Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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14. Ausbreitung der Jesuiten in Deutschland.

Päpste II, Werke Bd. 38 S. 16 ff.

Es war den Päpsten gelungen, in dem Konzilium, das sie glücklich beendigt hatten, ihre Autorität, deren Verminderung beabsichtigt war, sogar zu vermehren und sich einen verstärkten Einfluß auf die Landeskirchen zu verschaffen. Überdies ließen sie von jener weltlichen Politik ab, durch die sie bisher Italien und Europa in Verwirrung gesetzt; vertrauensvoll und ohne Rückhalt schlossen sie sich an Spanien an und erwiderten diesem die Hingebung, die es der römischen Kirche widmete. Das italienische Fürstentum, der erweiterte Staat diente vor allem zur Beförderung kirchlicher Unternehmungen; der gesamten katholischen Kirche kam eine Zeitlang der Überschuß seiner Verwaltung zugute. Dergestalt stark in sich selbst, gewaltig durch mächtige Anhänger und eine mit ihnen verbündete Idee gingen die Päpste von der Verteidigung, mit der sie sich bisher hatten begnügen müssen, zum Angriff über. An vielen Orten zugleich tritt die Unternehmung hervor; nach den verschiedensten Seiten der Welt haben wir unsere Aufmerksamkeit zu richten. Die geistliche Tätigkeit ist auf das genaueste mit politischen Antrieben verbunden; es traten weltumfassende Kombinationen ein, unter deren Einfluß die Eroberung gelingt oder mißlingt. Beginnen wir mit unserm Vaterlande, wo ja das Papsttum zuerst seine großen Verluste erlitten, und wo auch jetzt der Kampf der beiden Prinzipien vorzüglich ausgefochten wurde. Vor allem leistete hier die zugleich weltkluge und religionseifrige, mit dem Sinne des modernen Katholizismus durchdrungene Gesellschaft der Jesuiten der römischen Kirche gute Dienste.

Auf dem Reichstag zu Augsburg im Jahre 1550 hatte Ferdinand I. seinen Beichtvater, den Bischof Urban von Laibach mit sich. Es war dies einer der wenigen Prälaten, die sich in ihrem Glauben nicht hatten erschüttern lassen. Oft bestieg er zu Hause die Kanzel, um das Volk in der Landessprache zu ermahnen, bei dem Glauben seiner Väter auszuharren, um von dem einigen Schafstall und dem einigen Hirten zu predigen. Damals nun befand sich auch der Jesuit Le Jay in Augsburg und erregte durch einige Bekehrungen Aufsehen. Bischof Urban lernte ihn kennen und hörte zuerst durch ihn von den Kollegien, welche die Jesuiten an mehreren Universitäten gestiftet. Da in Deutschland die katholische Theologie in so großem Verfall war, so gab er seinem Herrn den Rat, in Wien ein ähnliches Kollegium einzurichten. Lebhaft ging Ferdinand darauf ein; in dem Schreiben, das er hierüber an Ignatius Loyola richtete, spricht er die Überzeugung aus, das einzige Mittel, die fallende Kirchenlehre in Deutschland aufrecht zu erhalten, bestehe darin, daß man dem jüngern Geschlechte gelehrte und fromme Katholiken zu Lehrern gebe. Leicht waren die Verabredungen getroffen. Im Jahre 1551 langten dreizehn Jesuiten an, unter ihnen Le Jay selbst, denen Ferdinand zuvörderst Behausung, Kapelle und Pension anwies, bis er sie kurz darauf mit der Universität vereinigte und ihnen sogar die Visitation derselben übertrug.

Bald danach kamen sie in Köln und Ingolstadt empor. Von diesen drei Metropolen breiteten sie sich nun nach allen Seiten aus, von Wien über die österreichischen Länder, von Köln über das gesamte Rheinland. Unverzüglich versuchten sie ihr Glück auch längs des Maines. Obwohl Frankfurt ganz protestantisch war, hofften sie doch während der Messen daselbst etwas auszurichten. Es konnte dies aber nicht ohne Gefahr geschehen; um sich nicht finden zu lassen, mußten sie alle Nächte die Herberge wechseln. Desto sicherer und willkommener waren sie in Würzburg. Es ist doch als hätte die Ermahnung, welche Kaiser Ferdinand bei dem Reichstage von 1559 an die Bischöfe richtete, endlich einmal auch ihre Kräfte zur Erhaltung der katholischen Kirche anzustrengen, auf diesen glänzenden Fortgang des Ordens in den Stiftern viel Einfluß gehabt. Von Würzburg aus durchzogen sie Franken. Mittlerweile war ihnen auf der anderen Seite Tirol eröffnet worden; auf den Wunsch der Töchter des Kaisers siedelten sie sich zu Innsbruck und dann zu Hall in der Nähe an. In Bayern drangen sie immer weiter vor. In München, wohin sie 1559 gelangten, fanden sie es selbst bequemer als in Ingolstadt; sie erklärten es für das deutsche Rom. Und schon erhob sich unfern von Ingolstadt eine neue große Kolonie. Um seine Universität Dillingen auf ihren ursprünglichen Zweck zurückzuführen, entschloß sich der Kardinal Truchseß,Otto Truchseß von Waldenburg, Bischof von Augsburg, hatte sich 1555 bei den Verhandlungen über den Religionsfrieden dem Abschluß desselben lebhaft widersetzt; Deutsche Geschichte 5, 261, Die Stadt Augsburg war seit 1534 überwiegend evangelisch (ebd. 3, 348); der Bischof wohnte in Dillingen und gründete dort 1549 eine Universität. Karl V. nötigte 1548 Augsburg, das Interim anzunehmen und änderte die Ratsverfassung (5, 42); beides war nicht von Dauer. alle Lehrer, die noch daselbst dozierten, zu verabschieden und die Stiftung völlig den Jesuiten anzuvertrauen. Zwischen deutschen und italienischen Kommissaren, des Kardinals und des Ordens, ward hierüber zu Botzen eine förmliche Abkunft geschlossen; im Jahre 1563 langten die Jesuiten in Dillingen an und nahmen die Lehrstühle in Besitz. Er beförderte sie nach besten Kräften; bald richtete er ihnen eine Mission in Augsburg ein.

Ein ungemeiner Fortgang der Gesellschaft in so kurzer Zeit. Im Jahre 1551 hatten sie noch keine feste Stätte in Deutschland; 1566 umfaßten sie Bayern und Tirol, Franken und Schwaben, einen großen Teil der Rheinlande, Österreich; in Ungarn Böhmen und Mähren waren sie vorgedrungen. Schon nahm man ihre Wirkung wahr; 1561 versichert der päpstliche Nuntius, daß sie »viele Seelen gewinnen und dem heiligen Stuhl einen großen Dienst leisten«. Es war der erste nachhaltige antiprotestantische Eindruck, welchen Deutschland empfing.

Vor allem arbeiteten sie auf den Universitäten. Sie hatten den Ehrgeiz, mit dem Rufe der protestantischen zu wetteifern. Die ganze gelehrte Bildung jener Zeit beruhte auf dem Studium der alten Sprachen; sie trieben dieselben mit frischem Eifer, und in kurzem glaubte man wenigstens hie und da die jesuitischen Lehrer den Wiederherstellern dieser Studien an die Seite stellen zu dürfen. Auch andere Wissenschaften kultivierten sie; Franz Koster trug zu Köln die Astronomie ebenso angenehm wie belehrend vor. Die Hauptsache aber, wie sich versteht, blieben die theologischen Disziplinen. Die Jesuiten lasen mit dem größten Fleiße, auch während der Ferien; sie führten die Disputierübungen wieder ein, ohne welche wie sie sagten, aller Unterricht tot sei. Die Disputationen, welche sie öffentlich anstellten waren anständig, gesittet, inhaltreich, die glänzendsten, welche man jemals erlebt hatte. Bald überredete man sich in Ingolstadt, dahin zu sein, daß sich die Universität wenigstens im Fache der Theologie mit jeder andern deutschen messen könne. Ingolstadt bekam, aber im entgegengesetzten Sinne, eine Wirksamkeit, wie sie Wittenberg und Genf gehabt.

Nicht minderen Fleiß widmeten die Jesuiten der Leitung der lateinischen Schulen. Es war einer der vornehmsten Gesichtspunkte des Lainez,Ein Genosse Loyolas, gleichfalls Spanier, nach Loyolas Tode General der Gesellschaft, Hauptverfasser der Constitutiones Societatis Jesu, gestorben in Rom 1565. daß man die unteren Grammatikalklassen gut besetzen müsse; auf den ersten Eindruck, den der Mensch empfange, komme doch für sein gesamtes Leben das meiste an. Er suchte mit richtiger Einsicht Leute, welche, wenn sie dies beschränkte Lehramt einmal ergriffen hatten, sich demselben ihr ganzes Leben zu widmen gedachten, denn erst mit der Zeit lerne sich ein so schwieriges Geschäft und finde sich die natürliche Autorität ein. Es gelang den Jesuiten hiermit zur Verwunderung. Man fand, daß die Jugend bei ihnen in einem Halbjahr mehr lerne als bei andern in zwei Jahren; selbst Protestanten riefen ihre Kinder von entfernten Gymnasien zurück und übergaben sie den Jesuiten.

Es folgte Armenschule, Kinderlehre, Katechisation. CanisiusPeter de Hondt, geboren 1524 zu Nimwegen, trat 1543 zu Köln in die Gesellschaft Jesu ein, wurde 1549 Professor in Ingolstadt, 1551 Hofprediger in Wien, hochangesehen bei Ferdinand I.; später zog er sich in das Ordenskollegium zu Freiburg in der Schweiz zurück, starb dort 1597. verfaßte seinen Katechismus, der durch wohlzusammenhängende Fragen und bündige Antworten das Bedürfnis der Lernenden befriedigte. Ganz in jenem devot-phantastischen Sinne nun, der das Institut der Jesuiten von Anfang an so eigen charakterisierte, ward dieser Unterricht erteilt. Der erste Rektor in Wien war ein Spanier, Johann Viktoria, ein Mann, welcher einst in Rom seinen Eintritt in die Gesellschaftd. h. die Gesellschaft Jesu. damit bezeichnete, daß er während der Lustbarkeiten des Karneval in Sack gekleidet durch den Korso ging, indem er sich geißelte, solange bis ihm das Blut auf allen Seiten herunterströmte. Bald unterschieden sich in Wien die Kinder, welche die Schulen der Jesuiten besuchten, dadurch, daß sie an den Fasttagen die verbotenen Speisen standhaft verschmähten, von denen ihre Eltern ohne Skrupel genossen. In Köln ward es wieder eine Ehre, den Rosenkranz zu tragen. In Trier begann man Reliquien zu verehren, mit denen sich seit vielen Jahren kein Mensch mehr hervorgewagt hatte. Schon im Jahre 1560 pilgerte die Ingolstädtische Jugend aus der jesuitischen Schule paarweise nach Eichstädt, um bei der Firmelung »mit dem Tau« gestärkt zu werden, »der aus dem Grabe der heiligen Walpurgis träufele.« Eine Gesinnung, die in den Schulen gegründet, durch Predigt und Beichte über die gesamte Bevölkerung ausgebreitet wurde.

Es ist dies ein Fall, wie er vielleicht in der Weltgeschichte niemals wieder auf ähnliche Weise vorgekommen ist. Wenn eine neue geistige Bewegung die Menschen ergriffen hat, ist es immer durch großartige Persönlichkeiten, durch die hinreißende Gewalt neuer Ideen geschehen. Hier ward die Wirkung vollbracht ohne große geistige Produktion. Die Jesuiten mochten gelehrt und auf ihre Art fromm sein, aber niemand wird sagen, daß ihre Wissenschaft auf einem freien Schwunge des Geistes beruhe, daß ihre Frömmigkeit von der Tiefe und Ingenuität eines einfachen Gemütes ausgegangen sei. Sie sind gelehrt genug, um Ruf zu haben, Zutrauen zu erwecken, Schüler zu bilden und festzuhalten; weiter streben sie nicht.Zu ergänzen: in der Wissenschaft. Ihre Frömmigkeit hält sie nicht allein von sittlichem Tadel frei, sie ist positiv auffallend und um so unzweifelhafter; dies ist ihnen genug. In freien, unbeschränkten, unbetretenen Bahnen bewegt sich weder ihre Pietät noch ihre Lehre: doch hat sie etwas, was sie vorzugsweise unterscheidet: strenge Methode. Es ist alles berechnet, denn es hat alles seinen Zweck. Eine solche Vereinigung von hinreichender Wissenschaft und unermüdlichem Eifer, von Studien und Überredung, Pomp und Kasteiung, von Ausbreitung über die Welt und Einheit der leitenden Gesichtspunkte ist auch weder früher noch später in der Welt gewesen. Sie waren fleißig und phantastisch, weltklug und voll Enthusiasmus, anständige Leute, denen man sich gern näherte, ohne persönliches Interesse; einer beförderte den andern. Kein Wunder, wenn es ihnen gelang.

Wir Deutsche müssen daran noch eine besondere Betrachtung knüpfen. Wie gesagt, unter uns war die päpstliche Theologie so gut wie untergegangen. Die Jesuiten erschienen, um sie herzustellen. Wer waren die Jesuiten, als sie bei uns anlangten? Es waren Spanier, Italiener, Niederländer; lange Zeit kannte man den Namen ihres Ordens nicht man nannte sie spanische Priester. Sie nahmen die Katheder ein und fanden Schüler, die sich ihren Doktrinen anschlossen. Von den Deutschen haben sie nichts empfangen; ihre Lehre und Verfassung war vollendet, als sie bei uns erschienen. Wir dürfen den Fortgang ihres Instituts bei uns im allgemeinen als eine neue Einwirkung des romanischen Europa auf das germanische betrachten. Auf deutschem Boden, in unserer Heimat besiegten sie uns und entrissen uns einen Teil unseres Vaterlandes. Ohne Zweifel kam dies auch daher, daß die deutschen Theologen sich weder unter sich selbst verständigt hatten, noch großgesinnt genug waren, um die minder wesentlichen Widersprüche aneinander zu dulden. Die Extreme der Meinungen waren ergriffen worden; man befehdete sich mit rücksichtsloser Wildheit,Vgl. den Abschnitt »Theologische Streitigkeiten«, Deutsche Geschichte 5, 321 bis 331. Flacius, Amsdorf, Osiander gegen Melanchthon; die Geistlichen in Bern und die Norddeutschen (Joachim Westfahl in Hamburg, Timann und Heßhus in Bremen) gegen die Kalvinisten. so daß man die noch nicht vollkommen Überzeugten irre machte und damit diesen Fremdlingen den Weg bahnte, welche mit einer klug angelegten, bis ins einzelste ausgebildeten, keinen Zweifel übrig lassenden Doktrin nun auch ihrerseits die Gemüter bezwangen.

Bei alledem liegt doch auch am Tage, daß es den Jesuiten nicht so leicht hätte gelingen können ohne die Hilfe des weltlichen Armes, ohne die Gunst der Fürsten des Reiches. Denn wie mit den theologischen, so war es mit den politischen Fragen gegangen; zu einer Maßregel, durch welche die ihrem Wesen nach hierarchische Reichsverfassung mit den neuen Verhältnissen der Religion in Einklang gekommen wäre, hatte man es nicht gebracht. Die Summe des Religionsfriedens, wie man ihn gleich anfangs verstand und nachher auslegte, war eine neue Erweiterung der Landeshoheit. Die Landschaften bekamen auch in Hinsicht der Religion einen hohen Grad von Autonomie. Auf die Überzeugung des Fürsten, auf das Einverständnis desselben mit seinen Landständen kam es seitdem allein an, welche kirchliche Stellung ein Land einnehmen sollte. Es war dies eine Bestimmung, welche zum Vorteil des Protestantismus erfunden zu sein schien, aber eigentlich nur dem Katholizismus förderlich geworden ist. Jener war schon gegründet, als sie zustande kam; dieser stellte sich erst her, indem er sich darauf stützte.

Zuerst geschah dies in Bayern; auf das ernstlichste ging Herzog Albrecht V. daran, sein Land wieder völlig katholisch zu machen.


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