armee, die sich mit demokratischen Ideen erfüllt hatte, wurde der Führer selbst durch seine Unterhandlung verdächtig, als suche er nur durch irgendeine Abkunft für seine eigene Größe und die Zukunft seiner Familie zu sorgen. Von dem König aber war die Anerkennung einer selbständigen Aufstellung nimmermehr zu erreichen; was Cromwell ihm auch verheißen haben mochte, allmählich wandte er sich in offener Feindseligkeit von ihm ab.

Cromwell war nicht ohne Sinn für die Prinzipien der Monarchie, aber ohne alles Gefühl von dem, was man Loyalität nennt. Er hat gesagt, er würde im Gefecht sein Schießgewehr so gut gegen den König abdrücken wie gegen irgendeinen andern Feind. Er haßte Karl I. nicht, aber er empfand keinen Skrupel dabei, ihn zu verderben, wenn es die Dinge so mit sich brachten. Nach seiner Ansicht war es erlaubt, unter dringenden Umständen die regierenden Gewalten zu stürzen; nur darin sah er die Ordnung Gottes, daß es Autoritäten gebe; die Art und Weise derselben bleibe menschlichem Ermessen anheimgestellt. Cromwell ging nicht wie die AgitatorenDie von den Soldaten aus ihrer Mitte gewählten Vertreter; Englische Geschichte 3, 285. von der Idee der Nationalsouveränität aus, sondern von der Forderung des allgemeinen Besten. Was dem Reiche nützlich oder schädlich sei, darüber habe zuletzt jeder ein Urteil; das Interesse der ehrlichen Leute sei das allgemeine Interesse, um es zur Geltung zu bringen, dürfe man eine bestehende Regierung umstoßen; denen, die Arges im Sinne haben, könne man mit Arglist begegnen. Grundsätze, mit denen sich jede Empörung und Gewalttat rechtfertigen ließe; sie entsprechen der Stellung eines mächtig emporkommenden, alle Rücksicht von sich weisenden Gewalthabers.

Faßte Cromwell aber den Gedanken, das Königtum zu stürzen, so mußten auch die parlamentarischen Männer fallen, welche mit demselben ein Abkommen zu treffen suchten, mochten sie früher seine Freunde gewesen sein oder nicht. Er erklärte es für eine Art von Glaubensakt – denn nur von ihrer täglich anschwellenden Wut gegen die Auserwählten Gottes leitete er ihr Verhalten her –, daß er das Parlament von ihnen reinigte. Das Oberhaus war aufgehoben, der König enthauptet; im Unterhause, welches nun als das Parlament erschien, wurden nur Männer von einer ähnlichen, allen Loyalitätsgefühls baren Gesinnung geduldet, die mit ihm gingen.

Daß sie aber auf die Länge geduldet werden würden, war doch nicht zu erwarten. Weit entfernt, sich ihm unterzuordnen, behaupteten sie, die höchste Gewalt zu bilden, der vielmehr die Armee zu gehorchen habe. Als nun Cromwell von den Kriegszügen zurückkehrte, durch welche der Widerstand gegen die Republik allenthalben unterdrückt und die Autorität derselben zur Anerkennung gebracht wurde, wie sollte er den Besitz der von ihm gegründeten Gewalt solchen gönnen, welche ihm selbst Gesetze vorzuschreiben und seine Macht zu beschränken trachteten? Cromwell kehrte Vorwürfe hervor, welche die Mitglieder persönlich trafen und ihnen ihre Popularität gekostet hatten; doch war das nicht sein letzter Grund. Es ist etwas Wahres daran, was die Royalisten sagten: er habe sie vertrieben, um nicht selbst von ihnen gestürzt zu werden. Und wie hätte sich überhaupt eine militärische und eine zivile Gewalt, mit gleichem Anspruch, koordiniert nebeneinander behaupten sollen? Es war unvermeidlich, daß sie in Streit gerieten. Dann aber behielt mit Naturnotwendigkeit der General die Oberhand, nicht allein weil er die größere Macht besaß, sondern auch weil er zur Gründung des gesamten Zustandes das meiste beigetragen hatte. »Ein Heilmittel war notwendig,« ruft Cromwell einmal aus, »dies Heilmittel ist angewendet worden.« Es war die Annahme des Protektorats, das Ergreifen der bürgerlichen Autorität durch die militärische.

Wenn man den vornehmsten Unterschied zwischen dem Ereignis in England und dem nahe verwandten, das anderthalb Jahrhunderte später in Frankreich eintrat, mit einem Worte bezeichnen wollte, so dürfte man sagen, daß in Frankreich der soziale Umsturz bereits so gut wie vollzogen war, als sich ein siegreicher General der Gewalt bemächtigte, in England dagegen die militärische Macht eingriff, ehe es so weit kam. Sie tat dem Fortgang der Bewegung Einhalt, sobald diese die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft zu erschüttern begann. König, Lords und Parlament hatte Cromwell an der Spitze der Armee niedergeworfen und vernichtet; der politischen Verfassung des Reiches gegenüber erschien er als ein großer Zerstörer. Weiter aber wollte er nicht gehen. Sobald die Anhänger seiner Partei eine Richtung einschlugen, welche die bürgerlichen Zustände und das soziale Leben bedrohte, fanden sie in ihm ihren größten und wirksamsten Feind.Sein Einschreiten gegen die Levellers; Englische Geschichte 4,18 ff. Einteilung Englands in Militärbezirke 4, 136 ff. Denn in dem Besitz der Macht, namentlich der militärischen, liegt die Notwendigkeit, die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung, auf denen sie selbst beruht, zu erhalten.

Mitten in dem Ruin der politischen und kirchlich-politischen Autoritäten stellte sich Cromwell als Beschützer der sozialen Zustände, des Eigentums, des bürgerlichen Rechts, der niederen Geistlichkeit auf. In diesem Sinne ergriff er die höchste Gewalt und seine Stellung selbst bewirkte, das dies mit Beistimmung eines ansehnlichen Teils der Bevölkerung geschehen konnte. Die Rechtsgelehrten und Geistlichen hatten sich durch die destruktiven Beschlüsse der independentischen VersammlungDas sogenannte kleine Parlament 1653; 4, 82 ff. in ihrem Dasein bedroht gesehen; sie waren glücklich, als sie die Auflösung derselben vernahmen. Cromwell erschien als ihr Erretter; für sie hatte sein Titel Protektor vollkommen den Sinn, der in dem Worte liegt.

Vornehmlich mußte er die Institutionen, die mit den alten Zuständen verbunden waren, niederhalten. Von der Organisation der Aristokratie oder dem Bistum konnte so wenig die Rede sein wie von dem Königtum selbst. Am wenigsten meinte er den Katholizismus dulden zu dürfen. In dem politischen und religiösen Gegensatz gegen alle diese Elemente sah Cromwell den Zweck seines Daseins; er erblickte darin die Wohlfahrt des Landes, die Förderung der Religion und der Moral, aber auch zugleich seine eigene Rechtfertigung, wenn er nun, um seine Sache durchzuführen, dazu schritt, auch die Widersacher aus dem Schoß der eignen Partei zu bekämpfen. Er hielt für notwendig, alle Kräfte des Landes seinem Willen dienstbar zu machen. So hat er sich eine Gewalt gegründet, die kein Beispiel und keinen ihr entsprechenden Namen hat. Es ist gewiß, die großen Worte, von denen sein Mund überströmte, waren zugleich die Hebel seiner Macht, und nicht gegen diese ließ er sie gelten; aber ebenso gewiß ist: die oberste Gewalt war nicht sein Ziel an und für sich; sie sollte ihm dienen, die Ideen von religiöser Freiheit im protestantischen Sinne, bürgerlicher Ordnung und nationaler Unabhängigkeit, die seine Seele erfüllten, zu realisieren. Diese Ideen sah er nicht in subjektiver Genugtuung, sondern in ihrer objektiven Notwendigkeit.

Eine Kraft von tiefem Antrieb, ureigner Bewegung, breiter Mächtigkeit, langsam und feurig, beständig und treulos, zerstörend und konservativ, die den ungebahnten Weg immer geradeaus vor sich hintreibt; alles muß vor ihr weichen, was ihr widerstrebt, oder es muß zugrunde gehen. Fragt man, was er ausgerichtet hat, was nach ihm blieb, so liegt das nicht in einzelnen Formen des Staates und der Verfassung. Es erhellt nicht einmal mit Bestimmtheit, ob er auf eine Fortpflanzung der Macht, die er selber besaß, Bedacht genommen hat. Weder sein Haus der Lords noch seine Commons waren von Bestand, weder die Armee, die er gegründet, noch die separatistischen Versuche, von denen er ausging. Die Zeiten haben das alles wieder weggetrieben. Dennoch hat er eine Wirksamkeit von folgenreichstem Inhalt ausgeübt.

Wir sahen, wie der große Konflikt aus den historischen und natürlichen Gegensätzen der drei britannischen Länder entsprang, welche Rolle die republikanische Organisation bei der Unterwerfung der beiden andern Teile des britannischen Gemeinwesens unter England gespielt hat. Aber es waren doch die Siege Cromwells, die das möglich machten. Was dem letzten Protektor vor ihm, Somerset,Regierte für den unmündigen König Eduard VI. 1547-49. Früher war Richard von York 1452-55 und 1458 Protektor gewesen. vorgeschwebt hatte, die Vereinigung der drei Reiche in und durch den Protestantismus, das hat er glänzend durchgefochten. Seine Erhebung ging von einem vorzugsweise englischen Gedanken aus, der sich zugleich dem Eindringen der Schotten und der irischen Selbständigkeit entgegensetzte; er verschaffte ihm Raum mit den Waffen und hat dann zuerst die irischen und schottischen Deputierten, wenn auch unregelmäßig, in das englische Parlament eingeführt. Kaum läßt sich annehmen, daß eine parlamentarische Regierung der drei Reiche damals möglich gewesen wäre. Wie die Ereignisse gegangen waren, drängten sie nach einer monarchisch-militärischen Gewalt. Cromwell hat das Verdienst, eine Reihe von Jahren hindurch die britannischen Reiche von einem Gesichtspunkt aus regiert, ihre Kräfte zu gemeinschaftlichen Unternehmungen vereinigt zu haben. Das letzte Wort der Geschichte war das nicht, die Dinge sollten sich noch auf eine ganz andre Weise ausbilden. Aber vielleicht müssen die großen Gestaltungen durch die unbedingte Autorität eines einzelnen Willens präformiert werden, um später ein freies Leben in ihrem Schoße zu entwickeln.

Für die allgemeine Geschichte von Europa ist nun aber nichts wichtiger, als daß Cromwell die Kräfte von England gegen die spanische Monarchie richtete. Es war sein eigenster Gedanke, die Republik hätte es schwerlich getan. Wir untersuchen nicht den politischen Wert der Handlung, gegen den sich vieles einwenden läßt, wir begreifen nur ihre Wirkung. Diese lag darin, daß die Gestalt der europäischen Welt, die aus dem dynastischen Emporkommen des Hauses Burgund-Österreich hervorgegangen war und seit beinahe zwei Jahrhunderten vorgewaltet hatte, zurücktreten und eine neue Bahn sich machen mußte; den Engländern, namentlich ihrer Seemacht, fiel dabei vom ersten Augenblick an eine große Rolle zu. Cromwell hat die englische Marine nicht geschaffen, die Tendenzen ihrer Führer waren ihm vielmehr entgegengesetzt, aber er hat ihr ihre vornehmste Richtung gegeben. Wir sahen, wie gewaltig sie sich in alle Welt aufnahm. Vornehmlich hatten die ozeanischen und mittelländischen KüstenDer Admiral Robert Blake bekämpfte 1655 die Seeräuber von Tunis und bedrohte den Herzog von Savoyen wegen Bedrückung der Waldenser; 4, 155. In demselben Jahre entriß eine zweite englische Flotte den Spaniern die Insel Jamaika: 4, 152. von Europa das Gewicht der englischen Waffen empfunden; zuweilen ist von Besitzergreifungen an der italienischen, selbst an der deutschen Küste die Rede gewesen; an der niederländischen war eine solche gelungenDünkirchen den Spaniern 1658 entrissen; 4, 192. und sollte erweitert werden: man sagte, der Schlüssel des Kontinents hange an dem Gürtel Cromwells. Widerstrebend, aber gezwungen folgte Holland damals dem Impuls, den es von England erhielt;Seekrieg zwischen England und der Republik der Niederlande 1652-54; letztere wird zur Anerkennung der englischen Schiffahrtsakte von 1651 gezwungen; 4, 65 ff., 120. um seiner eignen Erhaltung willen nahm ihn Portugal an. England konnte ruhig die Verwicklungen erwarten, die sich später auf dem Kontinent zutragen mochten.

Wenn nun der protestantische Gedanke die innere Einheit von England begründete, und zwar in unerwarteter Freiheit von sektierischem Beigeschmack, so war es die Idee des Protestantismus und seiner Aufrechterhaltung, was zur Begründung des Systems der Macht den Anstoß gab und in demselben mächtig zutage kam. Durch die Einwirkung Frankreichs war der Protestantismus vor seiner Vernichtung gerettet, aber zugleich in Unterordnung gehalten worden.Die Politik Heinrichs IV. und Richelieus. Dagegen nahm er durch Cromwell unter den Mächten der Welt eine selbständige Haltung ein, ohne alle weitere Vermittlungen. Die Abweichung von der alten Doktrin und Verfassung der abendländischen Kirche gewann eine ebenso große Stellung, wie die besaßen, welche daran festhielten, und selbst noch eine größere, zukunftreichere.

Zurückberufung Karls II. 4, 278-297. Charakter Karls II. 5, 373 f.


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